DOMRADIO.DE: Sie werden am 25. November zum Diakon geweiht. Ist es gerade stressig kurz vor der Weihe?
Thorsten Wemmers (angehender Diakon und Landwirt in Velbert): Nein, ich bin sehr gut vorbereitet und ich bin auch bereit. Und ich freue mich auf die anstehenden Weihe-Exerzitien. Die Vorbereitungszeit, die 2019 mit Aufnahme des Studiums begonnen hat, ist so umfangreich und üppig gewesen, dass an und für sich alles gesagt ist und ich mich jetzt sehr gut auf die Weihe einlassen kann.
DOMRADIO.DE: Das heißt, vor der Weihe kommen jetzt noch Exerzitien-Tage?
Wemmers: Ja, in der direkten Woche vor der Weihe. Das ist kanonisch vorgeschrieben, für alle Weihen, auch Priester- und Diakonenweihen. Es gibt auch keinen Unterschied zwischen Durchgangsdiakon und ständigem Diakon. Die Exerzitien sind vorgeschrieben und die werden wir in Stille verbringen. Da freue ich mich sehr drauf.
DOMRADIO.DE: Man sagt, dass alle, die zum Diakon geweiht werden, etwas gemeinsam haben. Die hören nämlich den Ruf Gottes, und dem wollen sie folgen. Wie klingt der?
Wemmers: Immer unterschiedlich. Das ist natürlich eine Frage des persönlichen Lebens, der Prägung, der Herkunft, der inneren Haltung. Ich kann den Ruf Gottes nicht plastisch beschreiben. Benedikt XVI. hat gesagt: Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen auf der Erde gibt. Und so geht, glaube ich, jeder auch seinen eigenen Weg. Für mich ist das jetzt schlüssig und stimmig, weil ich mir in meinem Glauben immer treu geblieben bin.
DOMRADIO.DE: Und wie klingt er bei Ihnen?
Wemmers: Ich habe ein sehr starkes inneres Gottvertrauen. Ich fühle mich stark hingezogen und getragen in meinem Leben. Ich habe auch in der Kirche von klein auf wirklich persönlich nur Gutes erlebt und möchte davon etwas zurückgeben. Für mich ist das ein ganz stimmiges Grundgefühl, was mich jetzt begleitet.
DOMRADIO.DE: Der Ausbilder der ständigen Diakone, Frank Zielinski, hat gesagt, er finde es super, dem Heiligen Geist bei seiner Arbeit zugucken zu dürfen. Wie würden Sie das beschreiben – wie arbeitet der Heilige Geist an Ihnen?
Wemmers: Ich kann mich schlecht in den Direktor des Diakonen-Instituts hineinversetzen, außer dass er sicherlich merkt, wie viele verschiedene Menschen gemeinsam auf einem Weg unterwegs sind. Und das ist natürlich etwas, was Kirche ausmacht: Alle sind unterwegs und Christus steht im Zentrum der Kirche. Und alles Gute, was sich da drum herum entwickelt und prägt und formt, kann man auf das Wirken des Heiligen Geistes zurückführen.
DOMRADIO.DE: Despektierlich heißt es schon mal, Diakone seien Messdiener erster Klasse oder Priester zweiter Klasse. Haben Sie auch schon mal gehört?
Wemmers: Also ich habe natürlich auch eine Außenwahrnehmung. Erst mal kann ein Diakon niemals ein Priester sein. Das ist er nicht. Das ist eine völlig eigenständige Berufung. Und die Berufung zum Diakon steckt in jedem Priester mit drin, denn man kann nicht Priester werden, ohne vorher Diakon gewesen zu sein. Und es gibt nur eine Weihe. Wir haben Teil an der Fülle des Weiheamtes des Bischofs, wenn wir das sakramental so verstehen, wie es in der Kirche ist, und das tue ich.
Messdiener erster Klasse schließe ich kategorisch aus, weil sich die Berufung zum Diakon und das Diakonenamt eben in verschiedene Bereiche gliedert: die Verkündigung des Wortes, die Caritas, also die tätige Nächstenliebe. Das Ganze wird genährt durch die Liturgie. Da ist die Eucharistie ganz wichtig. Und in der Eucharistie ist der Diakon sozusagen die Schnittstelle zwischen dem Volk und dem Priester. Der Diakon führt in der Liturgie bestimmte Aufgaben aus, die eben vorgesehen sind und die diese liturgische Prägung ausmachen. Das ist keine Ministranten-Tätigkeit. Aber diese Teilnahme am Dienst der Liturgie stärkt natürlich im Weiteren, um draußen in der Caritas tätig zu sein.
