DOMRADIO.DE: Wir haben 14 klassische Kirchenzeitungen, die ihre Produkte jetzt zusammenlegen wollen. Diese Woche gab es außerdem die Meldung, dass die kirchliche Medienberatung MDG aufgelöst wird. Sie haben selber als Redakteurin das Ende des Rheinischen Merkurs miterlebt. Ist das denn jetzt die gleiche Entwicklung? Also zieht sich die Kirche immer mehr aus den Medien zurück?
Dr. Christiane Florin (Redaktion "Religion und Gesellschaft“ beim Deutschlandfunk und früher Redakteurin beim Rheinischen Merkur): Dass kirchliche Medien kriseln, gerade die Printmedien, ist kein neues Phänomen. Ich glaube, die Frage "Wie lange reicht es noch?" beschäftigt alle Journalistinnen und Journalisten, die für kirchliche Medien arbeiten, und zwar schon lange.
Das war schon vor 20 Jahren so und es gibt auch eine gewisse systemische Futterneider-Konkurrenz, denn diese Medien rechnen sich ja nicht auf dem Markt, sondern sie hängen von kirchlichen Zuschüssen ab.
Wenn Sie den Rheinischen Merkur ansprechen: Das ist lange her. Das war 2010, da wurde der Rheinische Merkur eingestellt, liquidiert, wie es damals hieß, und ein Teil davon in eine Beilage zur Zeit umgewandelt, "Christ und Welt". Die gibt es heute noch und die ist, glaube ich, auch ein wichtiges Printmedium der Religionsberichterstattung, aber eben nicht mehr im Besitz der katholischen Kirche.
Für die Einstellung war damals der Erzbischof von Köln, Kardinal Meisner verantwortlich und für die Vollstreckung und ich glaube auch die Idee dazu kam von der schon erwähnten MDG. Auch damals wurde schon mit der finanziellen Situation eines Printmediums argumentiert, dass es zu teuer ist.
Man sieht daran die Probleme. Die Argumentationen sind alt. Aber ich vermute mal, die Krise ist doch jetzt noch etwas verschärfter, als sie damals war. Und sie betrifft eben jetzt auch die diözesanen Kirchenzeitungen. Damals war eher so eine verbreitete Reaktion: "Na ja, das Geld, das nicht in den Rheinischen Merkur fließt, das kommt ja vielleicht dann den diözesanen Kirchenzeitungen zugute."
DOMRADIO.DE: Es geht jetzt um die offiziellen Kirchenzeitungen, die von den Bistümern oder im Kontext der Bistümer herausgegeben werden. Da könnte man doch eigentlich fragen: Braucht es solche Produkte überhaupt noch in der heutigen Zeit? Die Massen wird man damit nicht erreichen.
Florin: Wer befindet darüber, ob man das braucht? Das kann natürlich ein Kriterium sein: Gibt es genug Leserinnen und Leser? Es scheint noch welche zu geben, aber vielleicht nicht mehr genug.
Vor allem befindet ja der jeweilige Bischof darüber. Und da hat sich mir nie erschlossen, nach welchen Kriterien der befindet. Möchte er eine Zeitung haben, die alles beklatscht, was er als Bischof macht? Oder möchte er eine Zeitung haben, die eher Forumscharakter hat, in der sich Debatten, die es ja nun unübersehbar in der römisch-katholischen Kirche gibt, abbilden?
Ich würde nach meiner persönlichen Meinung befragt, sagen: Es ist schon wichtig, dass es innerhalb der römisch-katholischen Kirche Foren gibt, Möglichkeiten der Diskussion, der begründeten Positionierung. Ich finde auch wichtig, dass es elektronische Medien gibt. Aber ich würde es auch für wichtig halten, dass es das in gedruckter Form gibt, gerade für die Menschen, die eben vor allem noch Printmedien konsumieren wollen.
DOMRADIO.DE: Gerade in der heutigen Zeit ist ja aber eine kritische Berichterstattung wichtig. Kann man so etwas von offiziellen, kirchlichen Medien wie diözesanen Kirchenzeitungen überhaupt erwarten?
Florin: Wenn man sich die Kirchenzeitungen anschaut, die es gibt, dann sieht man ja, dass die sehr unterschiedlich sind. Es gibt Diözesen, in denen schon in der Kirchenzeitung so was erkennbar ist wie der Forumscharakter, von dem ich gesprochen habe, dass also diskutiert wird, dass kommentiert wird in unterschiedlicher kirchenpolitischen Couleur. Aber es gibt auch Kirchenzeitungen, da ist es sicherlich nicht möglich, die sogenannte Unabhängige Aufarbeitung anzuzweifeln.
Man muss ja unterscheiden: Ganz normale journalistische Berichterstattung in der gebotenen Distanz, die gibt es von Medien wie den überregionalen Tageszeitungen, von den öffentlich-rechtlichen Sendern, von vielen verschiedenen Medien, die nicht in kirchlicher Hand sind. Und wie weit das die kircheneigenen Medien schaffen, hängt davon ab, inwieweit der Bischof das zulässt und in gewisser Weise ja auch vom Rückgrat und vom Stehvermögen der jeweiligen Redaktionen.
