DOMRADIO.DE: Sie sind der neu gewählte Vorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer, BKU. Warum haben Sie denn diese Aufgabe übernommen? Was ist Ihre Motivation?
Dr. Martin Nebeling (Bundesvorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer, Rechtsanwalt): Ich bin seit vielen Jahren im Bereich des Arbeitsrechts tätig und damit regelmäßig mit dem Zielkonflikt zwischen Kapital- und Lohngerechtigkeit und ähnlichen Themen konfrontiert. In dem Zusammenhang hat mich die katholische Soziallehre immer sehr fasziniert und ich bin weiterhin sehr davon überzeugt, dass die Idee der katholischen Soziallehre und des katholischen Grundverständnisses richtig und wichtig ist - auch bei allen Problemen, die das katholisch Sein und die Kirche im Moment haben und die nicht weggeredet werden können - insofern können wir als BKU zusagen, bei diesen Themen wieder stärker mitwirken zu wollen, um neben den schon angesprochenen Skandalen ein positives Bild in die Öffentlichkeit zu transportieren.
DOMRADIO.DE: Der BKU steht unter anderem für eine werteorientierte Unternehmensführung. Wie kann das aussehen?
Nebeling: Da orientieren wir uns an den vier Kriterien der katholischen Soziallehre: Solidarität, Subsidiarität, Personalität und Gemeinwohl. Als BKU ergänzen wir noch die Nachhaltigkeit. Daran gilt es sich zu orientieren und nicht ausschließlich auf das Kriterium des Umsatzes zu blicken, wie der Papst es im Wesentlichen auch sagt.
Als Unternehmer sind wir über das Grundgesetz durch die Sozialbindung des Eigentums verpflichtet, für angemessene Arbeitsbedingungen zu sorgen, zum Beispiel angemessen zu entlohnen etc. Was das im Einzelnen heißt, ist eine Abwägungsfrage. Der Unternehmer steht nicht außerhalb jeder Verantwortung für seine Mitarbeitenden.
DOMRADIO.DE: Sie haben den Papst erwähnt. Der spart nicht mit Kritik an der Wirtschaft. Sein auf den Kapitalismus bezogener Satz "Diese Wirtschaft tötet" ist sehr populär geworden. Wie gehen Sie mit solcher Kritik um?
Nebeling: Da finde ich, passt das Kriterium der Gemeinwohlorientierung aus der katholischen Soziallehre sehr gut. Zunächst einmal finde ich es in Ordnung, dass der Papst in seiner exponierten Stellung sehr pointiert formuliert. Ich glaube, man muss ihn und diesen Satz mit seiner Sozialisation in Südamerika interpretieren.
Papst Johannes Paul II. hat in einer Predigt (Heiligjahrfeier der Arbeiter, 1. Mai 2000, Anm.d.Red.) mal den Satz "Wer nicht arbeitet, soll nicht essen" aus der Bibel zitiert (2 Thess 3,10, Anm.d.Red.). Insofern finde ich das in Ordnung, wenn Franziskus deutlich an die Verantwortung appelliert.
Unter dem Gesichtspunkt der Sozialbindung des Eigentums muss sich ein deutscher Unternehmer nicht wörtlich mit dem Satz "Die Wirtschaft tötet" befassen, sondern es ist übertragen zu verstehen. Natürlich kann man Probleme nicht wegdiskutieren, zum Beispiel mit der Umwelt. Da sind wir wieder beim Thema der Nachhaltigkeit.
Solche Probleme müssen meiner Ansicht nach aber unternehmerisch gelöst werden und zum Beispiel nicht durch planwirtschaftliche Ansätze. Ich verstehe Papst Franziskus auch nicht so, dass er dem Sozialismus oder dem Kommunismus das Wort reden wollte.
DOMRADIO.DE: Wie kann man diese Worte des Papstes konkret in unternehmerisches Handeln umsetzen?
Nebeling: Der Punkt ist, dass man die Worte hört und eben nicht so weiter macht wie bisher, sondern die Worte ernst nimmt. Das möchte ich schon. Als katholischer Unternehmer ist es selbstverständlich, sich regelmäßig Gedanken darüber zu machen, ob man den Kriterien der katholischen Soziallehre gerecht geworden ist.