DOMRADIO.DE: Diakone engagieren sich caritativ zum Beispiel in der Obdachlosenhilfe, Wohnungslosenhilfe, Sterbebegleitung ... Wo wird da Ihr Schwerpunkt sein?
Wemmers: Ich werde erst mal den Dienst als Diakon in der Pfarrei, in der ich bis jetzt gewesen bin, annehmen: in St. Laurentius in Wuppertal bei meinem Mentor, dem Dechanten Dr. Bruno Kurth. Und da müssen sich natürlich die Aufgaben und ein Schwerpunkt herauskristallisieren und herausfiltern. Ich nehme es so an, wie es kommt.
Ich habe bestimmte Dinge, die mich besonders interessieren und wo mit Sicherheit auch Schwerpunkte sind. Zum einen haben wir die "Laurentius-Begegnung", eine vielfältige Begegnungsstätte mit Lotsenpunkt angeschlossen, wo ich auch beim Aufbau mitgewirkt habe. Zum anderen beobachte ich sehr genau, was mit einer Einrichtung eines Tages-Hospizes in Laurentius mit der Caritas geplant ist.
Ich bin der Hospizbewegung sehr stark verbunden und halte den Umgang mit einem würdigen Sterben für sehr, sehr wichtig. Auch das Thema Notfallseelsorge wird in Wuppertal für mich ein Thema sein. Und alles andere müssen wir einfach sehen, was dann so kommt und was ich auch leisten kann. Denn im Hauptberuf bewirtschafte ich natürlich auch meinen Betrieb.
DOMRADIO.DE: Die Ausbildung zum Diakon dauert berufsbegleitend sechs Jahre. Ist das nicht Zeit, die Ihnen woanders dann wahnsinnig fehlt hier mit dem ganzen Biohof?
Wemmers: Zum einen konnte ich das nur bewerkstelligen, weil meine Frau diesen Weg von Anfang an mit begleitet und getragen hat. Zum anderen muss ich wirklich sagen, dass es so eine Art Fügung gewesen ist. Denn die Terminfülle ist schon sehr groß und umfangreich. Es gab regelmäßig Studientage, immer freitagabends und samstags alle 14 Tage bis 17 Uhr plus einen Block im Herbst und einen Block im Frühjahr.
DOMRADIO.DE: Also das Wochenende, wo man eigentlich frei hat und mit der Familie was macht?
Wemmers: Für mich als Landwirt ist es ja so, dass Leben und Arbeiten hier fließend ineinander gehen. Ich habe noch nie auf den Feierabend hingelebt. Natürlich feiern wir auch gerne mal und freuen uns da auch drauf. Aber es ist eine Grundhaltung, das kann auch mit meiner benediktinischen Prägung zusammenhängen. Ich bin auch Benediktiner-Oblate und das "ora et labora", das Beten und Arbeiten, gehört für mich in die Grundstimmigkeit unseres Lebens mit rein. Und daraus lebe ich. Deswegen habe ich jetzt also keine freien Samstage vermisst.
Aber ich muss sagen, es hat sich zum allergrößten Teil gefügt, dass bei den Studieneinheiten hier im Betrieb sehr selten etwas "angebrannt" ist. Entweder war das Wetter schlecht und ich konnte mit gutem Gewissen fahren oder andere Dinge haben sich so ergeben, dass diese Freiräume gut möglich waren.
Aber natürlich bin auch ich zwischendurch auf dem Zahnfleisch gegangen. Wenn man dann so mit Mitte 40 noch mal ein Studium aufnimmt und Klausuren schreibt und mündliche Prüfungen über sich ergehen lässt und auch die eine oder andere neue Art des Umgangs noch mal erfährt, wenn man als kleiner Schuljunge noch mal auf der Bank sitzt ... fordert das einen schon mal heraus, aber das ist für mich durchaus alles stimmig gewesen.
