Kulturkampf um den Weihnachtsbaum

Fromm und lichterheilig

Gehört der Weihnachtsbaum zur deutschen Leitkultur? Führende Unionspolitiker behaupten das. Doch die Sache ist etwas komplizierter: ein Blick in die Geschichte verrät, dass der Baum keineswegs zum Fest dazu gehören muss.

Autor/in:
Christoph Arens
Ein Paar kauft einen Weihnachtsbaum / © Kzenon (shutterstock)
Ein Paar kauft einen Weihnachtsbaum / © Kzenon ( shutterstock )

Er ist ein Symbol für Leben, Hoffnung, Treue und Beständigkeit. Der Weihnachtsbaum ist Thema in deutschen Liedern und Gedichten. "Und manche Tanne ahnt, wie balde/ Sie fromm und lichterheilig wird", dichtete Rainer Maria Rilke. Alle Jahre wieder werden in Deutschland mehr als 30 Millionen Weihnachtsbäume aufgestellt. Für viele Bundesbürger ist ein Christfest ohne geschmückte Tanne zwar möglich, aber sinnlos.

Aufregerthema Baum 

Doch in diesem Dezember hat der Weihnachtsbaum eine neue Qualität bekommen. Er ist Teil eines Kulturkampfs um vermeintlich deutsche Identität. Drehte sich der Konflikt in den vergangenen Jahren eher um – entchristlichte – Weihnachtsfeiern von Kindergärten, den kommerzialisierten Coca-Cola-Weihnachtsmann oder den Begriff X-mas, ist diesmal der Baum das Aufregerthema.

Friedrich Merz / © Michael Kappeler (dpa)
Friedrich Merz / © Michael Kappeler ( dpa )

"Wenn wir von Leitkultur sprechen, von unserer Art zu leben, dann gehört für mich dazu, vor Weihnachten einen Weihnachtsbaum zu kaufen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Donnerstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Es ist die Art von christlich-abendländisch geprägter kultureller Identität, die sich über Generationen überträgt, von der unsere Kinder geprägt sind, und die sie dann so oder so ähnlich selbst weitertragen."

"Absurd"

Das wuchtige Plädoyer mag bei Merz auch etwas mit Wählerbindung zu tun haben: Denn der im westfälischen Brilon geborene Oppositionsführer ist Abgeordneter des Hochsauerlandkreises. Und das Sauerland ist mit rund 12.500 Hektar Anbaufläche die Hochburg der deutschen Weihnachtsbaumproduktion.

Markus Söder spricht vor dem ZdK (KNA)
Markus Söder spricht vor dem ZdK / ( KNA )

Aber auch Markus Söder hat den Weihnachtsbaum als Teil der deutschen DNA entdeckt: Anfang Dezember kommentierte der CSU-Chef auf X eine – offenbar falsche – Meldung, nach der ein Hamburger Kindergarten den Weihnachtsbaum abgeschafft habe. Der bayerische Landesvater, der seine Adventsgrüße per Video mit mehr oder weniger geschmackvollen Weihnachts-Pullovern mit nicht-christlichen Symbolen verbreitete, empörte sich: "Das ist absurd. Haben wir denn keine anderen Probleme? Zu Weihnachten gehört ein Weihnachtsbaum."

Fußball statt Engel

Auch Dortmund hatte sein Weihnachtsbaum-Gate: Die Schausteller des dortigen Weihnachtsmarktes wollten den traditionellen Engel auf der Spitze des "größten Weihnachtsbaums der Welt" gegen eine goldene Kugel austauschen. Vor allem in den Sozialen Medien machte die Dortmunder Bevölkerung daraufhin ihrem Ärger Luft. Sie wollten die überlebensgroße Engelsfigur nicht gegen eine Kugel tauschen, in der viele einen Fußball erkannten. 

"Man kann auch mit Fußball übertreiben. Weihnachten ist Weihnachten und da gehören Engel dazu", so ein User auf Instagram. Pünktlich zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes fand sich das christliche Symbol wieder an der Spitze des Baumes.

Hochsensibles Thema 

Das alles zeigt, dass das Thema derzeit hoch sensibel ist. Doch ein Blick in die Geschichte des Weihnachtsfests verrät, dass der Baum keineswegs zum Fest dazu gehören muss. Schließlich waren es die protestantischen Reformatoren des 16. Jahrhunderts, insbesondere die Puritaner in England und den USA, die Weihnachten zeitweise als das "abergläubischste" aller Feste verboten und auch dem "heidnischen Brauchtum" der Weihnachtsbäume den Kampf ansagten.

Weihnachtsbaum auf dem Kölner Weihnachtsmarkt / © Kite_rin
Weihnachtsbaum auf dem Kölner Weihnachtsmarkt / © Kite_rin

Das deutsche Bürgertum des 18. und 19. Jahrhunderts allerdings fand wachsenden Gefallen an der Tanne. Gab es Weihnachtsbäume zunächst vor allem in Adelshäusern, wurden sie nun immer häufiger auch in bürgerlichen Haushalten Tradition. Weihnachtsbäume galten dabei als protestantisches Erkennungsmerkmal, die Krippen als katholisches.

Psychologische Kriegsführung 

Ausgerechnet der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 sorgte dann dafür, dass sich fast alle Deutschen zu Weihnachten um einen Tannenbaum versammeln. So ließ die Heeresführung in Quartieren und Lazaretten Weihnachtsbäume aufstellen und Geschenke verteilen, um die Soldaten von der Realität des brutalen Kriegs abzulenken. 

Was die Kriegspropagandisten als Instrument psychologischer Kriegsführung nutzten, entwickelte sich bald zur verbreiteten Sitte. Gegen die auch die Nationalsozialisten nicht ankamen. Ihr Versuch, den Weihnachtsbaum in einen "artgerechten deutschen Lichterbaum" oder eine germanische Jultanne umzudeuten, schlug weithin fehl.

Weihnachten

Weihnachten ist das Fest der Geburt Jesu Christi. Wann genau vor etwa 2.000 Jahren Jesus geboren wurde, ist nicht bekannt. Die Feier des 25. Dezember als Geburtsfest Jesu ist erstmals für das Jahr 336 in Rom bezeugt.

Weihnachten heißt so viel wie heilige, geweihte Nächte. Die Geburt Jesu bedeutet nach christlichem Verständnis die Menschwerdung Gottes; in Jesus hat sich Gott den Menschen mitgeteilt, sich in ihre Geschichte hinein begeben, sich ihrer erbarmt und ihnen Heil geschenkt. Deshalb gilt Weihnachten als Fest der Liebe.

Weihnachtsbaum / © Bernd Weissbrod (dpa)
Weihnachtsbaum / © Bernd Weissbrod ( dpa )
Quelle:
KNA