Dompropst Assmann warnt vor persönlichem Pharisäer-Verhalten

Pharisäertum ist wie Kaffee mit Schuss

Im Kapitelsamt im Kölner Dom am einunddreißigsten Sonntag im Jahreskreis betonte Dompropst Guido Assmann, dass Jesus nicht die Pharisäer an sich anklagte, sondern deren Haltung. Diese erklärte er mit einer feuchtfröhlichen Anekdote.

Der Irish Coffee ist ein entfernter Verwandter des Pharisäers / © etorres (shutterstock)
Der Irish Coffee ist ein entfernter Verwandter des Pharisäers / © etorres ( shutterstock )

In seiner Predigt im Kapitelsamt am einunddreißigsten Sonntag im Jahreskreis im Kölner Dom hat Dompropst Guido Assmann daran erinnert, dass Jesus Christus die Pharisäer nicht per se als Gruppe verurteilt habe, sondern mit seinen Worten vielmehr auf ihre geistige Haltung abgezielt hätte – wenn dies in der Kirchengeschichte auch nicht immer so ausgelegt worden sei.

Matthäus schrieb von Pharisäern und meinte die junge Kirche

Die Exegeten, so Assmann in der Auslegung des heutigen Tagesevangeliums, hätten aufgezeigt, dass der Evangelist Matthäus "hier viele verschiedene Worte, die Jesus über Verhaltensweisen mancher Pharisäer und Schriftgelehrten zum Ausdruck gebracht hat, in Form einer Rede zusammengefasst hatte, in der die Pharisäer mit Blick auf ihre Verhaltensweisen – wie sie sich gerne auf dem Markt als Meister grüßen lassen, ihre schönen Gewänder zeigen, wie sie Lasten schnüren und anderen Menschen diese auferlegen – gebrandmarkt wurden."

Alle diese eben "pharisäischen" Verhaltensweisen habe es zwar durchaus gegeben. Matthäus hätte beim Verfassen des Evangeliums aber eine ganz konkrete Gemeinde vor Augen gehabt, nämlich die junge Kirche.

Darstellung des heiligen Matthäus in der Chiesa di Santa Maria in Aquiro, Rom, Italien / © Renata Sedmakova (shutterstock)
Darstellung des heiligen Matthäus in der Chiesa di Santa Maria in Aquiro, Rom, Italien / © Renata Sedmakova ( shutterstock )

Er hätte Dompropst Assmann zufolge bemerkt, dass "auch unter den ersten Christen sich hier und da Verhaltensweisen einschlichen oder übernommen wurden, die Jesus verurteilt hatte."

Matthäus habe sich dieser Verurteilungen des Pharisäertums durch Jesus bedient, um Verhaltensweisen der jungen Kirche anzuprangern.

Persönliche Nachfolge Christi im Zwischenmenschlichen zeigen

Dompropst Assmann unterstrich aber gleichsam, dass wir Heutigen mit dieser Mahnung genauso angesprochen seien: "Das Evangelium ist jeweils in die Zeit hinein gesprochenes Wort Gottes und damit gilt das Wort auch uns."

Die Botschaft Jesu an seine Jünger fasste Dompropst Assmann wie folgt zusammen: "Was ihr sagt, soll mit dem übereinstimmen, was ihr denkt. Wenn ihr auf andere Menschen zugeht, haltet euch nicht für etwas Besseres. Verurteilt Menschen nicht grundsätzlich, nur weil sie Fehler machen, sondern helft ihnen und tut nicht so, als wenn ihr selber keine Fehler machen würdet."

Jesus, so Dompropst Assmann, sei es auf die rechte Haltung angekommen, dass "das Innere mit dem Äußeren" übereinstimmt, anders eben als bei manchen Pharisäern.

Die persönliche Nachfolge Christi solle am zwischenmenschlichen Umgang erkennbar werden, der vom Hören und Verinnerlichen der Gebote Gottes geprägt sein und andere Menschen ebenfalls zur Nachfolge inspirieren sollte.

Dompropst Assmann fordert Barmherzigkeit statt Verurteilung

Allein das Befolgen nicht wirklich verinnerlichter, weil nicht verstandener Gesetze und Gebote könne nur eine leere Hülle sein, ohne Nächstenliebe und die Bereitschaft "sich nicht für etwas Besseres zu halten, sich in den Dienst nehmen zu lassen, in den Dienst der guten Sache, in den Dienst des Mitmenschen".

