DOMRADIO.DE: Was bedeutet diese Haushaltssperre für Unternehmen? Was hören Sie von den Mitgliedern in Ihrem Verband?
Dr. Matthias Nebeling (Vorsitzender Bund Katholischer Unternehmer / BKU): Ich sehe es unter zwei Aspekten. Wenn wir es erst mal als ein Innehalten verstehen, mit der doch sehr gravierenden und weitgehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes klarzukommen, hat das positive Aspekte. Insgesamt machen wir uns aber große Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und um die Einbindung der Industrie und den Industriestandort.
DOMRADIO.DE: Welche sehen Gefahr sehen Sie für die Unternehmen?
Nebeling: Wir erleben jetzt, dass zugesagte Investitionen, die dann auch in unternehmerisches Handeln und Planen einfließen, möglicherweise jetzt doch nicht fließen.
Ich will damit gar nicht sagen, dass der Staat in jedem Bereich immer die Investitionen übernehmen muss, im Gegenteil. Viel besser wäre es, wenn er sich zurückhalten würde und ein Investitionsklima schaffen würde.
Nur ich habe eben mit einem mittelständischen Unternehmer gesprochen, der umfangreich in Solarenergie investiert hat. Er macht sich Sorgen, ob er ein "Return of Investment" bekommt, weil eventuell die Strompreise stabil bleiben, ob es möglicherweise wieder einen Einstieg in Kernenergie gibt, ob es weiterhin Energiepreis-Förderungen durch den Staat gibt oder nicht. All das spielt eine Rolle, wenn man ein riesiges Dach mit Solarzellen versieht und nicht weiß, ob sich das wirklich rechnet oder ob man da in Idealismus investiert hat.
DOMRADIO.DE: Wie kann ein Unternehmer jetzt reagieren?
Nebeling: Im Moment kann er relativ wenig reagieren, weil er keine Gewissheit hat, wie sich die Energiepreise entwickeln und inwieweit der Staat noch in den Punkt der Klimaziele eingreift.
Es wäre in unseren Augen besser gewesen, wenn man ein Investitionsklima geschaffen hätte, bei dem man eine Sicherheit hat, in welche Bereiche man investieren kann. Damit könnte man auch bei allen Marktrisiken entscheiden und absehen, ob sich eine Investition lohnt. Oder ob sich Preisgefüge durch Subventionen verändern oder nicht. Beim Thema der Bildung wäre es eine Katastrophe, wenn man sie vernachlässigen würde und dort noch weniger investieren würde. Das ist eine Staatsaufgabe. Es entsteht der Eindruck, dass mehr, aber auch vor allem gezieltere Investitionen erforderlich wären.
DOMRADIO.DE: Was könnte denn jetzt diese Haushaltssperre und alles, was noch kommt, für ärmere Bevölkerungsschichten bedeuten?
Nebeling: Man muss die Frage stellen, wie der Staat jetzt die Löcher stopft. Man kann nicht darüber hinweggehen und sie ignorieren. Der Staat hat in meinen Augen aber eher ein Ausgabenproblem als ein Einnahmeproblem. Man muss staatliche Leistung auf den Prüfstand stellen, wie zum Beispiel das Bürgergeld. Das wird allenthalben diskutiert, weil es möglicherweise den einen oder die andere motiviert, ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu kündigen, weil es mehr Sozialleistungen gibt als Vergütung im Niedriglohnbereich.
Oder nehmen Sie die Investitionen, die jetzt von Familienministerin Paus geplant sind. Ich sehe im Moment nicht, dass dadurch wirklich mehr Bildung realisiert wird, sondern da wird an Eltern ausgezahlt. Grundsätzlich bin ich ein Freund der Freiheit, aber die Eltern können grundsätzlich völlig frei über die Verwendung des Geldes entscheiden. Es wäre sinnvoller, direkt in Bildung zu investieren und nicht pauschal den Eltern Geld zu geben.
Wenn der Staat sich zurücknimmt, wird das möglicherweise auch in Kreisen mit geringeren Einkommen Auswirkungen haben. Auf der anderen Seite haben wir einen Fachkräftemangel in Deutschland. Ich wohne in der Gegend, wo Spargel angebaut wird. Die Spargelbauern haben jedes Jahr Probleme. Die Winzer haben Probleme. Es ist ja nicht so, dass in Deutschland keine Beschäftigung vorhanden wäre.
DOMRADIO.DE: Ist denn diese Sperre Ihrer Meinung nach eine sinnvolle Notbremse? Oder ist das eine überflüssige Vollbremsung, die unsere Entwicklung eher ins Stottern bringt?
Nebeling: In meinen Augen ist es eher eine Kapitulation der Regierung, weil man aus meiner Sicht jetzt ganz große Probleme mit sehr unterschiedlichen fiskalischen Ansätzen hat. Auf der einen Seite steht die FDP, die die Schuldenbremse hochhält, was ich auch für absolut richtig halte an der Stelle. Und dann gibt es die beiden anderen Parteien, die eine Nachfinanzierung durch Steuererhöhungen suchen wollen. Und dass man da natürlich erst mal politisch entscheiden muss, ist klar. Wenn es ein kurzes Innehalten wäre, könnte ich es nachvollziehen. Insgesamt muss man aber die Fragen lösen. Die löst man aber nicht, indem man eine Haushaltssperre verhängt.
DOMRADIO.DE: Sie sind ein Verband katholischer, also christlicher Unternehmer. Was für eine Lösung halten Sie denn aus ethischer Sicht für sinnvoll?
Nebeling: Wir sind ja der katholischen Soziallehre verschrieben, die zwei Elemente enthält. Zum einen die Solidarität, das heißt, Staatsausgaben sind immer so zu gestalten, dass sie Menschen in Not hilft, dass sie die Solidargemeinschaft in Anspruch nimmt. Auf der anderen Seite steht die Subsidiarität: Zunächst muss jeder im Rahmen seiner Persönlichkeit, im Rahmen seiner Menschenwürde am Ende selbst dafür zu sorgen, dass er ein Auskommen hat.
Die anderen Elemente der Soziallehre will ich jetzt nicht alle wiedergeben, weil sie nicht so eine große Rolle spielen. Aber die Nachhaltigkeit ist an dieser Stelle auch ein wichtiger Aspekt. Wir müssen uns um die Themen der Veränderungen des Klimas, um die Energiewende und so weiter kümmern. Nur die Grundfrage bleibt immer: Wollen wir das unternehmerisch lösen, indem wir Unternehmer durch Steuererleichterungen und durch die Elemente, die der Staat hat, fördern? Oder wollen wir es durch Dirigismus, durch Verbote steuern?
Das Interview führte Heike Sicconi.