Warum das Böse in diesen Tagen Hochkonjunktur hat

Auf Teufel komm raus

Alle Welt rätselt über das Schicksal von Jewgeni Prigoschin. Nicht wenige vermuten, dass ihn ein diabolischer Pakt mit Russlands Staatschef Putin verband und nun in den Tod riss. Zwei Fürsten der Finsternis, Prigoschin und Putin.

Autor/in:
Joachim Heinz und Karin Wollschläger
Aus Holz geschnitzte Teufelsfiguren aus dem weltweit einzigen Teufelsmuseum im litauischen Kaunas. / © Markus Nowak (KNA)
Aus Holz geschnitzte Teufelsfiguren aus dem weltweit einzigen Teufelsmuseum im litauischen Kaunas. / © Markus Nowak ( KNA )

Der Teufel ist nicht totzukriegen. Mag die Gesellschaft mit der Kirche immer weniger am Hut haben; den Teufel bemüht sie immer noch. Das personifizierte Böse trägt satanische Züge, wiewohl in wechselnder Hülle. Ganz aktuell tritt der Teufel sowohl in Form von Russlands Präsident Wladimir Putin in Erscheinung - wie auch in Gestalt von Jewgeni Prigoschin, Chef der russischen Wagner-Söldner. Zumindest sieht das die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses so, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann / © Kay Nietfeld (dpa)
FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann / © Kay Nietfeld ( dpa )

Auf die Nachricht vom vermutlichen Tod Prigoschins bei einem Flugzeugabsturz sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Dass Prigoschin seinen Angriff auf Putin mit dem Leben bezahlen wird, davon war auszugehen: ein Teufel, der sich mit dem Teufel einlässt."

Moderne Rede vom Teufel

Ob es tatsächlich Putin war, der Prigoschin zum Teufel geschickt hat, lässt sich derzeit nicht verlässlich sagen. Ebenso wenig, ob sich der Teufel Prigoschins nach seinem Ableben annimmt. Im Christentum ist der Teufel ein bei Gott in Ungnade gefallener Engel. In Ungnade gefallen war auch der Chef der Söldnergruppe. Aber da gerät der Vergleich auch schon schnell auf die schiefe Bahn. Alles höllisch verzwickt.

In der modernen Rede vom Teufel erkennt der Wissenschaftler Rudolf Simek ein weiteres Problem. Er steht der Tendenz skeptisch gegenüber, das Böse zu vermenschlichen und ins Diesseits zu holen. Stattdessen schlägt er einen anderen Bogen. Der Autor des Buches "Dämonen, Teufel, Hexenglaube", vertritt die Ansicht, "dass der Glaube an Dämonen nicht erfunden ist; sondern dass es eine Vorstellungsweise ist, sich das metaphysisch vorhandene Böse personifiziert vorzustellen. So wie im Neuen Testament."

	Rudolf Simek, emeritierter Professor für Ältere Germanistik mit Einschluss des Nordischen an der Universität Bonn / © Joachim Heinz (KNA)
Rudolf Simek, emeritierter Professor für Ältere Germanistik mit Einschluss des Nordischen an der Universität Bonn / © Joachim Heinz ( KNA )

Über die Hölle wird kaum geredet

Nicht alles, was da in der Bibel stehe, sei wörtlich zu nehmen, räumt der Experte ein. "Ob da jetzt tatsächlich eine Schar von Dämonen in eine Schweineherde gefahren ist, die sich anschließend in den See Genezareth gestürzt hat? Sei's drum! Aber dass es das Böse gibt, glaube ich schon."

Der Teufel scheint in aller Munde; aber über die Hölle werde kaum geredet, bedauert Simek. "Wenn ich meine katholischen Freunde nach dem Fegefeuer frage, winken die ab. Ob das jetzt ein Ort ist, wo ein Feuerchen brennt, um das Dämonen herumhuschen, ist eine andere Geschichte. Aber wir alle wissen doch, dass jeder von uns seine eigenen Dämonen hat, die ihn jagen, quälen - und dies wahrscheinlich bis in die Andere Welt hinüber tun."

Erschrocken über das, wozu Menschen fähig sind

Der Berliner Theologe Georg Essen erläutert: "Geistesgeschichtlich symbolisiert der Teufel die Antwort auf die Frage: Woher das Böse?" Gott könne, wenn er denn gut, gerecht und allmächtig sei, dieser Ursprung nicht sein. Also komme nur eine von ihm geschaffene Freiheit infrage, eben die eines gefallenen Engels oder Satans. "Aber, genau besehen, sind wir Menschen damit gemeint, die wir nicht nur fehlbar sein können, sondern böse, abgrundtief böse", so der Professor für Systematische Theologie.

Professor Georg Essen / © Dieter Mayr (KNA)
Professor Georg Essen / © Dieter Mayr ( KNA )

"Wer deshalb vom Teufel spricht, ist erschrocken über das Maßlose, zu dem wir Menschen fähig sind. Allzu vertraut ist uns jene Frage, die der Schriftsteller Georg Büchner einst stellte: 'Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet?' - in uns, wohlgemerkt, und nirgends sonst."

Die Teufel ihrer Zeit

Manchmal steckt der Teufel im Detail. Und nicht immer ist klar, welches Detail im Teufel steckt. Was seinen Kleidungsstil betrifft, zeigt er sich nämlich durchaus flexibel. Seit dem 20. Jahrhundert scheint er ein gewisses Faible für Militärkleidung entwickelt zu haben. Einschlägige Tyrannen und Diktatoren von Adolf Hitler über Saddam Hussein bis zu Muammar al-Gaddafi wurden allesamt als Inkarnation des Bösen bezeichnet. Spätestens seit 2006 indes wissen wir dank der Filmkomödie von David Frankel: Der Teufel trägt Prada.

Derlei Wandlungsfähigkeit ist freilich keine neue Mode: Schaut man etwa in Edward Brooke-Hitchings bildreichen und farbenfrohen "Atlas des Teufels", bietet sich ein durch die Jahrhunderte ziehendes Potpourri. Beispielhaft sei nur an Gemälde von Hieronymus Bosch (um 1450-1516) erinnert, wie den "Garten der Lüste" mit all seinen absonderlichen Mischwesen, Dämonen und Teufeln, die bereits auf die Zeitgenossen eine große Faszination ausübten.

Verwirrende Ursprünge

Seine sprachlichen Ursprünge hat der Teufel übrigens im Altgriechischen "diabolos"; was wörtlich etwa so viel heißt wie "Durcheinanderwerfer", Verwirrer, Verleumder, Faktenverdreher. Zeiten, wo Fake News Konjunktur haben, dürften dem Gehörnten in die Hände spielen.

Quelle:
KNA