Diese Mahnung betreffe jeden, auch in der Gesellschaft. Dort, so Dompropst Assmann, komme es inzwischen teilweise wieder zu Verallgemeinerungen, etwa gegenüber Juden, Muslimen oder anderen Gruppen.

Ein Darsteller eines Pharisäers wird angekleidet bei einer Kostümprobe für die Schönberger Passionsspiele im belgischen Sankt Vith am 20. März 2019 / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Darsteller eines Pharisäers wird angekleidet bei einer Kostümprobe für die Schönberger Passionsspiele im belgischen Sankt Vith am 20. März 2019 / © Harald Oppitz ( KNA )

Statt sich solchen Verurteilungen von Gruppen hinzugeben, gelte es Barmherzigkeit zu zeigen und "ehrlich, demütig, zurückhaltend, sich nicht für etwas Besseres haltend" genau dem entgegenzustehen, was Jesus mit dem Pharisäertum gemeint habe.

Wer meine, er würde aufgrund irdischer Anerkennung und großer persönlicher Anstrengungen vor Gott als größere und wichtigere Persönlichkeit dastehen, der irre, mahnte Dompropst Assmann.

Die feuchtfröhliche Kaffee-Legende um den "Pharisäer"

Was Jesus uns im Tagesevangelium mitgebe, sei die Forderung, "Diener aller zu sein" und sich zuerst mit sich und seinen eigenen Schwächen auseinanderzusetzen, statt nur die Fehler des Nächsten zu sehen, was leichter, vielleicht auch zutiefst menschlich sei.

Um die Auslegung des Tagesevangeliums zu illustrieren, gab Dompropst Guido Assmann seinen Zuhörern schließlich noch eine feuchtfröhliche Anekdote mit – um genauer zu sein, eine Legende aus dem Norden Deutschlands, welche die Herkunft der Bezeichnung eines alkoholhaltigen Kaffeegetränks erklären soll.

Auf einer nordfriesischen Insel soll es sich laut dieser Legende einst zugetragen haben, dass eine kinderreiche Familie zu Tauffeiern immer nur Kaffee auftischte, weil der strenge Taufpfarrer Alkohol als "des Teufels" verurteilte.

Nach innen wie nach außen "ein Kaffee mit Sahne" sein

Nach vielen neugeborenen Kindern und vielen Taufen ohne einen Tropfen Alkohol habe sich die Familie jedoch die List überlegt, einen Schuss Rum in den Kaffee zu kippen und diesen mit Sahne zu garnieren, damit der Alkohol nicht verdunsten und ihn niemand riechen möge.

Guido Assmann / © Harald Oppitz (KNA)
Guido Assmann / © Harald Oppitz ( KNA )

Die infolge des geruchlosen Alkoholkonsums schöne, lustige Feier fand ein jähes Ende, als dem Pfarrer das falsche Getränk vorgesetzt wurde. Daraufhin soll dieser ausgerufen haben: "Ihr Pharisäer!"

Am Ende der die Predigt abschließenden Anekdote klärte Dompropst Assmann seine Zuhörer dann schließlich über die doppelte Bedeutung des Wortes "Pharisäer" auf: "Auf manchen Speisekarten in manchen guten Cafés steht der Pharisäer bis heute: ein guter Kaffee mit etwas Rum drin und Sahne drauf. Äußerlich ein Kaffee mit Sahne. Innerlich etwas anderes. Eine kleine Geschichte, die uns mit diesem schönen Evangelium des heutigen Sonntags verbindet." 


„Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder.“ (Mt 23,8)

Zum Evangelium Mt 23,1-12

Nach welchen Maßstäben soll die christliche Gemeinde miteinander leben? Der Autor des Matthäus-Evangeliums sieht die Nachfolge Jesu in der Gleichheit aller und im gegenseitigen Dienst aneinander verwirklicht. Unter denen, die Jesus folgen, darf es keine Vorrangstellungen geben; denn Christus allein ist Lehrer und Meister, und der himmlische Vater hat die höchste Autorität. Die polemische Darstellung des Fehlverhaltens der Pharisäer und Schriftgelehrten, denen Lehrautorität übertragen ist, dient in dieser innerjüdischen Auseinandersetzung als Negativfolie: Jesus will deutlich machen, dass Lehre und Handeln übereinstimmen müssen, damit die Botschaft Wirkkraft erlangen kann.

Inga Schmitt. Aus: Messbuch 2023, Butzon & Bercker