DOMRADIO.DE: Ja, es gibt tatsächlich ein vatikanisches Almosenamt. Was passiert denn da?
Ulrich Nersinger (Buchautor und Vatikanjournalist): Das Almosenamt ist eigentlich eine uralte Einrichtung der Kirche. Das gab es schon in der Antike.
Wenn der Papst im ersten Jahrtausend zur Messe ging, dann gab es Kammerherren, die haben vor der Messe Almosen verteilt. Nach der Messe oder bei den großen Prozessionen haben sie Gelder verteilt an Bedürftige.
Sie haben Bittschriften entgegengenommen, und bei den ganz großen Gelegenheiten haben die Päpste sogar Geld in die Menge geworfen. Das ist eine uralte Einrichtung, die wir in der katholischen Kirche haben.
DOMRADIO.DE: Waren Sie schon mal drin? Das gibt es ja immer noch.
Nersinger: Ja, man kann das Amt immer noch besuchen, indem man zum Beispiel über die Sankt-Anna-Pforte den Vatikan betritt und der Schweizergarde dann das Almosenamt nennt.
Später, wenn man ein bisschen weiter geht und den Gang zum Almosenamt nimmt, kommt man in ein kleines Gebäude und in diesem Gebäude befindet sich das päpstliche Almosenamt.
Als Institution gibt es das Amt seit dem 13. Jahrhundert, es entstand von 1271 bis 1276. Da hatte Papst Gregor X. einen päpstlichen Almosengeber bestimmt und seitdem haben wir auch das Almosenamt als feste Institution.
DOMRADIO.DE: Das Almosenamt verteilt also Geld. Aber es kommt ja auch Geld rein, denn man kann sich so etwas wie Segenswünsche kaufen. Wie genau funktioniert das?
Nersinger: Ja, da muss man sehr aufpassen. Man kann sich diese Segenswünsche nicht kaufen. Ein Segen ist natürlich immer umsonst.
Alles andere wäre, wie es das Kirchenrecht nennt, ein "nefas", ein Verbrechen. Nein, der Segen ist also immer umsonst. Aber die Ausführung dieser Segensdiplome, so heißen sie offiziell, ist natürlich mit gewissen Kosten verbunden.
Man kann diese Diplome, die "Diplome di Benedizione Papale", auf Papier, Pergament oder Leder ausgestellt bekommen und Segenswünsche für beispielsweise einen runden Geburtstag oder für eine goldene Hochzeit bestellen.
Das ist alles möglich. Und die Gebühr, die man dafür entrichtet, wird zu hundert Prozent an die Armen und Bedürftigen weitergegeben.
DOMRADIO.DE: Und es gibt ja auch eine Almosenmaschine. Was macht die denn?
Nersinger: Ja, diese päpstlichen Segensdiplome tragen immer die Unterschrift des Almosenmeisters.
Und man kann sich ja vorstellen, dass da zigtausende jeden Tag kommen.
Da hat man dann vor längerer Zeit eine sogenannte Unterschriftenmaschine hingesetzt, die dem Almosengeber hilft und seine Unterschrift setzt.
Das ist eine Maschine, die ist so eingestellt, dass sie die Unterschrift automatisch immer wieder um einen Millimeter verschoben ausgibt, sodass man stets den Eindruck erhält, es handele sich um eine Originalunterschrift.
Das ist einfach eine Hilfe, denn wenn so viele Ersuche an das Almosenamt kommen, kann das der Almosengeber praktisch gar nicht alleine schaffen.
DOMRADIO.DE: Wer ist denn der Chef vom Almosenamt?
Nersinger: Das ist immer ein Erzbischof gewesen. In der neueren Zeit hat der Papst, um das Amt noch mal zu unterstreichen, im Jahre 2013 den ehemaligen päpstlichen Zeremoniar Konrad Krajewski, zum päpstlichen Almosengeber ernannt und hat ihn auch mit der Bischofsweihe ausgezeichnet.
Das ist ein ganz besonderer Mann, der auch ungewöhnliche Wege bei der Almosenvergabe oder bei der Unterstützung der Obdachlosen und Armen gegangen ist.
DOMRADIO.DE: Er ist ja interessanterweise in seinem ersten Leben Elektriker gewesen.
Nersinger: Ja, und das hat er auch ausgenutzt, denn es gab in Rom, man kann fast sagen, eine furchtbare Sache.
Man hat einem Haus, in dem mehrere Hundert Obdachlose oder Arme mehr oder weniger illegal lebten, 2019 von Rom aus einfach den Strom abgeschaltet.
Und dann ist der päpstliche Almosenmeister gekommen, ist den Schacht im Versorgungsamt hinunter geklettert – das muss man sich einmal vorstellen – und hat als gelernter Elektriker die Stromverbindung wieder hergestellt.
Ganz praktisch, nicht nur mit Geld, sondern mit einfachen Mitteln geholfen hatte der päpstliche Almosenmeister auch schon 2013.
Da hat ihn der Papst nach Lampedusa geschickt, wo die vielen Flüchtlinge angekommen waren. Dort hatte der Almosengeber ganz simple Sachen an die Flüchtlinge verteilt, zum Beispiel Telefonkarten, damit sie zuhause anrufen konnten.
Die Kinder vor Ort bekamen Spielburgen. Das war eine wirklich ganz konkrete Hilfe. Oder in der jetzigen Zeit: Ich weiß gar nicht, wie oft der päpstliche Almosengeber seit 2022 schon in der Ukraine gewesen ist, um dort Hilfsmittel hinzubringen, auch unter Einsatz des eigenen Lebens.
Die kleine Autoflotte des ehemaligen päpstlichen Zeremoniars, Elektrikers und dann Almosengebers – und seit 2018 auch Kardinals – ist sogar beschossen worden. Das ist also durchaus ein Amt, das mitten in unserer Zeit steht.
Das Interview führte Heike Sicconi.