"Ihr werdet meine Zeugen sein!", dieses Bibelzitat hat sich der Gründerbischof des Bistums Essen für sein Kardinalswappen ausgesucht. Jetzt werden Zeugen gesucht, die Hinweise für die weitere Aufarbeitung gegen den Kardinal selber geben können. Und mögliche weitere Betroffene, die Kardinal Hengsbach selber sexuell missbraucht haben könnte. Es stehen bereits zwei gravierende Vorwürfe gegen ihn im Raum, die die Verantwortlichen in Essen und Paderborn bewogen haben, jetzt mit den Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen.
Hengsbach war nicht irgendein Bischof. Er war und ist für viele immer noch eine Ikone. Ein katholischer Vorzeigebischof par excellence! Häuser und Plätze wurden nach ihm benannt. Vom Kaplan bis zum Kardinal hat er in zahlreichen Ämtern und Funktionen segensreich gewirkt - das ist unbestritten. Jetzt aber kommt durch die schwerwiegenden Vorwürfe zum Segen auch der Fluch. Der verfluchte Missbrauch durch kirchliche Amts- und Würdenträger.
Man fragt sich unwillkürlich: Hört das denn nie auf? Nein, die Aufklärung und Aufarbeitung der sexuellen Gewalt in den kirchlichen Reihen darf nicht aufhören. Der Fall Hengsbach muss aber auch den letzten Zweiflern, die es leider bis in den Vatikan immer noch gibt, klarmachen: Der Missbrauch in der Katholischen Kirche gehörte zum System. Über alle Kontinente und Kulturen hinweg, über alle Altersgrenzen und Ämter - vom Kaplan im Zeltlager bis zum Kardinal auf dem Bischofsstuhl!
Neben der schmerzhaften Aufarbeitung müssen auch die systematischen Ursachen dringend angegangen und endlich beseitigt werden. Das ist nicht weniger schmerzhaft. Es ist und bleibt aber alternativlos, wenn man überhaupt noch Vertrauen zurückgewinnen will. Wenn man überhaupt noch Zeugen finden will, die nicht den Missbrauch, sondern die Sache Jesu bezeugen.
Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur