In seiner Predigt legt Domkapitular Teller das Tagesevangelium nach Matthäus aus, in dem Jesus den Pharisäern das Gleichnis von den zwei ungleichen Söhnen erzählt: Ein Vater fragt seinen ersten Sohn, ob er ihm im Weinberg aushilft. Dieser verneint, geht aber später hin und arbeitet. Der Vater glaubt nun, seinen zweiten Sohn fragen zu müssen. Der sagt ihm zwar zu, geht aber nicht zum Weinberg.
Ausgehend von dem Gleichnis erinnerte Domkapitular Teller daran, dass der Sohn Gottes mit diesem Gleichnis jene Theologen, Frommen und Hohepriester seiner Zeit kritisierte, denen er es vortrug. Mit dieser Gruppe hätte Jesus immer die größten Probleme gehabt.
Wenn man den Glauben der Frommen nicht spürt
Gleichzeitig betonte Domkapitular Teller: "Jesus kritisiert nicht, dass sie fromm sind. Im Gegenteil, sie versuchen den Willen Gottes zu tun. Sie halten die Gebote ein, sie feiern Gottesdienste und alles, was dazu gehört. Das ist alles gut. Aber was sie dann tun, entspricht, so sagt Jesus oft, nicht dem, was sie sagen: Engherzigkeit, herablassendes Verhalten, abschätziges Verhalten gegenüber anderen, die sie nicht für fromm halten."
Im alltäglichen Leben spüre man ihren Glauben beizeiten nicht, so Domkapitular Teller. Nicht selten handelten sie ihren Überzeugungen zuwider. Zöllner und Dirnen seien Jesus zufolge zwar nicht fromm im eigentlichen Sinne, "aber ihr Verhalten, ihre Menschlichkeit, ihre Bereitschaft, auf Jesus zu hören und das zu spüren, was er meint, ist oft viel größer."
Die Unterscheidung sei natürlich plakativ, so Domkapitular Teller, im Alltag gebe es viele Mischformen. Dennoch gelte es zweierlei für den Alltag mitzunehmen.
Gott kommt es auf unser Tun und unsere Umkehr an
"Wenn wir das ernst nehmen, dann heißt das, es kommt vor Gott auf unser Tun an und nicht auf das, was gesagt wird. Das Tun ist entscheidend. Eigentlich ist das ein Allgemeinplatz und jeder weiß, dass es stimmt. Und oft handeln wir doch anders. Wir wünschen uns den Frieden auch hier in der Hohen Domkirche und wetzen dort schon die Zunge zum Schwert, um nachher übereinander zu reden. Es wird oft nicht miteinander gesprochen, dafür aber umso eifriger übereinander."
Gleichsam machte Domkapitular Teller deutlich, dass dies kein Naturgesetz, sondern veränderbar sei: "Es gibt die Umkehr. Jesus schließt keinen aus. Er sagt ja auch nicht zu den Priestern und den Schriftgelehrten: Ihr kommt nicht in das Reich Gottes, für euch ist das gestorben. Sondern er sagt: Die anderen kommen eher als ihr in das Reich Gottes, ihr habt mehr Umkehr nötig. Aber sie können am Schluss so leben, dass es Gott gefällt und sie ihr letztes Ziel erreichen."
Zweifelnde sollen einfach gute Menschen und Jesus so nah sein
Jeder Tag berge die Gelegenheit, "neu anzufangen, sich dem Guten zuzuwenden, sich zu bemühen, dass das, was ich glaube, auch meinem Handeln entspricht. Damit wird man eigentlich nie fertig."
In der Folge richtete Domkapitular Teller zwei Wünsche an seine Zuhörer: "Wenn Sie, liebe Gemeinde, im Moment zu denen gehören, die sich schwer tun mit der Kirche – und wer wollte leugnen, dass es oft schwer ist–, wenn ihnen gar der Glaube droht, abhanden zu kommen, dann bemühen sie sich einfach, ein guter, zugänglicher und freundlicher Mensch zu sein. Und das ist nicht wenig. Vielleicht ist Jesus Ihnen dann näher, als Sie gedacht haben."
Dann wünsche er den zweifelnden aber auch, dass sie so am Ende zur Gemeinschaft der Glaubenden und zum ausdrücklichen Bekenntnis des Glaubens, den sie durch ihre Taten, durch ihre alltäglichen Handlungsweisen bezeugen, zurück- oder hinfinden.
