Darum gibt es für Berliner Juden keinen normalen Alltag mehr

"Lehrer in der Schule haben Angst"

Juden in Berlin haben wachsende Angst vor Angriffen. Erst kürzlich wurden Wohnhäuser mit Davidsternen markiert. Viele lesen keine hebräischen Medien oder Bücher in der Öffentlichkeit mehr. Lehrer in Schulen greifen nicht genug durch.

Ein jüdischer Junge mit Kippa sitzt auf dem Boden und spielt mit einem Abakus im Hotel Leonardo Plaza in Jerusalem (Israel). / © Andrea Krogmann (KNA)
Ein jüdischer Junge mit Kippa sitzt auf dem Boden und spielt mit einem Abakus im Hotel Leonardo Plaza in Jerusalem (Israel). / © Andrea Krogmann ( KNA )

"Dass Häuser, in denen Juden wohnen, in Berlin mit dem Davidstern markiert werden, hat eine völlig neue Dimension", sagte der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, der Düsseldorfer "Rheinischen Post" am Sonntag.

"Es ist das erste Mal überhaupt seit der Nazi-Herrschaft, dass das in Deutschland wieder passiert."

Auf das Haus der jüdischen Gemeinde Kahal Adass Jisroel in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte hat es nach eigenen Angaben in der Nacht zum Mittwoch einen versuchten Brandanschlag gegeben. / © Christoph Soeder (dpa)
Auf das Haus der jüdischen Gemeinde Kahal Adass Jisroel in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte hat es nach eigenen Angaben in der Nacht zum Mittwoch einen versuchten Brandanschlag gegeben. / © Christoph Soeder ( dpa )

"Es erinnert meine Gemeinde sehr stark an die schreckliche Zeit, als die Nazis Millionen Juden ermordeten", fügte Königsberg hinzu.

Lehrer haben Angst vorm Durchgreifen

"Damals begann es mit dem Davidstern an Wohnungen und Schaufenstern, dann mussten die Sterne an die Kleider angenäht werden und es endete in den Gaskammern", so der Vertreter der Jüdischen Gemeinde.

Die Bedrohungslage in Berlin habe sich in den vergangenen zwei Wochen "massiv verschärft". Juden trügen "auf der Straße keine Kippa mehr, sie lesen nicht in hebräischen Büchern oder anderen hebräischen Medien.

Viele trauen sich nicht mehr, in der Öffentlichkeit Hebräisch zu sprechen. Lehrer in der Schule haben Angst, ihren Schülerinnen und Schülern politische Parolen zu verbieten", sagte Königsberg. Die Jüdische Gemeinde versuche dagegenzuhalten.

Ruf nach Samidoun-Verbot

"Als Jüdische Gemeinde starten wir jetzt die Aktion 'We protect jewish lives' mit dem gleichnamigen Hashtag auf Facebook. Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, sich solidarisch mit ihren jüdischen Freunden und Mitbürgern zu zeigen", sagte Königsberg.

Teilnehmer einer verbotenen Pro-Palästina-Demonstration zünden am 19.10.2023 in der Nähe der Sonnenallee im Bezirk Neukölln Pyrotechnik. Es wurden auch Steine und Flaschen auf Polizisten geworfen, teilte die Polizei auf der Plattform X, früher Twitter, mit / © Paul Zinken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (dpa)
Teilnehmer einer verbotenen Pro-Palästina-Demonstration zünden am 19.10.2023 in der Nähe der Sonnenallee im Bezirk Neukölln Pyrotechnik. Es wurden auch Steine und Flaschen auf Polizisten geworfen, teilte die Polizei auf der Plattform X, früher Twitter, mit / © Paul Zinken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ ( dpa )

Organisationen wie das Samidoun-Netzwerk, das den Hamas-Terror billige, gehörten schnellstmöglich verboten, forderte er. Bei vielen Kommentaren in Deutschland, zum Beispiel in den sozialen Medien, laufe es einem kalt den Rücken runter, sagte Königsberg.

Eine häufige Reaktion dort sei ein "Ja, aber". "Nach dem Motto: Es sei ja schlimm, was da passiert ist, aber Israel sei auch selbst schuld", beklagte der Antisemitismus-Beauftragte.

Erzbischof Koch zur antijüdischen und antisemitischen Gewalt auf Berlins Straßen

"Es ist nicht hinzunehmen, dass unser jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn, die in Sorge und Trauer um ihre Angehörigen, Freundinnen und Freunde in Israel leben, Angst um ihr eigenes Leben mitten unter uns haben müssen. Ich verurteile daher jeglichen Applaus für den Terror der Hamas auf unseren Straßen und jeden Angriff auf jüdische Einrichtungen, so insbesondere den Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in der Brunnenstraße.

Heiner Koch, Erzbischof von Berlin, am Rande der Fünften Synodalversammlung am 11. März 2023 in Frankfurt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Heiner Koch, Erzbischof von Berlin, am Rande der Fünften Synodalversammlung am 11. März 2023 in Frankfurt / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA