Wer die große Audienzhalle Paul VI. im Vatikan ansteuert, der kommt automatisch am Petersplatz vorbei. Gläubige stehen da nahezu den ganzen Tag in der Schlange. Einen Sicherheitscheck wie am Flughafen gilt es zu absolvieren, sonst kommt man nicht in den Petersdom hinein. Jeden Tag mussten die 364 Teilnehmer der "Weltbischof-puls Laien-inklusive Frauen-Synode" in der Audienzhalle und irgendwie am Petersplatz vorbei.
Am Sonntag geht es zum großen Abschlussgottesdienst dann aber in den Petersdom. Alle Auserwählten und Delegierten haben dann einen vier Wochen langen, harten Sitzungsmarathon hinter sich. Und noch einen langen Weg vor sich, wenn sie danach wieder heimfahren. Zurück in alle Länder der Erde. Aber sie wollen ja wiederkommen - im nächsten Jahr im Herbst - um dann die "Synode über die Synodaliät" auch wirklich abzuschließen. Auch das ist noch ein weiter Weg für die Kirche. Denn viele Reformfragen wurden zwar hier in Rom offen angesprochen - warten aber noch auf ihre Umsetzung.
Im Mittelpunkt wird dabei die Frage bleiben, wie die Katholische Kirche es wirklich schafft, im Hier und Jetzt ihre Frohe Botschaft zu verkünden. Schöne Reden und Absichtserklärungen helfen da nicht. Das Evangelium muss zuallererst immer erst mal gelebt werden. Papst Franziskus, den viele als Zauderer sehen, geht hier aber mit gutem Beispiel voran:
Tagsüber, wenn zehntausende Touristen den Petersplatz fluten, Pilger aus aller Welt ihr Ziel erreichen, sind die Bettler, Obdachlosen, Armen und Ausgestoßenen nur eine sehr kleine Menge, die in der Masse fast verloren geht. Aber am Abend, spätestens wenn die Sonne hinter der Kuppel von St. Peter abgetaucht ist - füllen diejenigen, die in der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden, den Rand der Kolonnaden. Der Papst hat es erlaubt. In Minizelten, auf Kartonpappen oder nur in eine Decke gehüllt, suchen und finden dann zahlreiche Bedürftige einen sichern Schlafplatz. Die Polizei ist anwesend - und für den Schutz gegen möglichen Regen helfen die 367 Säulen der Kolonaden.
Die Macht der Liebe zeigt sich jeden Abend unter den Kolonnaden
Im Brief der Synode heißt es: "Auf die Frage, was sie von der Kirche anlässlich dieser Synode erwarten, antworteten einige Obdachlose, die in der Nähe des Petersplatzes leben: 'Liebe'."
Dass diese Liebe gelebt und sichtbar wird, ist in diesem Fall Papst Franziskus zu verdanken. Er hat dafür gesorgt, dass es neben dem Schlafplatz auch sanitäre Einrichtungen gibt, dass Haarschnitte und Fußpflege möglich sind und sogar rund um die Uhr medizinische Hilfe zur Verfügung steht. In seiner argentinischen Heimat wurde der Papst "Kardinal der Armen" genannt. Das bleibt für ihn auch hier in Rom Programm.
Es mag nicht so einfach sein, jahrhundertealte kirchliche Strukturen aufzubrechen. Nötige Reformschritte einzuleiten. Wer aber nahe beim Volk ist und immer die Sorgen und Nöte der Armen, Ausgegrenzten und Abgeschobenen im Blick hat, der weiß: Liebe und Veränderung sind möglich. Das mag ein Ansporn für den Schlussspurt der Synode sein, die ja erst im Herbst 2024 ihr Ende finden wird. Die Obdachlosen, denen der Papst hier zusammen mit vielen anderen in Rom hilft, brauchen darauf gar nicht mehr zu warten. Ja, es mag noch viel mehr möglich und nötig sein. Aber es ist ein Anfang, der Mut macht. Die Macht der Liebe zeigt sich jeden Abend unter den Kolonnaden.
Ingo Brüggenjürgen, Chefredakteur
z.Zt. im "Rome-Office"
.