Misereor hofft auf Kohleausstieg nach Weltklimakonferenz

"Die Chancen stehen recht gut"

Eine Teilnehmerin der aktuellen UN-Weltklimakonferenz ist Madeleine Wörner. Die Referentin für Energiepolitik bei Misereor sieht eine gute Ausgangslage für einen Ausstieg aus den fossilen Energien und drängt auf baldige Umsetzung.

Unterhaltung vor einem Logo des UN-Klimagipfels COP28 / © Rafiq Maqbool/AP (dpa)
Unterhaltung vor einem Logo des UN-Klimagipfels COP28 / © Rafiq Maqbool/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie stehen für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern weltweit. Keine Kohle mehr, kein Gas. Ist das realistisch? 

Madeleine Wörner (Referentin für Energiepolitik beim bischöflichen Hilfswerk Misereor): Die Klimakonferenzen auf der COP entscheiden sich ja meist innerhalb von zwei Wochen, haben aber auch einen langen Vorlauf gehabt. 

Madeleine Wörter, Referentin für Energiepolitik bei Misereor

"Wenn man diese Konferenz mit der letzten vergleicht, dann stehen die Chancen recht gut, dass es zu einem Ausstieg aus den Energieträgern Kohle, Gas und Öl kommen kann."

Es ist schon häufiger vorgekommen, dass es auf Klimakonferenzen Wendepunkte gab, zum Beispiel auf der letzten Konferenz mit dem Lock and danish Fonds (Fonds für Klima-Ausgleichszahlungen, Anm. d. Red.). 

Wenn man diese Konferenz mit der letzten vergleicht, dann stehen die Chancen recht gut, dass es zu einem Ausstieg aus den Energieträgern Kohle, Gas und Öl kommen kann. Zum einen, weil wir hier den Global Stocktake behandeln. Das ist die globale Bestandsaufnahme, an dem sich messen lassen werden muss, ob diese Konferenz erfolgreich ist oder nicht. 

Das bedeutet, dass geschaut wird, wie erfolgreich war die Klimakonferenz in der Vergangenheit; wie wurde Klimaschutz seit Paris umgesetzt und was bedeutet das für die Zukunft. 

Und da ist natürlich ein Element, was in der Zukunft passieren muss: Auf jeden Fall der Ausstieg aus den fossilen Energien, die ja Hauptteil der Treibhausgasemissionen sind, die zur Klimawende beitragen. Auf der anderen Seite haben die erneuerbaren Energien schon einen Tipping Point (Kipppunkt, Anm. d. Red.) erreicht. Und auch die großen Weltwirtschaften haben ihren Tipping Point erreicht. 

Ausstieg aus fossilen Brennstoffen / © I. Noyan Yilmaz (shutterstock)
Ausstieg aus fossilen Brennstoffen / © I. Noyan Yilmaz ( shutterstock )

Also die Ausgangsposition ist ganz gut und jetzt braucht es einfach den Willen der entscheidenden Nationen, sich dafür in einer COP-Entscheidung einzusetzen. 

DOMRADIO.DE: Gäbe es ein Etappenziel, wo Sie sagen würden, es gibt vielleicht keinen Beschluss weltweit aus der fossilen Energie auszusteigen, aber den Versuch, den Verbrauch zu reduzieren. Wo würden Sie sagen: Das ist ein Kompromiss, wo ich mitgehe? 

Madeleine Wörter

"Die Forschung ist sich einig, dass wir an einem Ausstieg nicht vorbeikommen, um diesen Planeten lebenswert zu erhalten."

Wörner: Ja, es ist ganz klar, dass es in irgendeiner Art und Weise ein relativer Kompromiss sein soll, so nenne ich das mal. Dass es eine Unterscheidung geben muss zwischen den unterschiedlichen Staaten innerhalb der Daten, wann ausgestiegen werden muss und innerhalb der Art und Weise, wie aus fossilen Energieträgern auszusteigen ist. 

Die Forschung ist sich einig, dass wir an einem Ausstieg nicht vorbeikommen, um diesen Planeten lebenswert zu erhalten. Die Frage ist nur, wie wir das machen und ob wir auf dieser Konferenz zu einer Entscheidung kommen. Unterscheidungen gibt es da in der Rolle der Einbindung von Zivilgesellschaft, der Technologie, den Ausstiegsdaten. 

