Weshalb Joe Biden nicht auf katholische Wähler setzen kann

Beziehungsstatus: kompliziert

US-Präsident Joe Biden ist katholisch. Im anstehenden Wahlkampf kann er auf die Unterstützung der Katholiken aber keinesfalls zählen. Warum ist das Verhältnis so kompliziert? 2024 sind auch die US-Katholiken gespaltener denn je.

Autor/in:
Renardo Schlegelmilch
Joe Biden vor der katholischen Kirche Holy Trinity in Washington. / © Manuel Balce Ceneta (dpa)
Joe Biden vor der katholischen Kirche Holy Trinity in Washington. / © Manuel Balce Ceneta ( dpa )

2024 wird Amerika im Zeichen des Wahlkampfes stehen. Diesen Montag finden in Iowa als erstem Bundesstaat die sogenannten "Primaries", die Vorwahlen statt, bei denen sowohl Republikaner als auch Demoraten über ihre potentiellen Präsidentschaftskandidaten abstimmen. In allen 50 Bundesstaaten spielt sich dieses Prozedere ab. In den kommenden elf Monaten wird sich das ganze Land die Frage stellen, wer als nächstes im Oval Office sitzen wird. Im Moment sieht es so aus, als ob es zu einer Wiederholung der Aufstellung von 2020 kommen wird: Biden gegen Trump. Eine große Rolle werden dabei die katholischen Wähler spielen. Der katholische Präsident Biden kann auf deren Unterstützung aber alles andere als zählen.

Joe Biden / © Susan Walsh (dpa)
Joe Biden / © Susan Walsh ( dpa )

Eigentlich müssten sie überglücklich sein, die katholischen Wähler in den USA. Knapp 200 Jahre galt es als unvorstellbar, dass ein Katholik im Weißen Haus sitzt. Mit Joe Biden ist das aber seit drei Jahren schon zum zweiten Mal der Fall – nach John F. Kennedy. 

Die Beziehung zwischen den Katholiken und der US-Politik war schon immer kompliziert. Mit Argwohn wurden die katholischen Gläubigen lange betrachtet, da sie, so die Binsenweisheit, nicht der Verfassung und den freiheitlichen Werten der USA treu seien, sondern dem Papst, ihrem Religionsoberhaupt in Rom. Als John F. Kennedy 1961 als erster Katholik ins Weiße Haus zog, musste er noch hoch und heilig versprechen, dass das bei ihm nicht so wäre. 

"Pro Choice" oder "Pro Life"?

Joe Biden musste das nicht mehr. Dafür wirft die Präsidentschaft des zweiten Katholiken im Oval Office ganz andere Konflikte auf, an die in den 1960ern noch kaum jemand gedacht hat. Wie so oft in der US-Politik geht es um das Reizthema Abtreibungen. Eigentlich sind die USA für ein liberales Abtreibungsrecht bekannt, das aber die vergangenen Jahre durch den konservativen obersten Gerichtshof (auch mehrheitlich mit Katholiken besetzt) mehr und mehr beschnitten wurde. 

March for Life in Washington / © Gregory A. Shemitz/CNS photo (KNA)
March for Life in Washington / © Gregory A. Shemitz/CNS photo ( KNA )

Biden ist auf Linie seiner Demokraten und setzt sich für "Pro Choice", ein liberales Abtreibungsrecht ein, obwohl er auch betont als Katholik im Blick auf den Lebensschutz dieses Thema anders zu bewerten. Der Politiker, der auch jahrzehntelang als Abgeordneter im US-Kongress saß, hat das früher allerdings noch deutlicher betont als heute. In den 1970ern hat er noch gegen eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes gestimmt. 

Konflikt mit der Bischofskonferenz

Heute führt seine politische "Pro Choice"-Haltung zu einem großen Konflikt mit der katholischen Amtskirche in Amerika. Auch wenn sich die US-Bischofskonferenz (US-Conference of Catholic Bishops, USCCB) vor der letzten Wahl nicht explizit gegen Biden ausgesprochen hat, betonen ihre Dokumente wie wichtig es ist, Politiker zu unterstützen, die sich gegen Abtreibungen, also "Pro Life", positionieren. 

Joe Biden und Papst Franziskus / © Romano Siciliani (KNA)
Joe Biden und Papst Franziskus / © Romano Siciliani ( KNA )

Besonders deutlich wurde das nach der Wahl von Biden. Im Januar 2021 war es zunächst Papst Franziskus, der den neuen katholischen Präsidenten zu seiner Wahl beglückwünscht hat. Erst hinterher kam der Brief von der USCCB, der statt Glückwünschen eine Mahnung an den neuen katholischen Präsidenten enthielt, sich doch bitte an das katholische Wertekonstrukt zu halten.