DOMRADIO.DE: Es gibt eine ganze Reihe von privaten kirchlichen Medien, die nicht von den Bistümern getragen sind. Von beiden kirchenpolitischen Seiten gibt es das. Das sind aber Medien, die klar meinungsgeprägt sind. Verschafft ein Rückgang der Kirchenzeitungen solchen Produkten nicht auch ein wenig mehr Raum, wobei man nicht unbedingt davon ausgehen kann, dass das eine Wahrheit ist, die man da erzählt bekommt?
Florin: Vor allem das Vatican-Magazin und Idea bedienen ein bestimmtes rechts-autoritär christliches Milieu. Ob die noch groß wachsen, wenn die Kirchenzeitungen rückläufig sind, weiß ich nicht. Das ist ein Milieu, das sich immer selbst bestätigt. Für die unabhängige kritische Berichterstattung sind ja auch andere Medien zuständig.
Ich sehe eher grundsätzlich die Entwicklung, dass die Kirchen, das gilt auch für die evangelische Kirche, als nicht mehr so relevant empfunden werden, dass sie Objekt regelmäßiger Berichterstattung sind.
Wenn etwas Spektakuläres passiert, klar, dann wird natürlich berichtet. Aber es ist jetzt nicht kontinuierlich. Es gibt jetzt nicht mehr, wie das früher schon war, in großen regionalen Zeitungen noch einen eigenen Redakteur, der für Kirchen zum Beispiel zuständig war. Das gibt es nicht mehr, das macht jetzt heute jemand mit. Und auch bei manchen überregionalen Zeitungen ist das schon nicht mehr so, sondern da macht das eben jemand aus der Bereich Politik mit.
Kirche insgesamt als Gegenstand der Berichterstattung wird eher weniger. Und ansonsten finde ich, dass sich in diesen genannten Titeln ja das abbildet, was überall in der Gesellschaft zu beobachten ist: dass man sich von den Medien bevorzugt bedienen lässt, mit deren Tendenz man einverstanden ist.
Das ist jetzt keine so ganz neue Entwicklung. Es war natürlich auch schon vor 20 oder 30 Jahren so mit bestimmten Medien. Aber jetzt, wo die innerkirchlichen Konflikte so erbittert und auch so unversöhnlich sind, sind eben für eine bestimmte Zielgruppen diese unerbittlichen Medien besonders wichtig. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass die besonders wachsen.
DOMRADIO.DE: Gesellschaftlich muss man ja auch sagen, dass die Printmedien an sich in der Krise stecken. So ein Schritt, eine Zeitung einzustellen, kommt ja jetzt nicht wirklich überraschend. Kann das nicht auch einfach mehr damit zusammenhängen und weniger mit der Situation der Kirche?
Florin: Es gibt ja nie nur eine Ursache für eine bestimmte Entwicklung. Da kommen verschiedene Ursachen zusammen. Klar, es gibt eine Printkrise, die kenne ich aber auch schon seit 20 Jahren. Das ist ja eine Diskussion, die dann aufkam, als klar wurde, dass das Internet nicht mehr weggeht. Da war schon die erste oder sogar schon zweite Printkrise. Es gab ja auch schon eine in den 1970er Jahren.
Aber der andere Punkt ist natürlich auch die Krise der römisch-katholischen Kirche und auch das Schwinden eines bestimmten katholischen Milieus. Das ist ja schon lange so, dass dieses Milieu einfach weg ist, wo man eine Kirchenzeitung abonniert hat. Das war mal so, wenn ich mich an meine Oma erinnere, die ist nun auch schon einige Jahrzehnte tot. Die hatte selbstverständlich die gesamte Produktpalette an bischofstreuer katholischer Publizistik bestellt, weil sie meinte, ansonsten öffnet sich das Tor zur Hölle. Dieses Milieu gibt es ja schon lange nicht mehr. Und jetzt ist es eben noch kleiner geworden, als es vor 20 Jahren wahr. Da kommen verschiedene Krisen zusammen.
DOMRADIO.DE: Ist denn dann jetzt der Umstieg auf ein gemeinsames Magazin eine richtige Lösung?
Florin: Ich meine, dass es einen Versuch wert sein könnte. Die spannende Frage wird ja wirklich sein, wie das gelingt in einer Situation, in der sich jetzt nochmal kirchenpolitisch betrachtet, eigentlich die Bistümer sich aus überdiözesanen Aufgaben eher zurückziehen und in der auch völlig klar wird, dass innerhalb der Bischofskonferenz ein Streit ist, dass es da Gräben gibt. Es wird schon spannend sein zu beobachten, ob man sich dann für so ein Projekt zusammenraufen kann.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.
(Artikel am 10.08.2023 um 11:29 Uhr aktualisiert)