Pilgerexpertin gibt Tipps für den pommerschen Jakobsweg

"Man wird mit wunderschöner Landschaft belohnt"

Der pommersche Jakobsweg führt von der litauischen Küste über Kaliningrad bis zur deutschen Grenze. Beate Steger erklärt, wo sich viele Reste deutscher Geschichte finden und ob sie derzeit den Weg durch Kaliningrad nehmen würde.

Symbolbild Pilgerin unterwegs auf dem Jakobsweg / © Daniel Mato (shutterstock)
Symbolbild Pilgerin unterwegs auf dem Jakobsweg / © Daniel Mato ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Der pommersche Jakobsweg führt entlang der Ostseeküste. Und der geht auch über Kaliningrad nach Polen. Kaliningrad ist eine russische Enklave. Ist es im Moment sinnvoll, da lang zu laufen mit Blick auf die Situation in Russland?

Beate Steger (Autorin und Pilgerexpertin): Ich würde es im Moment nicht machen. Man könnte bei diesem pommerschen Jakobsweg, der ist ja über 1000 Kilometer lang ist und geht eigentlich sogar in Kretinga in Litauen los, bis zur Grenze der russischen Enklave gehen. Da ist man sogar zum Teil direkt am Wasser.

In der russischen Enklave weiß man nie, was im Moment so passiert, was die Leute da vorhaben. Deswegen würde ich das nicht vorschlagen, sondern ab Braniewo starten. Das ist der östlichste Punkt im Norden Polens, wo man diesen Weg beginnen kann. Und da ist man dann am Frischen Haff unterwegs.

Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat
Beate Steger ist Pilgerexpertin und gibt auf DOMRADIO.DE regelmäßig Tipps zu Pilgern. / © privat

DOMRADIO.DE: Was ist denn das Faszinierende an diesem pommerschen Weg, der auch durch Danzig geht?

Steger: Es ist einmal ganz viel Begegnung mit alter deutscher Geschichte, weil da viele Deutsche früher gelebt haben, die Ostpreußen. Und in Pommern haben viele gelebt.

Ich mache ja auch immer wieder Vorträge über diesen Jakobsweg und da kommen auch gerade die älteren Menschen und sagen: "Meine Vorfahren kommen daher" oder "Ich bin da selber noch gewesen bis zu meinem fünften, sechsten Lebensjahr". Das heißt, es ist mal ganz viel Begegnung mit der Geschichte von Familien, aber es ist auch ein wunderschöner Weg von der Landschaft her.

Man kommt einfach immer wieder ans Wasser, an die Ostsee, aber auch durch wunderbare Landstriche. Kaschubei ist zum Beispiel so eine Ecke - die Kaschuben sind ein westslawisches Volk, das seine Traditionen auch immer noch sehr stark pflegt. Da war ich dann in Lębork, das hat früher mal Lauenburg geheißen. Die ganzen Orte haben auch immer noch als zweiten Namen einen deutschen Namen. Man wird da auch immer wieder mit wunderschöner Landschaft belohnt, durch die man schön pilgern kann.

DOMRADIO.DE: Zeugen von vergangenen Bewohnern sind ja häufig auch Grabsteine.

Steger: Da trifft man immer wieder drauf. Ich liebe es, Friedhöfe zu besuchen. Ich finde, das sind immer auch so Kraftorte, wie Kirchen eben auch. Da sieht man sehr viele Inschriften, weil da die Deutschen, bis sie 1945 vertrieben worden sind, lange Zeit gelebt haben. Die sind dann zum Teil auch so zerschlagen, da kann man manchmal nur noch einen halben Namen sehen.

Diese Friedhöfe sind sehr spannend und ich bin in einem Wald auf einen alten Friedhof gestoßen; da war dann eine Frau, die ungefähr Anfang 1915 gestorben ist. Die hatte den Namen "Wanderfee". Und dann habe ich gedacht: Das passt ja jetzt, wenn man da als Pilgerin unterwegs ist und dann auf so einen Grabstein trifft.

