Kirchen begehen mit interreligiösem Forum Schöpfungstag

"Wir müssen aufstehen und bei uns selbst anfangen"

Wie kanalisieren wir unsere Schöpfungsverant­wortung? Was müssen wir ändern und woraus schöpfen wir Kraft für unser Han­deln? Beim Schöpfungstag in Köln ging es um gemeinsames Beten, Ermutigung, Austausch und Best practice-Beispiele.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Weihbischof Rolf Steinhäuser spricht bei der ökumenischen Feier ein Gebet / © Beatrice Tomasetti (DR)
Weihbischof Rolf Steinhäuser spricht bei der ökumenischen Feier ein Gebet / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Worte von Thorsten Wemmers machen betroffen. Anschaulich schildert der Landwirt aus Neviges, der dort mit seiner Frau Maria einen Bio-Bauernhof mit Ackerbau, Grünland, Rindermast, Hofladen und Waldbau betreibt, welche Sorgen ihn angesichts der exponentiellen Beschleunigung der Klimaveränderung und deren unabsehbaren Wetterfolgen umtreiben. Denn als Bauer, so schildert er, müsse er mit den äußeren, sich zunehmend verschlechternden Rahmenbedingungen klar kommen. Klima und Wetter hätten direkten Einfluss auf das Leben seiner Familie, aber – wie er ergänzt – "nachgelagert auch auf die Versorgung der Menschen".

Thorsten Wemmers gibt anschaulich Einblick in den Alltag eines Landwirts, wenn sich das Klima verändert / © Beatrice Tomasetti (DR)
Thorsten Wemmers gibt anschaulich Einblick in den Alltag eines Landwirts, wenn sich das Klima verändert / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Gerade die letzten fünf massiven Trockenjahre hätten diese Bedrohung greifbar gemacht. Als spürbare Folgen beschreibt er den Wassermangel – dabei braucht er Wasser, das bei ihm nicht vom örtlichen Versorger, sondern aus dem eigenen Tiefenbrunnen kommt, dringend für die Produktion, für die Tiere und auch für den eigenen Haushalt – und das Waldsterben, das er als deutlichstes Indiz für eine nahende Katastrophe ausmacht.

Die Ernte ins Wasser gefallen

Und schließlich spricht er von einer in diesem Sommer buchstäblich ins Wasser gefallenen Getreide-Ernte, die bestenfalls noch als minderwertige Futterqualität tauge. Maria Wemmers betont: "Auf dem Feld sehen wir als erste, was sich konkret gerade verändert. In den Bäckereien merkt das kaum jemand." Das Fazit der beiden: "Wir müssen wegkommen vom kurzen Denken bis zum eigenen Tellerrand, denn nur beherztes und entschlossenes Handeln dieser Tage wird über den Mangel der Zukunft maßgeblich entscheiden." Dennoch sähen sie immer noch auch all das Gute, das die Natur hervorbringe, und fühlten sich eingebunden in die Schöpfung und unglaubliche Fülle auf dieser Erde.

"Fallen Samen und Nüsse auf fruchtbaren Boden, explodiert förmlich das Leben in allen Arten und vielfältigen Formen", beobachtet Bauer Wemmers. "Faszinierendste Schönheit" nennt er das, wozu er auch die "tief bewegenden Geburten" im Stall seines Hofes zählt. An seine Zuhörer appelliert er: "Wir sind doch alle auf dieser Erde untrennbar miteinander verbunden."

Lea Kröll

"Wir müssen einander zuhören, denn Kommunikation ist der Grundstein, um Lösungen zu finden, die uns nach vorne bringen."

Jeder könne nach seinen Fähigkeiten etwas zum Wohl der Schöpfung beitragen und Verantwortung im Großen wie im Kleinen übernehmen. Er sei nicht hoffnungslos, unterstreicht er ausdrücklich am Ende seines Statements, weil auf den unterschiedlichsten Ebenen erkennbar etwas in Bewegung gerate und "auch weil in der Schöpfung immer noch alles Gute aus der Fülle des Ursprungs vorhanden ist – Gott sei Dank".

