DOMRADIO.DE: Zum ersten Mal ist am Wochenende in Essen das Nachfolgeprojekt des Synodalen Weges, der Synodale Ausschuss, zusammengekommen. Hat sich das Wochenende "gelohnt"?
Johannes Norpoth (Sprecher des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz und ZdK-Mitglied): (lacht) Wer Freund von Geschäftsordnungs- und Satzungsdebatten ist, ist auf seine Kosten gekommen. Das ist nun mal die Grundlage. Aber mir persönlich sind Inhalte lieber. Insofern war es ein notwendiges Übel.
Es war schön, viele Wegbegleiter, auch aus der bischöflichen Riege, wiederzusehen und persönlich zu sprechen. Aber die Thematik war natürlich eine trockene, nämlich das formale Fundament zu legen.
DOMRADIO.DE: Dabei waren Sie nicht als Betroffener sexualisierter Gewalt in der Kirche vor Ort, sondern als Einzelperson, die das ZdK entsandt hat. Das Gremium hat nach aktueller Planung keinen Platz für Missbrauchsopfer bereitgestellt. Wie stehen Sie dazu?
Norpoth: Das reiht sich am Ende des Tages in eine Wahrnehmung ein, die sich auch über den Synodalen Weg und die Synodalversammlungen manifestiert hat. Der Synodale Weg ist damals ebenfalls ohne stimmberechtigte betroffene Beteiligung gestartet.
Erst durch deutliches Insistieren des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz hat man sich entschlossen, acht Mitglieder aus dem Betroffenenbeirat als Gäste zur Synodalversammlung und in die Synodalforen zuzulassen.
Insofern ist es eine Fortsetzung der strukturellen Blindheit, so will ich es mal sagen, in der Zusammensetzung des Synodalen Ausschusses.
DOMRADIO.DE: Die erste Sitzung war nicht öffentlich. Das soll sich wohl in Zukunft ändern. Haben Sie sich als Betroffenenvertreter ernst genommen gefühlt?
Norpoth: Das ist im Kontext der Thematik und der Debatten, die da geführt wurden, schwierig herauszuarbeiten, weil es um die Satzung und die Geschäftsordnung ging. Natürlich werde ich als Person sehr deutlich eher in der Funktion als Sprecher des Betroffenenbeirats denn als entsandtes ZDK-Mitglied wahrgenommen.
Es gibt ein paar Punkte, insbesondere in der späteren Zusammensetzung von Kommission und Ausschüssen des Synodalen Ausschusses, wo ich noch einmal sehr deutlich gemacht habe, dass es einen strukturellen Mangel in der Zusammensetzung der Synodalen Ausschusses gibt. Das muss sich über die Zeit ändern.
Die Arbeit des Synodalen Ausschusses soll ja in der Gründung eines Synodalen Rates münden, auch wenn das in den Beratungen am Wochenende noch nicht Gegenstand der Beratungen war. Spätestens an dieser Stelle braucht es zwingend eine strukturelle Verankerung von Betroffenenbeteiligung im späteren Synodalen Rat.
DOMRADIO.DE: Braucht der Synodale Rat dann ein Entscheidungsgremium von Betroffenen oder Mitglieder, die vom Betroffenenbeirat entsandt werden? Was fordern Sie konkret?
Norpoth: Viele Wege führen nach Rom. Die Frage der Ausgestaltung ist der zweite Schritt. Die Verantwortlichen in unserer Kirche müssen zunächst den ersten Schritt machen und für sich festlegen, dass zukünftige strukturelle Rahmenbedingungen – auch was Synodalität grundsätzlich angeht – ohne die klare Beteiligung von Betroffenen nicht mehr geht.
Es ist nicht nur so, dass die Situation des Synodalen Ausschusses die Folge der Missbrauchskrise ist. Es geht nicht nur um den Ausgangspunkt, sondern es geht um die Realität dieser Kirche. Die Zukunft dieser Kirche ohne Betroffene zu diskutieren, funktioniert nicht. Man macht die Augen vor der Realität zu, die sich aus der Vergangenheit ergeben hat, aber auch vor der, die sich aus der Zukunft ergibt.
DOMRADIO.DE: Das Ganze basiert auf Papieren, die bei der letzten Synodalversammlung mit den großen Themen wie Frauenrechte oder Machtteilung verabschiedet wurden. Gibt es einen Punkt, der Ihnen als Betroffenenvertreter fehlt, bei dem dieses neue Gremium jetzt ansetzen muss?
Norpoth: Wenn man die MHG-Studie als Startpunkt der Analyse zur Frage der Ursachen der Missbrauchskrise in der katholischen Kirche nimmt und die weitergehende Verfeinerung der Ergebnisse oder die Fragen, die die MHG-Studie gestellt hat, daran ansetzt, dann sind das schon die Kernthemen, die die sexualisierte Gewalt und massenhaften Missbrauch möglich gemacht haben.
Das meint sowohl den Missbrauch selbst als auch diesen konsequenten Täterschutz und diese konsequente Forderung der Organisation, dass die Organisation nichts beschädigen darf, völlig egal, wie es den Opfern von Sexualstraftaten geht. Das ist sicherlich eine spezifisch katholische Situation.
Das sind die Dinge, die in der MHG-Studie und insbesondere in Studien aus Münster und Essen sehr fein herausgearbeitet worden sind. Es sind die wesentlichen Grundlagen der systematischen Aufarbeitung und der systematischen Verhinderung weiterer systemischer Fehler. Es ist ein doppeltes System-Problem.
Da gibt es natürlich noch viele Themen, die man aber an anderer Stelle diskutieren muss. Die Frage von Anerkennungsleistung, die Frage von struktureller Klarheit in der Aufarbeitung und all das, was uns in der gesamten Kirche bewegt.
Aber man muss auch klar als Betroffener erkennen, dass es Bereiche oder Orte gibt, wo diese Themen einzeln zu diskutieren sind. Auf dem Synodalen Weg und im Synodalen Ausschuss reden wir über die systemischen Ursachen von Missbrauch und die zukünftige Gestaltung der Kirche, die eine ohne Missbrauch sein muss. Aktuell ist sie noch eine mit Missbrauch.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.