DOMRADIO.DE: Was halten Sie davon, dass im November viele Menschen vom Sterben sprechen?
Konrad Göller (Vorsitzender des Hospizverein Bamberg): Es ist zutiefst menschlich. Ich bin 73 Jahre alt und nehme diese Jahreszeiten zunehmend wahr. Man spricht im Ablauf der Jahreszeiten vom erwachenden Leben im Frühling und wenn die Blätter fallen ist der Herbst des Lebens zu beschreiben.
Ich finde es wunderbar, dass der kirchliche Kalender da rituell mit dem Totensonntag andockt. Ich finde es interessant, dass man das als Kind oder junger Mensch gar nicht so existenziell wahrnimmt wie im zunehmenden Alter.
DOMRADIO.DE: Wäre es denn in Ihren Augen auch angebracht, wenn wir uns zusätzlich zum November sowieso öfter mit dem Tod und dem Sterben, aber auch dem Humor im Ganzen auseinandersetzen?
Göller: Im Sinne unserer Hospizidee, sich mit dem Sterben, Tod und Trauer zu befassen, wäre das sehr wünschenswert.
Die Realität unserer Endlichkeit, bleibt einzigartig, einmalig das Fremde, dem wir gegenüberstehen. Im Grunde steht dazu das Sterben auch als Teil des Lebens und wir sind als Menschen lernende Wesen. Wir müssen lebenslang lernen zu leben. Und es gibt unserem Leben auch Sinn, diese Realität des Sterbens nicht auszuklammern.
DOMRADIO.DE: Im Vorwort des Katalogs zu der Ausstellung findet sich ein Zitat von Sigmund Freud: "Humor verwandelt Schmerz in Freude. Er ist eine letzte Waffe der Wehrlosen". Warum ist Humor so wichtig, um Abschied zu nehmen?
Göller: Humor hilft dabei, den Widerspruch zwischen dem Leben wollen und dem Sterben müssen zuzulassen und eine Balance zwischen freudvoller Distanz und Akzeptanz des Todes zu schaffen. Lachen hilft ein bisschen, Aggressionen und Frust aus dieser Erfahrung zu lösen, die jemand, der mit seinem Tod hadert, angestaut hat. Wir sterben, wie wir leben.
Daher sollte man sich bereits im Leben einen gesunden Humorvorrat anlegen, weil es doch eine gewisse Distanz schafft gegenüber der direkten Betroffenheit einer Erkrankung oder einer Angst vor dem Sterben, eine andere Perspektive zu eröffnen, eine Sicht von oben.
Wer über etwas lachen kann, steht darüber, hat eine gewisse Distanz zu sich selbst und das kann aus der Gefangenheit lösen und freimachen.
DOMRADIO.DE: Vor zehn Jahren ist eine Wanderausstellung mit sehr guten Cartoon-Zeichnungen entstanden. Kürzlich war diese Ausstellung auch in Köln zu sehen. Die Ausstellung war, als sie entstand, ein Geburtstagsgeschenk vom Hospizverein an die Tochter-Hospiz-Akademie. Woher kamen die Cartoons und wie haben Sie diese für die Ausstellung ausgewählt?
Göller: "Sterben, Tod und Trauer" hat eine Vorgeschichte. Wir hatten Vorerfahrung im Rahmen eines Bistumsjubiläums. Wir haben Themen wie Kirche in der Karikatur, Ökumene, Verhältnis zwischen Afrika und Europa mit dem Titel "Das Boot ist voll" behandelt. Diese Themen kamen wunderbar bei dem jeweiligen Publikum an.
Hierdurch merkten wir, das die Karikatur etwas Visionäres für die Zukunft darstellt. "Sterben, Tod und Trauer" ist für unsere Arbeit sehr wichtig. Es ist wichtig, Medien zu finden, in denen man Impulse gibt.
Wir hatten einen wichtigen Mentor für diese Ausstellung, Professor Walter Keim, Ministerialrat an der Pressestelle des deutschen Bundestages. Er hatte Kontakt zu namhaften Karikaturisten. Er und ein Pathologe haben uns geholfen, diese Ausstellung zu kreieren.
Wir haben eine Ausschreibung gemacht und hatten 500 Einsendungen. In einer Abend- und Nachtsitzung haben wir die Karikaturen subjektiv bepunktet. So haben wir gewählt.
DOMRADIO.DE: Inwieweit haben Sie, als Sie damals vor zehn Jahren beeinander saßen, Karikaturen für nicht lustig befunden?
Göllner: Ich muss sagen, je mehr man sich damit beschäftigt, umso eher kann man fast keine Geschmacklosigkeit empfinden. Die Karikaturen überspitzen Alltägliches. Die Karikatur ist konkret, überspitzt und überzeichnet.
Wenn der Effekt des Schmunzeln oder der Nachdenklichkeit entsteht, dann ist das nicht geschmacklos. Das einzige, was wir nicht verstehen konnten, waren Karikaturen aus dem entfernten asiatischen Raum. Das hatte jedoch mehr kulturelle Hintergründe.
DOMRADIO.DE: Haben Sie denn einen Lieblingscartoon, der in der Wanderausstellung dabei ist?
Göller: Ein Priester steht bei der Beerdigung am offenen Grab mit einer Sprechblase, in der steht "Im Facebook soll er viele Freunde gehabt haben". Er ist also ganz alleine.
Wir machen das auch als Hospizverein, dass wir Menschen, die bereits vor dem Tod den Sozialtod sterben, bestatten und Anteil nehmen. Das ist unsere gesellschaftliche Realität, dass mit dem Tod auch die soziale Vernachlässigung einhergeht.
DOMRADIO.DE: Die Kataloge zu der Wanderausstellung haben Sie auch in vielfacher Ausfertigung in Ihrem Hospiz liegen. Da können sich dann Angehörige und Sterbende selbst mit amüsieren. Wenn sie mit dieser Wanderausstellung unterwegs sind, welche Reaktionen erhalten Sie da?
Göller: Menschen kommen ins Nachdenken und ins Schmunzeln. Das ist die gesamte Reaktion.
Sie lernen, das Leben mit anderen Augen zu sehen. Wir haben wirklich viel Nachdenklichkeit und Schmunzeln als Hauptreaktion.
So ist es auch gedacht, dass die entspannte Sicht auf das Leben mehr Zugewinn bekommt.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.