DOMRADIO.DE: Renovabis ist in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und auf dem Balkan aktiv. Regionen, in denen Frieden nicht selbstverständlich ist. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?
Dr. Thomas Schwartz (Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis): Wir erleben, seit es uns gibt, also seit genau 30 Jahren in den ehemaligen Grenzregionen der Sowjetunion – sei es zwischen Armenien und Aserbaidschan, in Gegenden des Kaukasus, in Moldawien und eben auch in der Ukraine – immer wieder Kriegssituationen, die tausendfaches Elend hervorgerufen haben. Vor allen Dingen in Form von Flüchtlingsströmen, weil die Menschen natürlich nicht in Kriegsgebieten leben wollen.
DOMRADIO.DE: Sie rücken in ihrem Wortbeitrag beim Friedenstreffen der katholischen Gemeinschaft Sant' Egidio die Rolle der Geflüchteten in den Fokus und fordern, dass wir ihnen eine Stimme geben sollten. Wie kann das gelingen?
Schwartz: Indem wir nicht über diese Menschen sprechen, sondern mit. Indem wir sie nicht nur als Zahlen in der Öffentlichkeit stattfinden lassen, sondern deutlich machen, dass hinter den Zahlen persönliche Schicksale und eine eigene Biografie steckt und diese Biografie ist es wert, erzählt zu werden. Wir haben mit unseren Partnern unglaublich viele dieser Biografien und Schicksale kennenlernen müssen. Nicht dürfen, sondern leider müssen.
Wir versuchen in unseren vielen Pressemitteilungen, in unseren vielen Hinweisen an unsere Spenderinnen und Spender, diesen Menschen mit ihren Schicksalen und ihren Lebenserfahrungen eine Stimme zu verleihen.
DOMRADIO.DE: Bei der Eröffnung des Friedenstreffens gab es Kritik an der russisch-orthodoxen Kirche, da sich deren Spitze hinter Wladimir Putin und seinen Überfall auf die Ukraine stellt. Sollte es auch da einen Friedensdialog geben?
Schwartz: Der Dialog ist von unserer Seite nie beendet worden, sondern die russisch-orthodoxe Kirche hat sich von jedem Dialog und von jeder Friedensorientierung durch die Huldigung an die Machthaber Russlands abgewendet. Von daher ist es erst wieder möglich, in einen Dialog einzutreten, wenn ein Partner da ist, der zu diesem Dialog bereit ist.
DOMRADIO.DE: Sollten wir auf die russisch-orthodoxe Kirche zugehen?
Schwartz: Ich glaube, die russisch-orthodoxe Kirche sollte auf die Menschen zugehen. Gerade auf die, die durch diesen Krieg in Not sind.
Das Interview führte Dagmar Peters.