Ex-Bundespräsident Gauck will den Osten in den Blick rücken

"Brauchen unsere Unterstützung"

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat dem Westen geraten, den Blick der Osteuropäer stärker wahrzunehmen. Das sagte er beim beim Festakt zum 30-jährigen Bestehen des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis in München.

Joachim Gauck, ehemaliger deutscher Bundespräsident / © Heiner Beisert (KNA)
Joachim Gauck, ehemaliger deutscher Bundespräsident / © Heiner Beisert ( KNA )

"Das westliche Europa braucht etwas von dem Geist der Zuversicht und der Freiheitsliebe, der etwa im Baltikum, in Polen, aber auch in Moldau vorherrscht", sagte Gauck laut Redemanuskript am Dienstagabend in München beim Renovabis-Festakt. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine gelte es aus der Geschichte zu lernen: "Wir müssen jene unterstützen, die bereit sind, ihre Freiheit zu erkämpfen, oder wie jetzt – zu verteidigen."

Finanzielle Opfer bringen 

Gauck rief dazu auf, dafür zur Not auch erhebliche finanzielle Opfer zu erbringen. Noch wisse man nicht, auf welche Weise dieser Krieg enden werde. "Wir wissen aber, was auf dem Spiel steht – für die Ukraine, aber eben auch für uns, für die freien Nationen insgesamt." Russland habe die liberalen Demokratien in der EU und der Nato zu Feinden erklärt. Kriegsziel des Kreml sei nicht zwingend die physische Zerstörung, sondern die innere Aushöhlung "unserer Strategiefähigkeit, unseres Willens und unserer Werte".

Desinformation, Propaganda und Sabotage 

Russland habe die Kriegsführung auf nicht-militärische Ansätze ausgedehnt, erklärte der einstige Bundespräsident. Dazu gehörten Desinformation und Propaganda, wirtschaftliche, kulturelle und humanitäre Sabotage. Auch Drohungen mit Atomwaffen zählten dazu. "Als wehrhafte Demokratien müssen wir uns an diese Herausforderung anpassen und Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wir dürfen nicht in Angst erstarren." Menschen könnten ihre Ängste besiegen, wie vor über 30 Jahren in den Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs. 

Marx fordert ein Brückenbauen zwischen West und Ost 

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hatte zuvor in der Vesper die Kirchen aufgerufen, zu Brückenbauern zwischen Ost- und Westeuropa zu werden. Sie dürften nicht Teil des Problems sein, sondern müssten zu Lösungen beitragen. Der Kardinal würdigte die Arbeit von Renovabis und dessen Beitrag zum Dialog. Denn auch wenn es nicht einfach sei, müsse immer wieder das Gespräch gesucht werden.

Reinhard Kardinal Marx / © Julia Steinbrecht (KNA)
Reinhard Kardinal Marx / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Investition in die Menschen 

Zugleich erinnerte Marx an die Anfänge des Hilfswerks mit Sitz in Freising. Es war 1993 von der Deutschen Bischofskonferenz auf Initiative des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gegründet worden. Natürlich hätten nach der Wende erst Gebäude errichtet werden müssen. Aber bis heute gelte es vor allem auch, in Menschen und in ihre Motivation zu investieren, in ihre Köpfe und Herzen. Von Papst Johannes Paul II. stamme der Vergleich, dass Europa zwei Lungenflügel habe. Damit diese auch atmen könnten, müsse immer wieder das Gespräch zwischen Ost und West gesucht werden, damit die Entfremdung nicht größer werde.

30 Jahre Renovabis 

An den Festakt schließt sich der zweitägige Internationale Kongress Renovabis an. Er steht unter dem Motto "Freiheit, die ich meine. Europa zwischen Aufbruch, Ernüchterung und Bedrohung". Seit seiner Gründung hat Renovabis nach eigenen Angabenknapp 26.000 Projekte mit mehr als 842 Millionen Euro gefördert. Es ist in 29 ehemals kommunistischen Ländern aktiv, von Polen bis nach Kirgistan. 2022 erzielte das Hilfswerk das beste Spendenergebnis seiner Geschichte und nahm einschließlich Kollekten sowie Erbschaften 14,9 Millionen Euro ein.

Renovabis

Renovabis ist das jüngste der sechs katholischen weltkirchlichen Hilfswerke in Deutschland. Es wurde im März 1993 auf Anregung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) von den deutschen Bischöfen gegründet. Seither gibt es jedes Jahr eine mehrwöchige bundesweite Aktion. Sie endet jeweils am Pfingstsonntag mit einer Kollekte in den katholischen Gottesdiensten in Deutschland.

Der lateinische Name des Hilfswerks geht auf einen Bibelpsalm zurück und bedeutet "Du wirst erneuern".

 © Renovabis
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Quelle:
KNA