Der CDU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat sich zum Zustand der Ökumene, der Aktualität des "C" in der CDU, der AfD und dem Verhältnis zwischen Kirche und Politik und seinem persönlichen Glauben geäußert.
Im Gespräch mit dem christlich-konservativen Online-Portal "Corrigenda" stellte Gröhe eine Verbindung zwischen einer zunehmenden Beschäftigung der Kirche mit sich selbst und ihrer verringerten Wirksamkeit in öffentlichen Debatten her.
Ökumenische Haltung der Kirchen lässt laut Gröhe zu wünschen übrig
Es stärke diese Wirksamkeit nicht, "wenn etwa meine evangelische Kirche den strafrechtlichen Schutz des frühen ungeborenen Lebens in Frage stellt und damit eine Gemeinsamkeit mit der katholischen Kirche aufkündigt".
Andererseits spräche Gröhe zufolge die Nutzung des Begriffs der "Protestantisierung" in innerkatholischen Debatten als Schimpfwort ebenfalls nicht für eine ökumenische Einstellung.
Mit Blick auf die Union verwies Gröhe darauf, dass man von einer christlich geprägten Volkspartei dementsprechend auch nicht eine Eindeutigkeit erwarten könne, "die die Kirchen in den eigenen Reihen und miteinander nicht erreichen können".
Dennoch seien christliche Wähler für die CDU "selbstverständlich" von Bedeutung. Die Union mache als Volkspartei zwar "ein Angebot an alle Menschen in unserem Land, die unsere politischen Überzeugungen teilen".
Gröhe betont christliche Werte als bleibendes Fundament der CDU
Da diese aber wesentlich im christlichen Glauben wurzelten "und gerade Menschen, die sich zum christlichen Glauben bekennen, in starkem Maße die Union wählen, ist das für uns natürlich eine ganz wichtige Gruppe".
Zudem würde die Union "vielfach Gespräche mit den beiden großen Kirchen, vor Ort, auf Landes- und Bundesebene" führen.
Obwohl die CDU und die Kirchen immer noch viel verbinde, gebe es aber auch schwierige Gespräche, "etwa wenn es um die notwendige Begrenzung ungeregelter Zuwanderung geht".
Die Frage danach, ob das berühmte "C" in der CDU wackeln würde, verneint Gröhe: Das 'C' bleibt unser Fundament!" Zurückgehende Kirchenbindung nähme den christlich geprägten Werten der Partei nichts von ihrer Bedeutung.
Werte der CDU verbinden Gröhe zufolge unterschiedliche Religionen
Diese "christlich geprägten Werte" würden auch von Menschen anderer religiöser Überzeugung geteilt. Darüber hinaus treibe der christliche Glaube viele sogar persönlich Unionspolitiker an.
Gleichsam sei die CDU Gröhe zufolge als Volkspartei besonders um Kompromisse und Interessenausgleich zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Milieus bemüht.
Demnach könne die CDU auch nur Volkspartei bleiben, wenn sie Menschen nichtchristlicher Herkunft ein Angebot zur Mitarbeit mache. Häufig seien Juden und Muslimen in Reihen der CDU das Wertefundament der Partei wichtig, "etwa die Wertschätzung für die Familie".
"Die oft unterschätzten islamistischen Strömungen, deren schrecklicher Judenhass sich jetzt auf unseren Straßen zeigt, sollten wir mit der Kraft zur Unterscheidung bekämpfen und nicht Islam und Islamismus gleichsetzen. Unser Christsein gewinnt nicht durch die Herabsetzung Andersgläubiger an Glaubwürdigkeit!"
Die Wertschätzung, mit der Papst Franziskus, wie schon sein Vorgänger Papst Benedikt XVI., über den Islam spreche, sieht er dabei als vorbildlich an.
Gröhe nennt Rede von AfD als emigriertem CDU-Markenkern "Unsinn"
Zudem hätten Muslime unterschiedliche innen- und außenpolitische Überzeugungen, "nicht Wenige teilen eben unsere Wertschätzung für die Familie, wollen Sicherheit und Ordnung – und finden etwa die erfolgreiche Arbeit von NRW-Innenminister Herbert Reul sehr gut".
Manche fremdelten mit dem Nein der Union zur EU-Mitgliedschaft der Türkei, anderen forderten mehr klare Kante gegen undemokratische Entwicklungen in dem Land.
Bezüglich des Verhältnisses von Christentum und Freiheit betonte Gröhe, dass es keine Infragestellung der gleichen Menschenrechte aller Menschen im Namen des christlichen Glaubens geben könne. "Und das Kind der Freiheit ist eine plurale Gesellschaft, die wir nicht bejammern, sondern kraftvoll mitgestalten sollten!"
Die Behauptung, die AfD sei so etwas wie der ausgewanderte Markenkern der Union, wies Gröhe als "Unsinn" zurück.
"Wer so etwas sagt, sollte einmal nachlesen, wie klar sich Konrad Adenauer und Helmut Kohl gegen Nationalismus und Rassismus gewandt haben, wie sehr diese großen Staatsmänner die europäische Einigung vorangetrieben haben – auch weil sie die Lehren aus der deutschen Geschichte zogen."
CDU-Politiker Hermann Gröhe kann mit der "Ehe für alle" gut leben
Hinsichtlich der "Ehe für alle" erklärte Gröhe, dass er – obwohl er die Entscheidung mit der Mehrheit der Unions-Bundestagsfraktion abgelehnt hatte – "mit der heutigen Situation gut leben" könne und niemanden sähe, der diese ändern wollte.
"Wenn wir – unserem Kompass folgend – heute an der Seite der Familien stehen wollen, können wir das glaubwürdig nur tun, wenn wir der Vielfalt unterschiedlicher Vorstellungen von einem gelingenden Familienleben gerecht werden. Sonst lassen wir Menschen im Stich, die sich doch gerade die Verlässlichkeit von Ehe und Familie wünschen."
Mit seiner Frau sei Gröhe so über drei Jahrzehnte glücklich verheiratet, weil er sie liebe – "und nicht, weil ich etwas gegen andere Menschen habe, die etwa in einer gleichgeschlechtlichen Ehe leben".
Auf die Frage, ob er als Protestant in katholischem Wahlkreis mit katholischer Frau häufig Neckereien erlebe, entgegnete er: "Im Rheinland immer! Gerne betone ich dann: Mein Leben wird durch zwei ökumenische Erfolgsprojekte geprägt: unsere Ehe und die CDU."
Christliche Politik vereint Mitmenschlichkeit und Grenzbewusstsein
Schließlich kam Gröhe auch auf seinen persönlichen Glauben zu sprechen: "Ohne Gottvertrauen, auch in der politischen Arbeit, wäre mein Leben ärmer. Es tut mir gut, zu wissen, dass all mein Bemühen, aber auch Scheitern und Schuld, aufgehoben sind in der Gnade unseres Gottes."
Die Menschenfreundlichkeit Gottes könne nur glaubwürdig bezeugen, wer für eine menschlichere Welt arbeite. "Zugleich macht uns unsere Arbeit auch die eigenen Grenzen immer wieder schmerzhaft bewusst", unterstreicht Gröhe gleichsam.
"Da ist es gut, zu wissen, dass es in der Politik nur um 'vorletzte Dinge' im Sinne von Dietrich Bonhoeffer geht. Parteiprogramme sind wichtig, aber keine Bibel!"