Noch größere Schlagzeilen machte die Bischofskonferenz im November 2021 als sie bei ihrer Vollversammlung offen darüber debattierte, ob "Pro Choice"-Politikern wie Biden der Empfang der Kommunion untersagt werden kann. Am Ende verfehlte das Dokument der Bischöfe eine Mehrheit, aber das Signal in Richtung Weißem Haus war klar gesetzt. 

Was denken die Wähler?

Spielt die Religiosität und Katholizität ihres Präsidenten denn für die katholischen Wähler eine Rolle? Biden nimmt seinen Glauben ernst, geht regelmäßig in die Kirche und hat auch den Wahlkampf 2020 mit katholisch-geprägten Zitaten gespickt. Man kann also nicht sagen, dass er seine Religionszugehörigkeit unterm Tisch halten würde, sagt der Autor und politische Analyst Michael Sean Winters gegenüber DOMRADIO.DE: "Ich denke die meisten Katholiken realisieren gar nicht, wie gläubig ihr Präsident wirklich ist. Ich bekomme regelmäßig die Emails aus dem Weißen Haus mit dem Tageskalender des Präsidenten: Biden lässt nie einen hohen katholischen Feiertag aus." 

Michael Sean Winters

"Die meisten Katholiken realisieren gar nicht, wie gläubig ihr Präsident wirklich ist."

Große Probleme mit Biden haben also nicht die normalen Sonntagskatholiken, so Winters, sondern eine kleine Gruppe von lautstarken erzkonservativen am rechten Rand: "Biden ist 'Pro Choice' und geht trotzdem regelmäßig zur Heiligen Messe. Dieser Konflikt führt bei einigen Katholiken zu regelrechtem Hass gegenüber ihrem Präsidenten."

Werden solche Streitigkeiten mit den Bischöfen oder Konservativen im Wahlkampf eine Rolle spielen? Für Michael Sean Winters eher zweifelhaft. "Die Aussagen der USCCB interessieren ganz präzise niemanden."

Wie stehen die Wähler zu Abtreibungen?

Die Religiosität des Präsidenten ist der Mehrheit der katholischen Wähler also egal. Aber wie sieht es in der Abtreibungsfrage aus? Anders als man vielleicht vermuten würde, sind die Katholiken hier keineswegs auf Linie der Bischofskonferenz. Das zeigt eine Umfrage des "Pew Research Center" aus dem Jahr 2022. Demnach sprechen sich nur 10% der US-Katholiken für ein komplettes Abtreibungsverbot ohne Ausnahmen aus. 76% sind für klare Regeln, die aber auch Ausnahmen zulassen, zum Beispiel bei Gefährdung der Mutter oder Vergewaltigung. Damit sind die Katholiken in den Vereinigten Staaten laut Pew ähnlich aufgestellt wie die Gesamtbevölkerung. 

Michael Sean Winters

"Die Aussagen der USCCB interessieren ganz präzise niemanden."

Von einem monolithischen katholischen Wählerblock kann also auch beim Gewissensthema Abtreibung keine Rede sein, bilanziert Sean Michael Winters: "Im Gegensatz zu früheren Wahlkämpfen kann man die katholischen Wähler nicht mehr über einen Kamm scheren. Den katholischen Block gibt es nicht mehr.“ Das merke man zum Beispiel auch bei den Latinos, so Winters. Im umkämpften Bundesstaat Florida leben viele wohlhabendere Familien, die aus Kuba geflohen sind und tendenziell eher republikanisch wählen. Im Südwesten des Landes (Kalifornien, Arizona, Nevada) gäbe es mehr Latinos aus Mexiko und Zentralamerika, die finanziell schlechter aufgestellt sind und eher in Richtung der Demokraten tendieren.

KIrche in den USA (Symbolbild) / © Julia Steinbrecht (KNA)
KIrche in den USA (Symbolbild) / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die US-Katholiken sind gespaltener denn je. Trotzdem, so Winters, spiele die katholische Wählerschaft auch 2024 eine große Rolle, da sie vor allem in den sogenannten "Battleground States" überproportional vertreten sei. "Dazu gehören Michigan, Pennsylvania oder Arizona. Dort befinden sich die Katholiken politisch oftmals in der Mitte und könnten in beide Richtungen bewegt werden. "Die Katholiken sind inzwischen relativ gleichmäßig aufgespalten zwischen Demokraten und Republikanern."

Das Buch der Bücher bei der Amtseinführung der US-Präsidenten

Nirgends steht geschrieben, dass ein US-Präsident seinen Amtseid auf die Bibel ablegen muss - aber die meisten haben es getan. Manchmal wählte der Amtsinhaber bewusst eine Textstelle aus; manchmal wurde das "Buch der Bücher" zufällig aufgeschlagen. Gelegentlich, wie beim ersten Katholiken im Amt John F. Kennedy 1963, blieb die Heilige Schrift geschlossen.

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Bibel und US-Flagge / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bibel und US-Flagge / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR