DOMRADIO.DE: Vor genau 775 Jahren wurde der Grundstein für den Kölner Dom gelegt. Damals wollte der Kölner Erzbischof eine neue würdige Kirche für die Gebeine der Heiligen Drei Könige schaffen. Aber da, wo die jetzige gotische Kathedrale steht, stand vorher auch eine Kirche. Warum hat die dem Erzbischof nicht genügt?
Matthias Deml (Pressesprecher Dombauhütte): Es gibt sicherlich verschiedene Gründe, die dazu geführt haben, warum man schon ab 1225 darüber nachgedacht hat, an der Stelle des alten Domes, eines auch schon beachtlichen großen karolingischen Baus, einen Neubau zu errichten.
Ein wichtiger Grund war sicherlich, dass 1164 die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln gebracht worden sind. Köln wurde damit zu einem der wichtigen Wallfahrtsorte in Europa. Es kamen Menschen aus allen Ländern Europas hierher, um die Gebeine der ersten christlichen Könige hier in Köln zu verehren. In der Bibel ist ja eigentlich nur von Magiern die Rede, aber man hielt sie aufgrund ihrer wertvollen Geschenke für Könige.
Und der alte Bau war vielleicht inzwischen ein bisschen zu klein und zu alt geworden.
Es gibt sicher daneben noch einen weiteren Grund. In den Jahrzehnten zuvor sind alle großen Stifts- und Klosterkirche in Köln neu oder aufwendig umgebaut und vergrößert worden. Da war der Wunsch sicherlich auch sehr groß, dass inmitten dieser prächtigen neuen Kirchen auch die Kathedralkirche wieder den ersten Rang einnimmt.
DOMRADIO.DE: 1248 war es dann soweit. Was wissen Sie über diesen Tag, den 15. August?
Deml: Darüber berichten vor allem die Annalen von St. Pantaleon, noch einige Jahre später verfasst. Der Text ist relativ kurz: "Der Erzbischof Conrad aber berief die Prälaten der Kirche, die Edlen des Landes und seine Ministerialen, zog durch das mahnende Wort der Prediger eine unzählbare Menge Volks herbei und legte nach feierlicher Messe am Tage Mariä Himmelfahrt den ersten Stein.' So viel erfahren wir aus den Quellen. Über alles andere können wir nur spekulieren.
Es waren wahrscheinlich auch viele Bischöfe aus dem Umland, die Suffraganbischöfe da. Es war sicherlich die Geistlichkeit Kölns versammelt, aber auch eine große Menge Volks, wie die Quelle so schön sagt. Dann ist man nach der Messe in feierlicher Prozession zu den Fundamenten des Domes herabgestiegen und hat dort den Grundstein gelegt, der wahrscheinlich ein relativ schlichter, einfacher Stein war.
Man hat ihn bei den archäologischen Grabungen nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Metalldetektor gesucht, hat ihn aber nicht gefunden. Denn diesen Brauch, dass man da heute eine Metallhülse mit Zeitungsartikeln und Münzen und so etwas einlegt, gab es damals noch gar nicht. Deswegen konnte man den Stein auch nicht finden.
DOMRADIO.DE: In Deutschland wird immer über Großbaustellen gelästert, die viel länger dauern als geplant. Die Elbphilharmonie oder der Flughafen in Berlin sind dafür Beispiele. Aber die Bauzeiten dieser Großbaustellen sind doch gar nichts gegen die Bauzeit des Kölner Doms. Die dauerte ein klein wenig länger.
Deml: Die dauerte tatsächlich ein bisschen länger. 1248 hat man begonnen, aber erst 1880 war der Kölner Dom vollendet. Man muss allerdings ehrlicherweise dazu sagen, dass man über 300 Jahre dazwischen gar nicht an dem Bau gearbeitet hat.
