DOMRADIO.DE: Unabhängig davon wer hinter diesem Anschlag steckt, wie bewerten Sie, dass ein Krankenhaus den Kriegshandlungen zum Opfer gefallen ist?
Fabian Freiseis (Vizepräsident der Kinderhilfe Bethlehem): Wir sind als Verein, aber sicherlich auch als Menschen angefasst davon, dass zivile Ziele und damit Menschen, die unschuldig sind, so getroffen werden, erneut getroffen, verletzt, getötet werden. Deshalb sind unsere Gedanken auch bei den Angehörigen der Opfer.
DOMRADIO.DE: Das Caritas Baby Hospital in Bethlehem, das Sie unterstützen, befindet sich im Westjordanland, ist also nicht direkt von den Kampfhandlungen betroffen, aber von den Umständen und der angespannten Situation schon. Was hören Sie von den Menschen, mit denen Sie in Kontakt stehen?
Freiseis: Der Kriegszustand, der in Israel von der Regierung verhängt wurde, betrifft auch das Caritas Baby Hospital. Wir stehen regelmäßig im Kontakt mit unserem Geschäftsführer und versuchen zu erfahren, wie die Situation sich vor Ort darstellt, wie auch die emotionale Lage dort ist.
Ein sehr großes Problem ist, dass dieser Kriegszustand zur Folge hat, dass das Westjordanland größtenteils abgeriegelt wurde. Das heißt, dass die Menschen nicht von A nach B kommen können. So sitzt beispielsweise auch unser CEO des Hospitals in Ramallah fest und kommt nicht nach Bethlehem, weil die israelische Armee die Zugänge blockiert.
DOMRADIO.DE: Das Hospital ist für Menschen aller Nationalitäten da. Man guckt nicht drauf, welche Religionszugehörigkeit oder ethnische Zugehörigkeit da besteht. Das hat sich wahrscheinlich aktuell alles in Luft aufgelöst, weil Menschen aus Israel im Moment gar nicht hinkommen können, oder?
Freiseis: Menschen aus Israel können aufgrund der Regularien ohnehin kaum nach Bethlehem kommen. Es ist so, dass die palästinensische Bevölkerung nur mit Sondererlaubnis nach beispielsweise Ostjerusalem kommt. Umgekehrt ist es Israelis untersagt oder sie werden davor gewarnt, palästinensisches Gebiet zu betreten.
Das ist einfach eine Folge dieser tiefen Spaltung. Das Hauptproblem ist für das Hospital ist, dass die ganzen Kinder, die sonst aus Hebron, aus Ramallah, aus Jericho zum Hospital kommen würden. Durch diese Blockaden können die das Hospital überhaupt nicht erreichen.
Es können tatsächlich nur Kinder aus Bethlehem ins Hospital gelangen. Das ist ein großes Problem bei schwereren Erkrankungen, aber auch bei Frühchen, also bei Frühgeburten. Das kann sehr schnell lebensbedrohlich werden, wenn diese Kinder nicht adäquat medizinisch versorgt werden.
Das ist ein Verstoß gegen ein fundamentales Menschenrecht auf Gesundheit. Das macht uns betroffen zu sehen, dass damit wieder die Schwächsten der Gesellschaft direkt leiden unter diesem Krieg.
DOMRADIO.DE: Das ist eine explizit christliche Einrichtung. Spielt das eine Rolle? Gerät man da etwas zwischen die Fronten des Konflikts?
Freiseis: Da wir uns immer politisch neutral verhalten und eher versuchen zu vermitteln, gibt es zwar Erwartungen zwischen den unterschiedlichen Parteien, den politischen Parteien auch, die involviert sind. Aber wir haben eine Null-Toleranz-Politik für politische Propaganda am Hospital und versuchen unser Hauptziel zu erreichen.
Das bedeutet die Versorgung von Kindern unabhängig von deren Herkunft und Religion zu gewährleisten, weil wir das als Teil unseres christlichen Grundauftrag verstehen.
DOMRADIO.DE: Sie rufen zu Spenden auf. Die sind aufgrund der aktuellen Lage noch nötiger, um die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten zu können. Was wird konkret gebraucht? Was versuchen Sie den Menschen zukommen zu lassen?
Freiseis: Am Mittwochmorgen gab es ein Treffen der Hospitaldirektoren mit dem palästinensischen Gesundheitsministerium auf dem Gebiet des Westjordanlands. Dort wurde noch mal vom Gesundheitsministerium eingeschärft, Vorräte für drei Monate zu besorgen. Das ist das auch gemacht worden.
Nichtsdestotrotz ist es eine volatile Sache mit der Versorgung. Es ist davon auszugehen, dass diese Blockaden weiter bestehen bleiben. Dementsprechend müssen die Vorräte vorgehalten werden.
Sie haben trotz allem noch das Problem mit Inflation. Sie haben das Problem mit Knappheit. Das heißt, es wird alles teurer. Da geht es um grundlegende Dinge wie zum Beispiel Diesel, um überhaupt die Stromversorgung, die Energieversorgung des Hospitals am Laufen zu halten.
Aber es geht auch darum medizinische Präparate zu besorgen, Nahrungsmittel und sie auch einzulagern, damit im Zweifel auch eine Verschlechterung der Lage im Westjordanland für eine begrenzte Zeit abgefangen werden kann. Sie können bestimmte Dinge auch nur eine begrenzte Zeit lagern. Das sind Kosten, die verursacht werden und die wir irgendwo her auch bezahlen müssen. Deswegen rufen wir zu Spenden auf.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.