Beate Steger

"Es gibt natürlich auch Stellen, wo ich manchmal echt gedacht habe: Oje, ich bin auf Mallorca am Ballermann gelandet."

DOMRADIO.DE: Dieser Weg führt dann auch an der Ostseeküste entlang. Die Küste ist ja auch immer gerne Urlaubsort, wo dann auch der Tourismus ein bisschen lauter sein kann, oder?

Steger: Allerdings. Ich muss ehrlich sagen, da war ich etwas überrascht. Aber das war vielleicht auch naiv zu denken, dass die Ostseeküste in Polen menschenleer ist. Ich habe durchaus auch ganz leere Abschnitte gesehen. Da konnte man auch sehen, dass manche Menschen, die da unterwegs waren, wild gezeltet haben. So etwas ist ja bei uns am Mittelmeer oder so nicht mehr möglich.

Aber es gibt natürlich auch Stellen, wo ich manchmal echt gedacht habe: Oje, ich bin auf Mallorca am Ballermann gelandet. Da gibt es dann auch so Piratenschiffe, die da entlang fahren; mit Getöse Riesenräder und Karussells und ganz viele Sachen, die man kaufen kann. Also so ein richtiger Tand, der garantiert nicht aus Polen kommt, sondern wahrscheinlich aus China.

Beate Steger

"Vegetarier kommen auch durch, aber die haben es eher ein bisschen schwer, da was zu finden."

DOMRADIO.DE: Was man ja unterwegs auch immer tun muss, ist essen. Und wenn jetzt dieser Weg lange durch Polen geht, da denke ich an Rote Bete und Borschtsch und so etwas.

Steger: Ja, und Piroggen, die haben aber auch ihren Ursprung im Russischen. Das sind die polnischen Maultaschen, mit allerlei gefüllt. Die polnische Küche ist eine sehr deftige Küche. Vegetarier kommen auch durch, aber die haben es eher ein bisschen schwer, da was zu finden.

Und was die Polen auch ganz gut können, ist Bierbrauen. Am Ende unserer Pilgerreise - wir sind bis nach Słupsk gekommen, das ist früher im Deutschen Stolp gewesen -  gab es ein riesiges Bier, das waren bestimmt eineinhalb Liter. In so einer Art Trichter wurde das serviert und das haben wir uns dann am Schluss gegönnt, als wir fertig waren mit dem Pilgern.

DOMRADIO.DE: Der Schluss des Weges ist entweder in Swinemünde oder in Stettin. Und von beiden Stellen kann man dann auch noch weiter auf dem Jakobsweg bleiben, oder?

Steger: Das ist überhaupt kein Problem, denn das ist ja auch immer wichtig: Dass die Jakobswege, wenn die neu ausgewiesen werden, immer in Verbindung sind zu weiteren Wegen, denn wir wollen ja im Endeffekt bis nach Santiago de Compostela in Spanien kommen. Das heißt, wenn man nach Swinemünde läuft, dann geht es weiter auf der Via Baltica. Das ist der längste Weg, den wir in Deutschland haben. Die längste Ost-West-Verbindung über 700 Kilometer geht dann auch noch ein Stück weiter an der Ostseeküste und endet dann aber in Osnabrück.

Oder wenn man nach Stettin pilgert, das ist auch sehr schön, da geht man am Stettiner Haff entlang. Da kann man dann weitergehen auf der Via Imperii und geht dann eben Richtung Berlin. Und dann gibt es wieder zig Möglichkeiten, welche Jakobswege man weiternehmen kann.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Jakobsweg

Der Jakobsweg ist ein europaweites Netz von Straßen und Wegen. Seit dem neunten Jahrhundert führt er Pilger vom Baltikum über Polen, Deutschland, die Schweiz und schließlich Frankreich zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus ins spanische Santiago de Compostela. Im Mittelalter erstreckten sich die Tagesetappen meist von einem "heiligen Ort", an dem Reliquien verehrt wurden, zum nächsten.

 © Sonja Geus (DR)
© Sonja Geus ( DR )
Quelle:
DR