Britische Studie sieht Priesterberuf durch KI bedroht

Braucht der Zelebrant eine Seele?

Könnten Geistliche bald durch Computermodelle ersetzt werden? Was noch vor wenigen Jahren nach Utopie klang, könnte bald Realität werden, zumindest nach einer neuen Studie aus England. Was kann Künstliche Intelligenz und was nicht?

Autor/in:
Renardo Schlegelmilch
Symbolbild Mensch und Künstliche Intelligenz / © Summit Art Creations (shutterstock)
Symbolbild Mensch und Künstliche Intelligenz / © Summit Art Creations ( shutterstock )

Seit gut einem Jahr redet die Welt über ChatGPT. Was Experten und IT-Fachleuten schon länger klar ist, ist nun auch in der Bevölkerung angekommen: Künstliche Intelligenz wird unsere Gesellschaft revolutionieren. Schnell haben Schüler und Studierende angefangen, Hausarbeiten und Bewerbungen mit Programmen für Künstliche Intelligenz aufzupeppen. Nun stellt sich aber für viele die nächste Frage: Was bedeutet Künstliche Intelligenz für den Arbeitsmarkt? Welche Berufe könnten in Zukunft durch Computerprogramme ersetzt werden? 

Das britische Bildungsministerium hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben, die diese Woche vorgestellt wurde, wie der "Telegraph" berichtet.

Priester bedrohter als Handwerker

365 Arbeitsbereiche wurden für die Studie untersucht. Die klassischen Aufgaben und Qualifikationen verschiedenster Branchen und Berufe wurden mit den Fähigkeiten von sogenannten "Large Language Models" verglichen. Das sind Programme wie ChatGPT, die aufgrund einer unvorstellbar großen Datenbasis Antworten auf so gut wie alle möglichen Fragen des Nutzers liefern. 

Der Priesterberuf hat es dabei zwar nicht in die Top 10 geschafft, aber landet immerhin auf Platz 12 der Berufe, die am ehesten durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden könnten. Ganz oben auf der Liste stehen Verkaufsberufe, entweder am Telefon, oder klassisch in Person. Das geringste Risiko durch Chatbots wird für Berufe gesehen, die lange erlernte handwerkliche Fähigkeiten bedürfen, also Dachdecker, Maurer – aber auch Profisportler. 

Was kann die KI übernehmen?

Aber warum tauchen Priester – oder wie es in der ursprünglichen Fragestellung der nicht-konfessionellen Studie heißt: Priester und Vikare – so weit oben in der Liste auf? Ein Sprachroboter kann doch niemals sakramentale Handlungen wie Taufe oder Kommunionspendung übernehmen? 

Das Problem liege nicht in einer realen Bedrohung durch Künstliche Intelligenz ersetzt zu werden, sondern in der Wahrnehmung des Priesters in der Öffentlichkeit, sagt der Franziskanerbruder und Autor Alban McCoy dem britischen Magazin "The Tablet". 

John McManus

 "Den Menschen kann man nicht programmieren, er hat eine Seele."

Der Priester werde nämlich oft nur noch als Prediger wahrgenommen – und eine Predigt schreiben könne auch der Computer. "Das ist eine ziemlich verkürzte, post-reformatorische Wahrnehmung des Priestertums. Vollkommen ausgelassen wird dabei die sakramentale Rolle des Priesters. Damit meine ich nicht nur die Sakramentenspendung, sondern auch, dass Priester in gewissem Sinne selbst eine Art Sakrament sind. In diesem Sinn sind wir das alle als getaufte Christen. Der eine mehr, der andere weniger, aber diese Dimension ist real." 

Wie wichtig ist die Seele?

Der Pressesprecher der britischen Jesuiten, John McManus stellt den Aspekt der persönlichen Begegnung heraus, der von künstlicher Intelligenz nie kopiert werden könne. "KI ist programmiert. Den Menschen kann man nicht programmieren, er hat eine Seele und das spielt eine ganz wichtige Rolle. Die Empathie und Spiritualität einer menschlichen Begegnung kann ein Computer niemals ersetzen." 

Deshalb, so die Schlussfolgerung, müsse die Rolle des Priesters in Zeiten der Künstlichen Intelligenz eher wichtiger als unwichtiger werden. "Das Hinhören, die menschliche Zusprache wird in Zukunft zu einem Luxusgut werden."

Gibt es auch Chancen?

Einen etwas anderen Herangang an das Thema hat die Ethikerin und Technik-Expertin Anna Puzio. In ihrem Buch "Alexa, wie hältst du’s mit der Religion?" hat sie sich mit den Implikationen der modernen Technik für das religiöse Leben auseinandergesetzt. Für sie müssen Glaube und KI überhaupt keine Gegensätze sein, erklärte sie bereits im September im DOMRADIO.DE-Interview

Sie plädiert dafür, die neuen Möglichkeiten, die die Technik der Kirche liefert, auszutesten – ohne Berührungsängste. "Es geht hier nicht darum, zwischenmenschliche Beziehungen zu ersetzen, sondern Technik dafür zu nutzen, was sie besonders gut kann."

Anna Puzio

"Es geht hier nicht darum, zwischenmenschliche Beziehungen zu ersetzen."

Künstliche Intelligenz in die katholische Hierarchie einzubinden liege fernab des Möglichen, so die Expertin. Sie könne eher dafür genutzt werden, den Gottesdienst inklusiver zu gestalten, indem Untertitel oder Spracherklärungen für Menschen mit Behinderung automatisch generiert werden. 

Dass der Priester durch den Computer ersetzt wird, darum gehe es keineswegs, so Puzio. "Ich würde immer den Blick auf die Gestaltung in den Vordergrund rücken und schauen, für welche Zwecke sollten wir KI einsetzen? Wie sollten wir KI-Entwicklungen ethisch verantwortungsvoll begleiten? Und dann auf die Chancen fokussieren."

Was ist Künstliche Intelligenz?

Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) wurde vor mehr als 60 Jahren geprägt durch den US-Informatiker John McCarthy. Er stellte einen Antrag für ein Forschungsprojekt zu Maschinen, die Schach spielten, mathematische Probleme lösten und selbstständig lernten. Im Sommer 1956 stellte er seine Erkenntnisse anderen Wissenschaftlern vor. Der britische Mathematiker Alan Turing hatte sechs Jahre zuvor bereits den "Turing Test" entwickelt, der bestimmen kann, ob das Gegenüber ein Mensch ist oder eine Maschine, die sich als Mensch ausgibt.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser ( shutterstock )
Quelle:
DR