Zwei Jahre nach Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan und der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban bewerten Menschenrechtler und Hilfsorganisationen die Lage im Land als düster, insbesondere die Situation von Frauen und Mädchen.
"Die Taliban haben die Rechte von Mädchen und Frauen in nahezu allen Lebensbereichen sukzessive und systematisch abgeschafft", erklärte die Asien-Expertin bei Amnesty International, Theresa Bergmann, am Freitag in Berlin.
Sie erinnerte daran, dass sie sich in der Öffentlichkeit nicht mehr ohne männliche Aufsichtsperson bewegen dürften und die Taliban ihnen seit Ende 2022 den Besuch weiterführender Schule und Universitäten sowie die Arbeit für Nichtregierungsorganisationen untersagt haben.
Schönheitssalons schließen
Erst kürzlich hätten die Taliban angekündigt, auch Schönheitssalons zu schließen, wodurch 60.000 Frauen ihre Beschäftigung verlieren würden und einer der wenigen noch verbliebenen Rückzugsorte für Frauen in der afghanischen Gesellschaft zerstört würde, so Bergmann.
Darüber hinaus hätten die Islamisten auch Menschenrechtsverteidiger, Aktivistinnen und Minderheiten im Visier. "Willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen sind seit zwei Jahren vielerorts an der Tagesordnung, wie Amnesty International in mehreren Berichten festgestellt hat", betonte die Expertin.
Sie rief die Bundesregierung auf, das Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghaninnen und Afghanen konsequent umzusetzen und etwa die deutsche Botschaft im pakistanischen Islamabad, die sich um die Visavergabe kümmert, personell aufzustocken.
"Die Menschen in Afghanistan erleben unter der Herrschaft der Taliban einen humanitären und menschenrechtlichen Albtraum", sagte Fereshta Abbasi, Afghanistan-Expertin bei Human Rights Watch in New York (Donnerstag Ortszeit). Neben den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen verwies sie auf die dramatische Versorgungslage in dem kriegsgebeutelten Land.
Schlimme humanitäre Krise
Diese habe sich "zu einer der schlimmsten humanitären Krisen weltweit entwickelt". Mehr als 28 Millionen Menschen - zwei Drittel der Bevölkerung - benötigten dringend humanitäre Hilfe, so Abbasi. Laut den Vereinten Nationen seien vier Millionen Menschen akut unterernährt, darunter 3,2 Millionen Kinder unter 5 Jahren.
Der entwicklungspolitische Dachverband Venro warnte, die Arbeit der Hilfsorganisationen in Afghanistan werde immer schwieriger. Schon heute würden Millionen bedürftige Menschen nicht erreicht, Tendenz steigend. "Die Versorgung mit Hilfsgütern für die leidende Bevölkerung darf nicht abreißen. Sonst stehen wir wieder vor einer massiven Hungersnot, die im vergangenen Jahr gerade noch vermieden werden konnte", sagte Martina Schaub, Vorstandsvorsitzende von Venro.
"Die Bundesregierung muss sich intensiv dafür einsetzen, dass ausreichend Mittel zur Verfügung stehen." Bisher seien lediglich 23 Prozent des internationalen Hilfsplans gesichert.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) prangerte unterdessen die Unterdrückung der Pressefreiheit und von Medienschaffenden durch die Taliban an. "Diejenigen, die fair und präzise berichteten, wurden inhaftiert, mussten ihre Arbeit aufgeben oder das Land verlassen", zitierte ROG einen afghanischen Journalisten.
Zensur sei die Hauptaufgabe der derzeitigen Behörden. "Die Taliban dulden keinen Widerstand gegen ihre Politik." Zudem, so ROG, habe sich seit der Machtübernahme der Islamisten eine Medienlandschaft in Afghanistan entwickelt, in der Frauen weitgehend fehlen: "Mehr als 80 Prozent der afghanischen Journalistinnen mussten seit Mitte August 2021 ihre Arbeit aufgeben."