Die Studentin Lea Kröll von der evangelischen Studierendengemeinde beschreibt ihre Zukunftssorgen / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Studentin Lea Kröll von der evangelischen Studierendengemeinde beschreibt ihre Zukunftssorgen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Lea Kröll sieht sich ebenfalls tagtäglich mit der Klimakrise konfrontiert. "Bei den vielen Negativschlagzeilen gerät man schnell in einen Strudel der Überforderung", erklärt die 18-jährige Physik-Studentin, die sich in der evangelischen Studierendengemeinschaft engagiert. "Niemand kann diese Probleme alleine schultern, aber jeder müsse sich fragen: Welchen Beitrag kann ich leisten?"

Auch sie richtet sich an de versammelte Gottesdienstgemeinde mit einem dringenden Wunsch: "Wir müssen einander zuhören, denn Kommunikation ist der Grundstein, um Lösungen zu finden, die uns nach vorne bringen." Die junge Frau zeigt sich überzeugt: "Wir müssen aufstehen – nicht stehen bleiben – und bei uns selbst anfangen." Jeder Einzelne müsse und könne etwas tun. "Wenn wir alle einen Beitrag leisten, verändern wir die Welt. Ich kann die anderen nicht ändern, aber mich."

Schöpfung aus Sicht vierer Religionen

Wemmers und Kröll sowie Vertreter aus dem Judentum, dem Islam und dem Buddhismus gehörten zu einem Team, das jetzt bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Kölner Innenstadtkirche St. Maria im Kapitol aus dem Blickwinkel der je eigenen Religion über das Thema bedrohte Schöpfung sprach, aber auch aus der Hoffnung des Glaubens heraus die etwa 100 Gottesdienstbesucher zu einer gemeinsamen Schöpfungsverantwortung ermutigen wollte.

Etwa 100 Besucher sind zum Schöpfungstag nach Köln gekommen / © Beatrice Tomasetti (DR)
Etwa 100 Besucher sind zum Schöpfungstag nach Köln gekommen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Anlässlich des von den christlichen Kirchen zwischen dem 1. Septem­ber und dem 4. Okto­ber, dem Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi, ausgerufenen Schöpfungsmonats fand erstmalig im Erzbistum Köln eine solche zen­trale Veranstal­tung in Ko­opera­tion mit der Evangelischen Kirche im Rhein­land und weiteren inter­reli­giösen Part­nern statt.

Anna-Maria Fischer

"Das Thema Schöpfungsverantwortung kann die Kirche nicht alleine stemmen, dazu müssen alle anderen Religionen mit ins Boot. Nur gemeinsam kann die ökologische Umkehr gelingen."

Hintergrund: In viel­en Gemein­den bundesweit wird in diesem Zeit­raum ein Schöp­fungs­tag begangen, der in diesem Jahr unter dem Motto stand "Damit ihr das Leben in Fülle habt“. Ziel dieser interreligiösen Veranstaltung ist, alle Sinne für Got­tes Schöp­fung zu öffnen und sich so mit anderen Mit­geschöp­fen zu ver­binden, damit bei dem Thema "Bewahrung der Schöpfung“ niemand ein Einzelkämpfer bleibt.

Anna-Maria Fischer hat das Schöpfungsforum mit vorbereitet und stellt die einzelnen Initiativen vor / © Beatrice Tomasetti (DR)
Anna-Maria Fischer hat das Schöpfungsforum mit vorbereitet und stellt die einzelnen Initiativen vor / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Dieses Anliegen unterstreicht auch Anna-Maria Fischer, Leiterin des Fachbereichs Dialog und Verkündigung im Erzbistum, beim anschließenden Forum im Innenhof des Kreuzgangs der romanischen Kirche. Sie betont die Bedeutsamkeit des Austauschs und der Vernetzung, gepaart mit interreligiöser Gastfreundschaft. "Alle Religionsgemeinschaften müssen gemeinsam ihre Stimme erheben, um in der öffentlichen Wahrnehmung auch gehört zu werden."

