Die Girlanden sind verschwunden, die Lichterketten abgebaut. Der Platz vor der Geburtskirche von Bethlehem wirkt in diesen Vorweihnachtstagen öde und leer. Auf Anordnung von Bürgermeister Hanna Hanania gibt es weder Weihnachtsbaum noch Krippe, weder festliche Musik noch bunte Dekorationen, auf denen sich Krippe und Heilige Familie mitunter kulturübergreifend mit Rentieren und Schlitten vermischten.
Wegen des Krieges trauere Bethlehem wie die übrigen Palästinenserstädte und könne diesmal nicht feiern, entschied der Stadt-Obere.
Israel hat Westjordanland abgeriegelt
Die Kirchenführer schlossen sich bedingt an: Natürlich werden die Christen in Gottesdiensten an die Geburt Christi vor 2.000 Jahren erinnern, aber ohne prunkvolle Feiern, ohne laute Trommlerchöre, stattdessen ruhig und konzentriert auf den geistigen Gehalt der Weihnachtsbotschaft. Und mit Gebeten für den Frieden im Heiligen Land.
Seit 7. Oktober hat Israel das Westjordanland komplett abgeriegelt und die Übergänge weitgehend geschlossen. Zugleich kommen infolge der weltweiten Reisewarnungen praktisch keine Touristen und Pilger ins Land.
Wirtschaft bricht ein
Mit katastrophalen Folgen gerade für Bethlehem: Zum einen haben die vielen palästinensischen Pendler, die täglich zur Arbeit und gutem Verdienst nach Jerusalem fuhren, keine Einreisegenehmigung mehr und sind arbeits- und einkommenslos. Zum anderen ist der Tourismus komplett eingebrochen, von dem die Wirtschaft der 30.000-Einwohner-Stadt zu 60 bis 70 Prozent abhängt.
Dieser Einbruch ist in der Geburtsstadt Jesu unübersehbar. Bethlehem sei zu einer "Geisterstadt" geworden, sagt eine Stadtangestellte.
Rund um die Basilika sind fast alle Geschäfte geschlossen, in denen Pilger und Besucher sonst lokale Holzschnitzarbeiten, Krippenfiguren oder Ikonen, billige Souvenirs und originelle Reproduktionen kauften.
Die Handwerker und Händler bleiben auf ihren Waren sitzen.
Gastronomie geschlossen
Sämtliche Hotels sind geschlossen, sagte Hotelmanagerin Eliona vom zentralen Casa-Nova-Haus der Franziskaner. Aber falls Gäste sich anmelden, könnte sie sofort öffnen. Zudem seien 70 Prozent der Restaurants zu, denn wer könne sich angesichts der angespannten Einkommenslage ein teures Abendessen leisten. Mancher Restaurantbesitzer lasse nur öffnen, um Hoffnung und Zuversicht zu demonstrieren.
Reges Leben herrscht dagegen im Suk einige Hundert Meter weiter, auch wenn die Leute nach Auskunft von Händlern weniger kaufen als vorher und mehr sparen.
In der Geburtskirche, zusammen mit der Jerusalemer Grabeskirche die heiligste Stätte der Christenheit, herrscht in diesen Tagen gähnende Leere. Nur zwei Polizisten wachen im Eingangsbereich, im armenischen wie im orthodoxen Bereich befüllen Mönche die Öllampen. Zur Grotte unter dem Hauptaltar, wo vor 2.000 Jahren die Krippe Jesu gestanden haben soll, ist an diesem Vormittag noch kein Besucher herabgestiegen, bestätigt der diensttuende Franziskaner.
Normalerweise warten die Besucher bis zu einer Stunde, bevor sie an dem 14-zackigen Silberstern stehen, der den Ort der Krippe markiert.
Krieg bringt Christen enger zusammen
Allerdings hat der Krieg die Christen von Bethlehem wieder enger zusammengebracht. Und er habe sie beten gelehrt. "Unsere einzige Waffe ist der Glaube, ist das Gebet", sagt die Christin Eliona. Die Gottesdienste in der zum Basiliken-Komplex gehörenden katholischen Katharinenkirche waren an den letzten Sonntagen überfüllt. Drei Messen seien nacheinander gefeiert worden, berichtet Vize-Pfarrer George Haddad.
Der junge Franziskaner, der neben seiner Seelsorgeaufgabe auch Direktor der Terra-Santa-Schule mit 1.200 Schülern und Schülerinnen ist, hat die große Weihnachtsfeier abgesagt. In der Halle stehen zwar ein Weihnachtsbaum und eine Krippe, aber ohne Lichter - "als Zeichen der Solidarität mit unserem leidenden Volk". Für die jungen Schüler habe es dann trotzdem kleine Süßigkeiten gegeben, um ihnen eine Freude zu machen.
Mit ihrer Schule leisteten die Franziskaner einen wichtigen Beitrag, um den Christen im Heiligen Land und vor allem in Jesu Geburtsstadt eine Zukunft zu geben. Denn deren Zahl sinke ständig, auf inzwischen knapp 30 Prozent, so der Direktor. Die Schule solle die Kinder und Jugendlichen zu menschlichen Werten erziehen, sie wolle ein Ambiente schaffen, in dem Menschen bei aller Unterschiedlichkeit zusammenleben und einander akzeptieren.
60 Prozent seiner Schüler sind Christen, 40 Prozent Muslime. Bei aller Trauer sieht Haddad in dem Verzicht auf äußere Festlichkeiten eine Chance, sich auf den Kern der Weihnachtsbotschaft zu konzentrieren: auf die Geburt des Friedensfürsten, der Liebe, Barmherzigkeit und Hoffnung in die Welt gebracht hat. Und schließlich sei ja auch Jesus unter äußerst schwierigen Umständen geboren.