Das ist nicht einfach. Allein die Abwägung zwischen Solidarität und Personalität ist ein sehr schwieriges Problem. Aus meiner Sicht macht man es sich zu einfach, wenn man verlangt, dass jede Forderung der Arbeitnehmenden erfüllt werden muss.
Die Verantwortung liegt auf beiden Seiten. Der Unternehmer muss dafür sorgen, dass Menschen angemessen und in Würde arbeiten können. Die Arbeitnehmenden müssen sich darüber klar sein, dass sie die Verantwortung haben, sich mit den ihnen gegebenen Ressourcen und Kompetenzen entsprechend einzubringen.
DOMRADIO.DE: Der BKU ist ein katholischer Verband. In Rom tagt in diesem Monat die Weltsynode. Was wünschen Sie als BKU der Synode?
Nebeling: Kurz gesagt, eine gute Hand! Ich finde die Leitung einer Weltkirche aus dem Papstamt heraus persönlich faszinierend. Die Kirche trifft weltweit auf unterschiedliche Lebenssituationen, seien es die sozialen Marktwirtschaften in vielen Ländern Europas oder die Situation der Menschen in China, wo die Kirche zum Glück präsent ist oder auch die Menschen repräsentiert, die weltweit in höchster Not leben. Daher wünsche ich der Weltsynode einen vernünftigen Ausgleich zu schaffen.
Andererseits denke ich an den Satz von Franz-Josef Strauß: "Konservativ sein heißt, an der Spitze des Fortschritts marschieren". Bei einer 2000-jährigen Kirchengeschichte ist es immer wieder nötig, Dinge neu zu verändern, neu zu überdenken. Insofern glaube ich, dass die Kirche des 21. Jahrhunderts eine andere ist als die des 16. Jahrhunderts. Es ist dringend notwendig, über einzelne Punkte immer wieder neu nachzudenken.
Was die Thematik des Missbrauchs angeht, sehe ich die gesellschaftliche Debatte manchmal ein bisschen unfair verengt. Ich glaube, bei dem Thema ist in der Vergangenheit insgesamt gesellschaftlich sehr viel falsch gelaufen. Im Moment wird das Problem so gut wie ausschließlich auf die Kirche projiziert. Mir wäre bei dem Thema eine gewisse Fairness, die nichts entschuldigt, aber die Dinge in den historischen Zusammenhang rückt wichtig.
DOMRADIO.DE: Die Kirche ist viel mit eigenen Problemen beschäftigt. Wie wollen Sie sich als BKU noch stärker in die gesellschaftlichen Debatten einbringen?
Nebeling: Auch wenn wir eine Meinung zu den kirchlichen Problemen haben, bleiben wir ein Unternehmerverband und konzentrieren uns insofern weiterhin stark auf das Unternehmerische. Da muss man sich mal anschauen, ob es notwendig ist, die Zahl der Mitglieder zu erhöhen, um als BKU wieder kräftiger zu werden. Allerdings ist Quantität an sich kein Kriterium.
Ich glaube, dass die Kommunikation verbessert werden muss. Das gilt für das Arbeitgeberlager insgesamt. Ich habe oft das Gefühl, dass das Bild des Unternehmers in der Öffentlichkeit schief liegt. Auf der Bundesversammlung wurde als Beispiel der Tatort genannt, also der Krimi am Sonntagabend. Der Bösewicht ist oft der Unternehmer.
Deswegen werbe ich dafür, den Menschen Wirtschaft zu erklären. Wenn die vielen Zusammenhänge verstanden werden, relativiert sich dieses Bild vom bösen Unternehmer sehr schnell. Ich möchte gar nicht in Abrede stellen, dass es auch schwarze Schafe gibt, aber ich kenne viele Familienunternehmen, mittelständische und weltweit tätige Unternehmen, die tolle Ideen voranbringen.
Wir erleben dafür immer wieder Beispiele. Denken Sie nicht zuletzt an Corona: Eine unternehmerische Idee, medizinisch untermauert, die die Probleme der Menschheit löst, oder auch künstliche Intelligenz. Das sind Dinge, die durch Kreativität und den Willen aus dem Unternehmertum vorangebracht wurden und die Menschheit insgesamt deutlich voranbringen können.
Das Interview führte Mathias Peter.