Bislang finde das Engagement vorwiegend im eigenen Zirkel statt. "Aber das Thema Schöpfungsverantwortung kann die Kirche nicht alleine stemmen, dazu müssen alle anderen Religionen mit ins Boot. Nur gemeinsam kann die ökologische Umkehr gelingen."

Man wolle voneinander lernen, Ideen austauschen, Anregungen sammeln, neue Perspektiven anbieten – und ja – eben über den eigenen Tellerrand hinausschauen, wiederholt Fischer das Mantra, das angesichts der religiös sehr unterschiedlichen Gäste immer wieder zu hören ist und allen ein Stück Hoffnung macht, sich über die jeweilige konfessionelle Grenze hinweg für ein wichtiges Thema zusammenschließen zu können. "Auch andere haben gute Ideen und wir sprechen hier über eines der wichtigsten Themen der Zukunft. Schließlich gibt es keine Zeit mehr zu verlieren", so Fischer.

Wie können Gemeinden ihr Potenzial nutzen?

Im Übrigen sei ein solches Forum auch ein Motivationsgewinn für die eigene Arbeit, ergänzt Dr. Christian Weingarten, der Umweltbeauftragte im Erzbistum. Er informiert bei dieser Gelegenheit darüber, was es mit dem Projekt des Biodiversitätschecks, einer Initiative des Erzbistums, auf sich hat, oder mit von der Kirche begleiteten partizipativen Umweltmaßnahmen in den Gemeinden: wie Energie in Gebäuden gespart werden kann und was es heißt, ein neues Beet mit heimischen Pflanzen zu gestalten.

Diese Teilnehmerin stellt ein Best-practice-Beispiel vor / © Beatrice Tomasetti (DR)
Diese Teilnehmerin stellt ein Best-practice-Beispiel vor / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Auch Best-practice-Beispiele zum Umweltschutz und Umgang mit den schwindenden Ressourcen werden vorgestellt. Hier wollen Besucherinnen und Besuchern von eigenen Erfahrungen etwas abgeben und dazu anregen, von positiv und nachhaltig Erprobtem für den eigenen Bedarf zu profitieren.

Rainer Will

"Als Geschöpfe Gottes müssen wir unseren Teil beitragen und uns dafür einsetzen, dass auch andere genug zum Leben haben."

Dr. Rainer Will, stellvertretender Leiter des Katholischen Bildungswerkes Köln, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Köln sowie Mitglied der Ökumenischen Bistumskommission im Erzbistum, will bei einer der fakultativ angebotenen Gesprächsrunden spirituelle Impulse in den Vordergrund stellen.

Die Landwrte Thorsten und Maria Wemmers im Gespräch mit Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger und Dr. Rainer Will, Mitglied im ACK / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Landwrte Thorsten und Maria Wemmers im Gespräch mit Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger und Dr. Rainer Will, Mitglied im ACK / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit und Frieden gehörten zusammen, argumentiert er. "Als Geschöpfe Gottes müssen wir unseren Teil beitragen und uns dafür einsetzen, dass auch andere genug zum Leben haben." Er mahnt: "Die Schöpfung ist nicht nur für wenige da." Die Bitte um das tägliche Brot stehe für geteilte Genügsamkeit.

Zu Beginn des Gottesdienstes, den Weihbischof Rolf Steinhäuser zuvor im Freien eröffnet hatte, erinnert er daran, dass der Schöpfungstag auf eine ökumenische Initiative von Patriarch Dimitrios I. im Jahr 1989 zurückgeht, ihren Ursprung also in der orthodoxen Kirche hat. Dimitrios hatte damals die "ganze orthodoxe und christliche Welt" eingeladen, jedes Jahr zum 1. September, wenn das orthodoxe Kirchenjahr beginnt, in Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat "zum Schöpfer der Welt zu beten".

