Angesichts der vielfachen Krisen, mit denen Deutschland und die Kirche konfrontiert sind, hat der Berliner Erzbischof Heiner Koch im Pontifikalamt zur Eröffnung der diesjährigen Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken eine Überforderung von Gesellschaft und Gläubigen diagnostiziert.
Andererseits erinnerte er auch daran, dass ältere Berliner ihm gegenüber betonen würden, dass sie mit dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung Deutschlands noch schlimmere Zeiten miterlebt hätten.
Dementsprechend stellte Erzbischof Koch die Frage in den Raum, ob die Überforderung nicht – neben einer immer komplexer werdenden Gesellschaft – daher rühre, dass "vielleicht der in unserem Leben keinen Platz hat, den wir als die Stärke schlechthin bezeichnen, als den Gott der Stärke", der gute Hirte, "der mit uns geht, uns stärkt, Kraft und Mut gibt" – auch in dunklen Phasen.
Sehen wir Gott nicht mehr und sind darum überfordert?
"Ja, sehen wir ihn vielleicht gar nicht mehr? Entdecken wir ihn gar nicht mehr, nehmen wir ihn gar nicht mehr wahr, ist er für uns überhaupt keine Realität mehr? Ist das vielleicht auch einer der Gründe unserer Überforderung, wenn wir so sein wollen wie Gott und meinen, wir müssten alles, könnten alles tragen und lösen und machen?"
Gleichsam weiß Erzbischof Koch darum, dass dieses Entdecken Gottes nicht immer leicht ist, sondern vielmehr Geduld und einen langen Atem braucht.
Besonders in Phasen, in denen man Ihn nicht sehe, brauche es laut Erzbischof Koch manchmal eine bewusste Entscheidung des Gläubigen: "Ich will Gott immer wieder neu in meinem Leben, in meinem Alltag sehen, erfahren."
Gott entdecken durch Gemeinschaft und gegenseitige Stärkung
Genauso sei die immer wieder neue Entdeckung Gottes auf die Hilfe der Brüder und Schwestern im Glauben angewiesen, die zusammen, mit ihren jeweiligen Perspektiven einen "weiten Blick auf Gott" hätten. "Zusammen lernen wir, Ihn zu sehen", so Erzbischof Koch.
Als Vorbilder nicht nur im Glauben, sondern auch im Stärken des Nächsten erinnerte Erzbischof Koch an die Heilige Hedwig von Andechs – von der zuletzt zur Einweihung des neuen Altars der Sankt-Hedwig-Kathedrale eine Reliquie im Altar eingelassen wurde – und den NS-Märtyrern und Seligen Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg, dessen Todestag sich am Tag der Eröffnung der Diaspora-Aktion zum 80. Mal jährte.
Wie Lichtenberg die von der nationalsozialistischen Diktatur Verfolgten in Gebeten und Briefen stärkte, so gelte es auch für einen jeden von uns nicht bloß mit der Losung der diesjährigen Diaspora-Aktion des Bonifatiuswerkes zu fragen: "Wer stärkt dich?" Stattdessen gelte es zu entdecken, wen man selbst stärken kann – als Mensch, aber auch als Kirche.
Andere stärken heißt sich selbst stärken und von Gott gestärkt werden
Erzbischof Koch schloss seine Predigt mit einer Danksagung in Richtung des Bonifatiuswerkes, das durch zahlreiche Maßnahmen besonders Katholiken in der Diaspora stärke.
Schließlich wandte er sich noch mit einem Appell an seine Zuhörer: "Ich bitte uns alle darum, dass wir mehr lernen, einander, diese Welt und die Menschen zu stärken. Vielleicht werden wir dann – indem wir andere stärken – erfahren, wie wir selbst dadurch gestärkt werden. Gott stärkt den, der andere stärkt. Entdecke, wer dich stärkt. Entdecke, wenn du stärkst."
Konzelebranten in dem Gottesdienst waren der Generalsekretär des Bonifatiuswerkes, Georg Austen, sowie Bischof David Tencer aus Reykjavík in Island und Bischof Viktors Stulpins aus Liepaja in Lettland.
Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes besorgten der Jugendkathedralchor und das Bläserensemble Sankt Hedwig sowie Marcel Andreas Ober an der Orgel und am Piano unter der Leitung von Jurgita Cesonyte und Harald Schmitt.
Diaspora-Aktion macht auf Lage katholischer Minderheiten aufmerksam
Beim anschließenden Festakt in der Berliner European School of Management and Technology war ein Grußwort des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Kai Wegner (CDU), angekündigt.
Die Diaspora-Aktion soll auf die Herausforderungen für katholische Christen aufmerksam machen, die in Regionen Europas als Minderheit ihren Glauben leben.
Höhepunkt der Diaspora-Kampagne ist jedes Jahr der bundesweite Diaspora-Sonntag, der in diesem Jahr auf den 19. November fällt. Dann sammeln katholische Kirchengemeinden für ihre Glaubensgeschwister in Nord- und Ostdeutschland, in Nordeuropa und im Baltikum, wie es hieß.
Spenden für Bau und Erhalt von kirchlichen Einrichtungen und Mobilität
Mit den Spendengeldern werden beispielsweise Vorhaben für Bau und Erhalt von kirchlichen Einrichtungen sowie die Anschaffung von Fahrzeugen für mehr Mobilität in den Gemeinden finanziert.
Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken unterstützt auch karitative Initiativen und religiöse Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche. Es hat seinen Sitz in Paderborn.
Seit 57 Jahren macht das Bonifatiuswerk jeden November mit der Diaspora-Aktion auf die Herausforderungen katholischer Christen aufmerksam, die als Minderheit in der Gesellschaft ihren Glauben leben und regt dazu an, sich für die Anliegen der Katholiken in der Diaspora aktiv einzusetzen.
Unter dem Motto "Hilfswerk für den Glauben" stellt sich das Bonifatiuswerk heute in die Tradition seiner Gründerväter, die den Bonifatiusverein 1849 als "Missionsverein für Deutschland" ins Leben riefen. Und es richtet seinen Blick in die Zukunft: Denn die Not der Einsamkeit im Glauben fordert die Kirche in ganz neuem Maße heraus.
Die Diaspora-Aktion 2023 steht unter dem Leitwort "Entdecke, wer dich stärkt."
Am "Diaspora-Sonntag" – in diesem Jahr der 19. November – sammeln katholische Christinnen und Christen bundesweit in den Gottesdiensten für die Belange ihrer Glaubensgeschwister in der Diaspora.
Quelle: https://www.bonifatiuswerk.de