"Ich wünsche Ihnen, dass sie zur Gemeinschaft der Kirche zurückfinden. Denn was auch immer sein mag: die Kirche bleibt die Gemeinschaft der Glaubenden. Sie ist der Leib Christi, durch den Gott anfassbar werden will in unserer Zeit."
Fromme sollen sich über ihre Frömmigkeit freuen
Der zweite Wunsch des Domkapitulars richtete sich an all jene, die sich als fromm verstehen: "Wenn Sie zu denen gehören, die ausdrücklich Ja sagen zur Kirche und zum Glauben und fest verwurzelt sind im Glauben, in der Liturgie und im Gottesdienst, dann freuen Sie sich darüber. Manchmal hat man den Eindruck in unseren Breiten, dass Sie einer aussterbenden Art angehören, und darum ist es umso wichtiger, dass Sie da sind."
Andererseits wünschte Domkapitular Teller diesen frommen Glaubenden aber auch, dass diese ihr Handeln gut mit ihrem Glauben in Einklang bringen können: "Bemühen Sie sich, einmal zu lachen, freundlich zu sein. Vielleicht sind das viele von Ihnen. Aber es gibt nichts Schlimmeres als so verbiesterte, verdrüchte Fromme – für die Auswärtigen: vertrocknete Fromme."
Er wünsche ihnen Menschenfreundlichkeit, Offenheit, Liebe und Aufmerksamkeit. Damit, so Domkapitular Teller, spreche er aber auch explizit sich selbst an.
Gott wartet mit viel Geduld auf unser Bekenntnis
Die Predigte endete dann auch mit den Worten: "Es gibt immer einen Grund, sich zu ändern und umzukehren und mehr auf das zu achten, was Gott von uns will. Denn er wartet auf unser 'Ja'. Er hat unendlich viel Geduld. Er wartet auf unser 'Ja' in unserem Handeln und in unserem ausdrücklichen Bekenntnis, dass wir gemeinsam Kirche Christi sind."
Gottesdienst im Stream
DOMRADIO.DE übertrug im Internet-TV am sechsundzwanzigsten Sonntag im Jahreskreis – zugleich Erntedanksonntag – das Kapitelsamt, teilweise in lateinischer Sprache, aus dem Kölner Dom mit Domkapitular Heinz-Peter Teller. Der Mädchenchor am Kölner Dom unter der Leitung von Oliver Sperling sang die Messe brève von Léo Delibes. An der Orgel: Winfried Bönig.
Erntedankfest
Weil sich der Mensch dem Geschehen in der Natur ausgesetzt erfährt, kennen wohl alle Religionen die Bitte um Gottes Segen für das Gedeihen der Früchte und das Gelingen der Arbeit sowie den Dank für die Ernte. In unserer Zeit verbindet sich dieses Gebet gegen den Machbarkeitswahn unserer Tage mit dem Gedanken an unser Geschöpfsein und unsere Verantwortung für die Schöpfung, für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt, die uns von Gott anvertraut ist. In Deutschland wird in der katholischen Kirche der erste Sonntag im Oktober als Erntedankfest gefeiert, in evangelischen Gemeinden der Michaelistag (29. September) oder einer der benachbarten Sonntage.
Aus: TeDeum – Das Stundengebet im Alltag, Oktober 2023, www.tedeum-beten.de
„Amen, ich sage euch: Die Zöllner und die Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.“ (Mt 21,31)
Zum Evangelium Mt 21,28-32
Jesus hält der Führungsriege den Spiegel vor. Er macht ihnen unmissverständ-lich klar: Was zählt, ist die gute Tat – und nicht das Lippenbekenntnis. Es geht um Umkehr, denn Leben ist dynamisch und verändert sich ständig. Bei Gott kommt es offenbar nicht auf Status oder Amt an, auch nicht auf eine gute oder schlechte Vergangenheit – entscheidend sind tätige Reue und glaubwürdiges Handeln. Wann habe ich ein schlechtes Gewissen und kehre um? Jesus, lass auch mich in Deinen Spiegel schauen.
Florian Bruckmann, aus: Messbuch 2023, Butzon & Bercker