Beten für das Fortbestehen der Schöpfung

Weihbischof Rolf Steinhäuser erinnert daran, dass der griechisch-orthodoxe Patriarch Dimitrios I. den Schöpfungstag ins Leben gerufen hat / © Beatrice Tomasetti (DR)
Weihbischof Rolf Steinhäuser erinnert daran, dass der griechisch-orthodoxe Patriarch Dimitrios I. den Schöpfungstag ins Leben gerufen hat / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Aber auch Papst Franziskus mahne, führt der Bischofsvikar für Ökumene und den interreligiösen Dialog aus, "dass unser Konsumstil die Schöpfung zerstört" und es eine Änderung unseres Lebensstils und des politischen Handels brauche. Im Kircheninneren beginnt Steinhäuser die interreligiöse Feier dann mit einem Gebet um die Einheit "mit allen Brüdern und Schwestern, die hinausgehen, die Schöpfung zu bewahren". Er betet dafür, die Herausforderungen für das Fortbestehen der Schöpfung anzunehmen und alte Gewohnheiten hinter sich zu lassen, um bereit zu sein für die schöpferische Kraft der Liebe Gottes.

Wibke Janssen

"Leben in Fülle wäre Öffentlichkeitsarbeit und entschiedene politische Aktion für die Endlichkeit in der Schöpfung."

In ihrer Ansprache erinnert die evangelische Oberkirchen­rätin Dr. Wibke Janssen dann daran, dass Schöpfung vor allem auch Fülle sei, diese gleichzeitig aber längst infrage stehe und nicht unendlich sei. "Für unseren Lebensstil streben wir eine Fülle an, die gefährliche Seiten hat und schädliche Wirkungen", warnt sie. Fülle meine nicht Überfluss oder ein Überangebot, aus dem ausgewählt werden könne. So habe vor 500 Jahren der Ausdruck "in Hülle und Fülle" zu leben, bedeutet, es halbwegs warm und genug zum Überleben zu haben. "’Hülle und Fülle’ war ein Ausdruck für Versorgt-sein", stellt die Vertreterin der evangelischen Konfession klar. Im biblischen Sinn sei ein Leben in Fülle eher eine Lebensqualität. "Sie ist ein Lebensgefühl, sich aus der Schöpfung ernähren und kleiden bzw. schützen zu können."

Benjamin Gerlich, Anna-Maria Fischer, Oberkirchenrätin Dr. Wibke Janssen und Weibischof Rolf Steinhäuser beim Schöpfungstag / © Beatrice Tomasetti (DR)
Benjamin Gerlich, Anna-Maria Fischer, Oberkirchenrätin Dr. Wibke Janssen und Weibischof Rolf Steinhäuser beim Schöpfungstag / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Weiter formuliert Janssen: "Die Schöpfung liegt in Gottes umhüllenden Händen und in dieser lebendigen, warmen, hütenden Begrenzung ist Fülle im Sinne von versorgt sein, aufgehoben sein, angekommen sein zu entdecken." So verstanden hieße Leben in Fülle, die so überdeutlich sichtbar gewordenen Grenzen der Schöpfung anzunehmen und sich bewusst zu machen. Und es würde bedeuten, mit den Grenzen geistlich umzugehen, die Fülle nicht im Mengenangebot des Vorhandenen, sondern in Offenheit für Gottes Segen zu suchen.

"Leben in Fülle wäre mehr empfangen als nehmen und ein Weg kreativen Verzichts", gibt Janssen den Menschen in St. Maria im Kapitol an diesem Nachmittag mit auf den Weg. "Leben in Fülle wäre Öffentlichkeitsarbeit und entschiedene politische Aktion für die Endlichkeit in der Schöpfung. Leben in Fülle wäre das Gespräch mit Gott im Gebet, um den Puls der wirklichen Fülle zu spüren."

Tag der Schöpfung 2018

Mit einem ökumenischen Gottesdienst unter freiem Himmel und einem Festakt beging die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) den Tag der Schöpfung am 7. September 2018 in Starkow, Nordvorpommern.

Gemeinsamer Auftrag: Schöpfung bewahren / © Kolja Warnecke (epd)
Gemeinsamer Auftrag: Schöpfung bewahren / © Kolja Warnecke ( epd )
Quelle:
DR