DOMRADIO.DE: Das 1,5 Grad Ziel aus dem Pariser Klimaschutzabkommen wird möglicherweise nicht haltbar sein, sagen viele Experten. Das Ziel wurde vor acht Jahren beschlossen. Erklären Sie es uns in einfachen Worten: Was machen 0,5 Grad Erderwärmung aus? 

Madeleine Wörter

"Bei 1,5 Grad mehr werden ganz viele Kipppunkte der Ökosysteme erreicht."

Wörner: Es gibt verschiedene Szenarien, die von der Forschung vorgestellt werden, auf denen sich die Welt begeben kann, die dann unterschiedliche Konsequenzen haben. Ganz klar ist erst mal eine Aussage, dass jedes Zehntelgrad einen Unterschied macht. 

Man kann beispielsweise ausmachen, dass bei 1,5 Grad 70 Prozent der Korallen sterben, bei zwei Grad, also 0,5 Grad mehr, wären es 100 Prozent der Korallen. Es gibt auch eine 100 Prozent höhere Hochwassergefahr bei 1,5 Grad und 170 Prozent höhere Hochwassergefahr bei zwei Grad mehr. 

Korallen am Great Barrier Reef in Gefahr / © Aims (dpa)
Korallen am Great Barrier Reef in Gefahr / © Aims ( dpa )

Das ist schon mal ein krasser Unterschied und was noch mal wichtig ist, zu verstehen: 1,5 Grad ist kein Limit, das sich die Politik gesetzt hat, sondern eines, das von der Forschung gesetzt wird. Da werden nämlich ganz viele Kipppunkte der Ökosysteme erreicht. Mit einer 1,5 Grad wärmeren Welt sieht unser Planet nicht mehr so aus, wie er jetzt aussieht. 

Also, wir steuern mit einem "Overshoot" (einem Überschuss, Anm. d. Red.) auf eine radikal andere, vermutlich auch herausfordernde Welt zu. Deshalb ist jeder Klimaschutz und jedes Zehntelgrad runter mit der Temperaturerwärmung auf jeden Fall eine Investition in eine bessere Zukunft. 

Wörner: Frau Wörner, zum Abschluss noch die Frage nach Papst Franziskus, der ja eigentlich als sehr prominenter Vertreter der katholischen Kirche bei der Weltklimakonferenz mit dabei gewesen wäre. Aus gesundheitlichen Gründen kann er nun nicht fliegen. Was fehlt der Konferenz jetzt ohne den Papst?

Madeleine Wörter

"Papst Franziskus spricht sich ganz klar gegen Klimaleugnung aus."

 Wörner: Ja, Papst Franziskus hatte ja in seinem Apostolischen Schreiben "Laudate Deum" sozusagen den "Klimanotstand" für die katholische Kirche ausgerufen und gesagt, dass jetzt auf jeden Fall ganz dringend gehandelt werden muss. 

Er spricht sich ganz klar gegen Klimaleugnung aus, auch in der katholischen Kirche, und adressiert auch eher Staaten, die häufig blockieren, besonders den Ausstieg der Fossilen, so wie die USA, China, Indien, Russland, aber auch das Gastgeberland, dass sie sich vom Klimaschutz bewegen lassen. 

Und auf dieser Klimakonferenz war das Ziel des Papstes auf jeden Fall, sich für den Ausstieg aus allen fossilen Energien einzusetzen. Dass er nun fehlt, ist sehr, sehr schade, weil so eine starke Stimme für einen Ausstieg der fossilen Energie leider auf dieser Konferenz nicht zu Wort kommt. 

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Weltklimakonferenz COP28 in Dubai

Vor Beginn der Weltklimakonferenz in Dubai hat sich der Konferenz-Vorsitzender Sultan al-Dschaber zuversichtlich gezeigt. "Ich muss vorsichtig optimistisch sein", sagte er in einem Interview der britischen Zeitung "The Guardian" (Mittwoch). Aber er denke, dass die Voraussetzungen dafür da seien, ein "nie da gewesenes Ergebnis, auf das wir alle hoffen", zu liefern.

Forderung nach 1,5 Grad Klimaziel bei einer Demonstration am Rande der UN-Weltklimakonferenz COP27 / © Christophe Gateau (dpa)
Forderung nach 1,5 Grad Klimaziel bei einer Demonstration am Rande der UN-Weltklimakonferenz COP27 / © Christophe Gateau ( dpa )
Quelle:
DR