Kardinal Marx kritisiert Fanatismus und Extremismus

"Wir haben die Macht des Irrationalen unterschätzt"

Kardinal Reinhard Marx hat einen Missbrauch der Religion für ideologische Zwecke beklagt. Im Blick darauf übte der Münchner Erzbischof scharfe Kritik am orthodoxen Moskauer Patriarchen Kyrill und an islamischen Würdenträgern.

Reinhard Kardinal Marx / © Julia Steinbrecht (KNA)
Reinhard Kardinal Marx / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Dass der Patriarch von Moskau den Krieg Russlands massiv unterstützt, ist ein Hohn", sagte der Erzbischof von München und Freising dem Magazin "Focus". "Dabei sollten alle Religionen ihrem Wesen nach doch Instrumente des Friedens sein. Wie kann jemand rufen: Gott ist groß! Und dann Menschen ermorden?"

Kardinal Marx kritisiert islamische Geistliche

Scharf wandte sich Marx gegen die Haltung islamischer Geistlicher und Würdenträger zum Terror der Hamas. Er könne "keinen Dialog mit Vertretern einer Religion führen, die den Massenmord der Hamas rechtfertigen". 

Der Kardinal erinnerte an das "historische Treffen" des Papstes mit dem Großscheich der Kairoer Al-Azhar-Universität im Februar 2019. Beide Seiten, so Marx, hätten sich damals dazu verpflichtet, sich für eine friedliche Welt einzusetzen. Man habe sich auch klar gegen Gewalt und Terrorismus gewandt. "Und jetzt behauptet dieser Großimam, die Hamas führe einen Befreiungskrieg."

Marx kritisierte auch die Geistlichen im Iran, die sich zum Ziel bekennten, Israel zu vernichten. "Das sind nicht einzelne Fanatiker. Das ist die Riege derer, die an der Spitze eines Staates Verantwortung tragen." Wenn eine Religion Gruppen wie die Hamas unterstütze, werde sie ein Teil des Problems. "Da kann ich nur sagen: Stoppt diese Religion!" 

Die Welt sei polarisiert

Der Kardinal sagte, er hätte sich nicht vorstellen können, dass der Krieg mit solcher Macht zurückkommen würde. Die Welt sei wieder polarisiert, ja zerrissen. "Wir haben die Macht des Irrationalen unterschätzt. Und dennoch besteht die Hoffnung, dass die meisten Menschen vernünftig genug sind, um zu sehen, dass ein Krieg keine Probleme löst. Er schafft immer nur neue."

Marx forderte eine Reform und Stärkung der UNO. "Ohne die Vereinten Nationen funktioniert es nicht. Mit ihnen allerdings offensichtlich auch nicht." Dass ein Mitglied des Sicherheitsrates, Russland, einen Angriffskrieg führe, sei absurd.

Israel muss Zukunfts-Konzept entwickeln 

Der Kardinal betonte, Verteidigungskriege seien legitim. "Will sich ein Land nach außen und nach innen schützen, braucht es Waffen." Es müsse aber möglich sein, dass sich die verfeindeten Parteien nach einem Krieg wieder begegneten. Der Feind sei immer auch ein Mensch.

Marx sieht Israel gefordert, klare Vorstellungen für ein Zusammenleben mit den Palästinensern zu entwickeln. "Das Land befindet sich in einem Existenzkampf. Es ist umzingelt von Feinden, die es vernichten wollen", sagte der Münchner Erzbischof dem Magazin "Focus". Und doch muss Israel irgendwann die Frage beantworten: Was soll am Ende sein? Wie soll eine Zukunft auch der Palästinenser aussehen?"

Zugleich zeigte sich der Kardinal entsetzt über die Unterstützung und den Applaus, den die Hamas seit dem Massaker des 7. Oktober erfahren habe. "Israel wegen seiner Siedlungspolitik zu kritisieren, ist ja legitim", sagte Marx. "Aber die möglichen Fehler einer Regierung als Begründung für einen Massenmord an Juden und die Vernichtung des Landes zu nutzen, ist infam und außerhalb jeder Akzeptanz."

Christen in der Pflicht

Auch Christen müssten gegen jede Form von Fanatismus und Extremismus vorgehen, sagte der Erzbischof. "Der Begriff Religion kann sehr missverständlich sein." Die revolutionäre Botschaft des Christentums laute, dass Gott ein Kind und Bruder aller Menschen werde und damit alle Menschen Brüder und Schwestern seien.

"Wir können und dürfen nicht alles so aufrechnen, dass neuer Hass gesät wird. Wenn wir nach dem Krieg ein neues Miteinander ermöglichen wollen, dann müssen wir auch bereit sein, zu vergessen und eventuell auch zu vergeben, um einen neuen Anfang zu ermöglichen."

Erzbistum München und Freising

Das Erzbistum München und Freising ist mit rund 1,45 Millionen Katholiken (Stand: Juni 2024) das größte unter den sieben bayerischen Bistümern und eine der bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 12.000 Quadratkilometern vorwiegend auf Oberbayern und ging hervor aus dem Hochstift Freising, das der heilige Bonifatius 739 errichtete. Nach der Säkularisation 1821 wurde der Bischofssitz nach München verlegt und die Erhebung zum Erzbistum verfügt.

Türme des Liebfrauendoms in München / © FooTToo (shutterstock)
Türme des Liebfrauendoms in München / © FooTToo ( shutterstock )
Quelle:
KNA