Und eine Kirche wie der Kölner Dom lässt sich natürlich auch nicht mit dem Bau eines heutigen Großprojekts vergleichen. Das war alles Handarbeit. In jedem Steinquader, den wir hier haben, stecken Tage bis Wochen Arbeit; in den aufwendigen Stücken Monate, wenn nicht sogar Jahre Arbeit. Dementsprechend war es allen Beteiligten 1248 klar, dass sie eine Vollendung auch nur von Großteilen dieser Kathedrale gar nicht erleben können.
Das war ein richtiges Generationenprojekt, das wie ein Staffelstab von Generation zu Generation weitergetragen worden ist. Jedem war von Anfang an klar, dass es Jahrhunderte dauern wird, bis der Dom fertig wird.
DOMRADIO.DE: Bis heute ist der Dom nicht fertig. Wird er jemals fertig sein?
Deml: Es gibt ja das schöne Sprichwort "Wenn der Kölner Dom fertig ist, dann geht die Welt unter." Der Dombaumeister sagt immer so schön, daran wollen wir nicht schuld sein. Deswegen wird es immer eine Dombauhütte geben.
Nein, ganz im Ernst, ein Bau wie der Kölner Dom ist sehr filigran, hat sehr viele Natursteinflächen, die von Wind und Regen bewettert werden. Über lange Zeit haben die Schadstoffe in der Luft noch das Ihre getan.
Heute haben wir Probleme mit stärker werdenden Wetterereignissen, aber auch mit einer sehr starken Erwärmung. Wenn die Hitze auf den Steinen brennt, kann das auch zu Schäden führen.
Das heißt, ein solches Bauwerk braucht permanente Pflege. Daher wird man immer daran arbeiten müssen. Wir werden alle sicherlich den Dom nie völlig ohne Gerüste erleben können.
DOMRADIO.DE: Sprechen wir über das Domumfeld, das Domhotel, die Historische Mitte. Das sind Dauerbaustellen und auch sonst ist das Domumfeld häufig sehr verdreckt. Wie sehr ärgert Sie das?
Deml: Es ist nicht so angenehm, wenn man zum Dom kommt. Auch ich, wie viele der Touristen, die hier nach Köln kommen und die Stadt erleben und zum Kölner Dom gehen, sind schon etwas schockiert, wenn man sieht, wie verwahrlost manchmal das Domumfeld ist.
Im Moment haben wir sehr viele Baustellen um den Kölner Dom. Das wird noch einige Jahre dauern. Aber es bleibt zu hoffen, dass es irgendwann dann besser wird.
DOMRADIO.DE: Der Dom hat ein würdiges Umfeld verdient, oder?
Deml: Auf jeden Fall hat der Dom ein würdiges Umfeld verdient. Natürlich ist auch vieles der geschichtlichen Entwicklung zu verdanken. Wenn man sich alte Fotos aus dem 19. Jahrhundert anguckt, da war das hier ganz anders gestaltet.
Vieles davon ist im Krieg kaputt gegangen. Vieles ist aber auch durch die Umbauten, insbesondere auch den Bau der Tiefgarage, so stark verändert worden, dass der Dom dadurch sehr viel verloren hat.
Ein Kabarettist hat es mal sehr schön gesagt, der Dom sieht heute ein bisschen so aus, als ob er von unten durch die Platte geschossen wäre oder wie ein UFO hier gelandet ist. Es wäre schön, wenn sich das dann irgendwann mal ändert, wenn diese Bauprojekte abgeschlossen sind.
DOMRADIO.DE: Und heute, am Tag der Grundsteinlegung vor 775 Jahren, wird da in der Dombauhütte angestoßen und ein wenig gefeiert?
Deml: Nein, das ist tatsächlich für uns ein ganz normaler Arbeitstag, wo wir weiterhin am Dom bauen. Das ist auch das Beste, was eine Dombauhütte am Tag der Grundsteinlegung machen kann. Wie unsere Urahnen vor Jahrhunderten arbeiten wir für den Kölner Dom, dass er der Nachwelt erhalten bleibt.
Das Interview führte Katharina Geiger.