DOMRADIO.DE: Ab dem ersten Adventssonntag 2013 wurde das neue Gebets- und Gesangbuch "Gotteslob" in den Bistümern eingeführt. Allgemein gefragt: Ist das Gotteslob nach zehn Jahren Ihrer Meinung nach bei den Gemeinden so richtig angekommen?
Pamela König (Seelsorgebereichskirchenmusikerin in der Seelsorgeeinheit Düsseldorfer Rheinbogen): Es ist sehr gut adaptiert worden, das würde ich schon sagen, wobei es natürlich auch ein Kind seiner Zeit ist. Das muss man einfach so sehen.
Es hat zehn Jahre gedauert, um es auf den Markt zu bringen und jetzt sind zehn Jahre vorbei. Da entwickelt sich alles weiter; die Lieder entwickeln sich weiter, die Musikstile entwickeln sich weiter. Dieser Weiterentwicklung kann man natürlich nicht immer nur mit dem Gotteslob gerecht werden.
DOMRADIO.DE: Bei dem Gotteslob von 1975 war das Buch da, aber die Begleitpublikation nicht sofort. Das war 2013 anders. Wie war damals der Start? War der für Sie geglückt?
König: Der war sehr geglückt, da es diese Begleitpublikation gab, die wir auch dann für jede Chorsparte, also etwa für den dreistimmigen Frauenchor, den Kinderchor und gemischten Chor angeschafft haben. Das sind Modulsätze, die man mit jedem Chor einstudieren kann und dann klingt alles zusammen.
Die Modulsätze sind aber natürlich, wenn viele Stimmen zusammenpassen müssen, auch harmonisch in ein Korsett gezwängt, sodass da auch nur bedingt etwas möglich ist. Es ist aber trotzdem sehr schön und bereichert die Liturgie natürlich unheimlich.
DOMRADIO.DE: In dem Gotteslob waren natürlich auch neue Lieder drin und es gab viele Aktionen, damit die neuen Lieder bekannt gemacht werden. Haben Sie den Eindruck, dass die Gemeinde heute tatsächlich andere Lieder singt als noch vor zehn Jahren?
König: In unserer Gemeinde ist das so, weil wir das auch sehr stark pushen und auch noch mit einem Zweitbuch arbeiten, das Lieder beinhaltet, die mehr der Sprache unserer Zeit sprechen. Die sogenannten Neuen Geistlichen Lieder (NGL), die im Gotteslob einen Platz gefunden haben, sind natürlich auch damals schon "alte" Lieder gewesen, die sich gut tradiert haben und deswegen war es auch gut, dass sie im Gotteslob Platz gefunden haben.
Es gibt natürlich heute auch schon wieder andere, die es wert wären, in so einem Buch festgehalten zu werden. Das wäre schön, aber es ist natürlich aufgrund dessen, dass ein Buch einfach festlegt, nicht möglich.
DOMRADIO.DE: Welche Neuen Geistlichen Lieder vermissen Sie denn?
König: "So ist Versöhnung". Es gibt eine Fülle von Liedern, die man mit reinnehmen könnte. Es ist aber immer auch ein textliches Problem und ein theologisches Problem. Wo sortiert man sie ein? Das war damals schon das Problem. Das wäre es heute wahrscheinlich auch.
DOMRADIO.DE: Es gab Zeiten, da war das Neue Geistliche Lied bei manchen Gläubigen regelrecht verhasst oder fast eine Glaubensfrage. Mein Eindruck ist, das wird heute viel entspannter gesehen. Liegt das auch am Gotteslob von 2013?
König: Das glaube ich schon. Gerade die Generation, von der man denkt, sie würde das ablehnen, nämlich die ältere Generation, die hat das besonders lieb gewonnen. Bei uns in der Gemeinde haben wir immer an Weihnachten einen Gottesdienst mit NGL-Liedern. Wenn man sich das Publikum da anguckt, dann sind das durchaus 75-Jährige, die da sitzen.
Das sind Kinder ihrer Zeit, die diese Lieder auch singen wollen. Es gibt da, glaube ich, kein Alter, wo man sagen kann, die Generation mag das nicht. Es gibt immer die Lieder in der Zeit, in der die Leute groß geworden sind. Und die etablieren sie bis zum Ende ihres Lebens.
DOMRADIO.DE: Es gibt das "klassische" Neue Geistliche Lied, es gibt Taizé-Gesänge und es gibt etwas, was man, glaube ich, im neuen Gotteslob nicht so richtig findet. Das sind sogenannte Lobpreislieder. Warum findet man die so wenig im Gotteslob?
König: Wir hatten damals eine große Diskussion darüber. Ich glaube, es war seinerzeit einfach noch nicht klar. Die Welle schwappte gerade zu uns herüber, obwohl es "worship" (oder Anbetung) natürlich bei uns auch schon seit längerer Zeit gibt.
Man war aber sehr skeptisch den Texten gegenüber, weil sie auch eine gewisse Theologie präsentieren, die wir vielleicht nicht so unterstützen wollen oder die auch wieder alte Bilder hervorbringt, die in unserer katholischen Theologie nicht so zu Hause sind.
Man war da sehr vorsichtig, vielleicht auch zu Recht. Ich hätte mir gewünscht, das eine oder andere Lied mit rein zu nehmen. Das war aber tatsächlich damals auch der kirchenpolitischen Situation geschuldet, dass das nicht möglich war oder wir da auch keinen großen Fokus dann darauf gerichtet haben.
DOMRADIO.DE: Jetzt arbeiten Sie schon bereits seit zehn Jahren mit dem Buch. Was sind die größten Stärken und die größten Schwächen des Buches?
König: Die größten Stärken sind diese neuen Lieder, die es gibt. Das sind nicht nur NGL, sondern auch viele Taizé-Gesänge, die sich wunderbar einsetzen lassen im Gottesdienst, nicht nur in Eucharistiefeiern, sondern eben auch in Evensongs (Abendgebeten) oder auch anderen Formen von Gottesdiensten. Wir haben eine Fülle von neuen Liedern auch drin, die keine NGL sind, die auch wirklich gut adaptiert werden.
Eine Schwäche liegt in dem Bereich der Lieder, die tatsächlich in jedem Gottesdienst gebraucht werden. Ich denke da an "Credo" oder "Gloria". Da ist doch relativ wenig Auswahl, wenn man das mal zehn Jahre lang immer singt. Da hätte ich mir gewünscht, dass man da etwas mehr Auswahl hätte, gerade im "Credo"-Bereich.
Da wäre zum Beispiel auch schön gewesen, wenn man von Herrn Pytlik noch das "Ich glaube an den Vater" reingebracht hätte, was wirklich von vielen Gemeinden adaptiert wird. "Möge die Straße uns zusammenführen" ist ja auch sehr bekannt und ein immer wieder gewünschtes Lied.
DOMRADIO.DE: Das Buch ist nun schon zehn Jahre alt. Davor wurde bereits zehn Jahre an dem Buch gearbeitet. Was wären denn Ihre größten Wünsche für die Zukunft des Gotteslobes?
König: Wenn wir noch mal ein neues Gotteslob machen würden, würde ich mir wünschen, dass es digital wäre, damit man das wirklich zusammenstellen kann, dass man immer up to date ist.
Ich glaube auch, dass die Zukunft das irgendwann bringen wird, sei es über Beamer oder über portable Geräte, die man dann einfach statt eines Gotteslobs in die Hand nimmt, dass man aus allen Genres Lieder einspeisen kann. Das wäre natürlich ein Traum!
Das Interview führte Mathias Peter.