DOMRADIO.DE: Das Mittragen der geistlichen Berufung durch die Ehefrau ist unentbehrliche Bedingung, lese ich in den Unterlagen, die gemeinsame katholische Konfession ist ebenfalls notwendig. Und neben Ihrer Frau Maria gibt es noch die drei Töchter Clara, Helena und Johanna. Was sagen die dazu?
Wemmers: Die tragen das mit Fassung (lacht). Nein, ich muss wirklich sagen, die unterstützen das auch mit. Wir leben hier ja ein entspannt-katholisches Verhältnis. Wir erwarten nicht, dass die Kinder hier alles so anzunehmen haben, wie der Vater das hier vorlebt. Aber als ich mal vor vielleicht anderthalb Jahren einen richtigen Durchhänger hatte und beim gemeinsamen Abendessen gesagt habe, dass ich die Brocken hinschmeiße. Da sagten alle Kinder gleichzeitig: Nee, das lässt du aber mal jetzt sein! Jetzt hast du schon so viel dafür getan.
Und das ist dann schön, wenn man so auch ermutigt wird. Ansonsten will ich das gar nicht überbewerten.
DOMRADIO.DE: Bevor Sie im vergangenen Jahr mit der so genannten Admissio unter die Weihekandidaten aufgenommen wurden, gab es ein öffentliches Schreiben: "Wer ernsthafte Bedenken gegen den Kandidaten oder Hinderungsgründe hat, die gegen den Empfang der heiligen Weihe sprechen, möge es dem Erzbischof oder dem Pfarrer dieser Gemeinde mitteilen. – Wie war das für Sie zu lesen?
Wemmers: Also normal ist das natürlich nicht. Das ist auch nicht nur in St. Michael und Paulus vorgelesen worden, wir gehen in Neviges zur Kirche. Da ist es auch verlesen worden. Auch in meiner Taufpfarrei St. Franziskus Hochdahl ist es verlesen worden. Ich weiß nicht, wo sonst noch überall. Ich halte das für gut und richtig.
Das ist zweimal verlesen worden, einmal vor der Admissio und es ist auch noch mal jetzt vor der Weihe proklamiert worden. Und Sie wissen ja, dass wir ernste Probleme haben im menschlichen Miteinander, in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft, aber gerade in der Kirche. Und deswegen halte ich das für ausgesprochen wichtig, dass es solche öffentlichen Proklamationen im Dunstkreis des Kandidaten gibt, um zumindest eine Sicherung geben zu können, dass es keine öffentlich bekannten Verfehlungen gegeben hat. Ich bin dem Ergebnis relativ gelassen entgegengetreten, obschon das natürlich eigenartig ist, wenn man so was über sich liest.
DOMRADIO.DE: Noch mal zu Ihrem Beruf als Landwirt – wenn man sieht wie fünf viel zu trockene Jahre oder noch mehr die Arbeit erschweren, Dinge verdorren, es gibt keinen Regen ... Kann der Glaube Hoffnung geben, wenn die Landwirtschaft den Bach runtergeht?
Wemmers: Ja, selbstverständlich. Als Christen leben wir aus der Hoffnung. Und ich praktiziere schon seit langer Zeit das Stundengebet. Es begegnen uns alle Abgründe und alle Sorgen und alle Nöte und alle Hoffnung und alle Freude der Menschen in den Psalmen, die eben auch Jesus gebetet hat. Der Glaube trägt mich natürlich. Die Trockenjahre haben in all ihrer Bedrohung schon starken Einfluss auf unser wirtschaftliches Tun.
Aber dieses Jahr zum Beispiel sind wir hier im Regen untergegangen und haben den größten Ernteausfall hier im Raum Neviges, auch ich in meinem eigenen Betrieb. Also der Ausfall ist größer, als ich mir das jemals hätte vorstellen können. Der liegt nämlich bei über 80 % Ertragsausfall in der Getreideernte, weil es hier vom 10. Juli bis zum 20. August nur geregnet hat und alle Qualitäten kaputt waren und der größte Teil des Getreides sogar auf dem Feld geblieben ist. Das treibt mich um. Da habe ich wochenlang schlaflose Nächte gehabt. Dann fällt das Beten auch nicht einfach.
Aber der Glaube trägt mich weiter. Und es ist auch ein Fakt, dass es immer irgendwie weitergeht. Also ich bin da ganz klar und tief vom Glauben getragen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.