Schlagermusiker thematisiert Glauben in seiner Musik

"Suche nach Spiritualität"

Ingo Grabowsky alias Dr. Schlager beschäftigt sich praktisch und theoretisch mit Schlagermusik. Im Interview spricht der Leiter des Landesmuseums Kloster Dalheim über den Glauben und die Tiefe in der vermeintlich leichten Musik.

Dr. Schlager und die Marilyn Boadu Band / © Arne Schambeck (privat)
Dr. Schlager und die Marilyn Boadu Band / © Arne Schambeck ( privat )

DOMRADIO.DE: Wenn man an spirituelle Lieder denkt, hat man Kirchenlieder oder christliche Popsongs auf dem Schirm. Da haben Schlager eigentlich gar nichts mit zu tun, oder?

Ingo Grabowsky (alias Dr. Schlager): Das stimmt. Also diese Christ-Popsongs hat die Frankfurter Allgemeine auch mal als neue Art der Christenverfolgung benannt. Die sind, wie soll ich sagen, sehr direkt und damit auch häufig ein bisschen platt.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt denn die Spiritualität in Ihren Texten? Sie machen ja auch selber Musik.

Grabowsky: Da gibt es eine mittelbare und eine unmittelbare Rolle. Wir haben eine Band, bestehend aus Axel Reimann am Schlagzeug, Dietmar Puckler an der Gitarre und Keyboarder Nils Jantoß. Letzterer singt in einem Chor in einer Gemeinde, wo er auch die Sängerin Marilyn Boadu aufgetan hat. Das ist wie bei Aretha Franklin oder Whitney Houston – die Entdeckung im Kirchenchor. 

Ingo Grabowsky

"Gott spricht mit uns, wir müssen nur richtig zuhören."

Das ist die mittelbare Art von Spiritualität, denn viele erlernen sie in ihrer musikalischen Bildung beim Singen in der Kirche. 

Und dann gibt es auch eine unmittelbare Suche nach Spiritualität. Wir haben ein Lied, das heißt "Die Stimme". Auf die Idee, das zu schreiben, bin ich gekommen, als der Pfarrer in unserer Heimatgemeinde, Bruder Martin von den Dortmunder Franziskanern, mal über einen Wort des Journalisten Tom Buhrow predigte. 

Der sagte seinerzeit sinngemäß es gäbe viele Leute, die meinen, Gott spräche nicht mit uns. Er glaube das aber nicht. Er meinte: Gott spricht schon mit uns, wir müssen nur richtig zuhören. Und darum geht es in diesem Lied über die Stimme.

DOMRADIO.DE: Ein Auszug aus dem Lied "Die Stimme" lautet:

Wenn selbst du mich nicht zum Lachen bringst, 
wenn dein Stern an mir vorüber scheint. 
Wenn kein Bier mehr wie früher schmeckt, 
wenn die Seele nicht mal mehr weint. 
Dann warte ich auf die Stimme. 
Ich warte auf den Trost in der Nacht. 
Auf die Flamme warte ich, die mich wärmt, 
auf ein Wort, das mich fröhlich macht.

DOMRADIO.DE: Hat das tatsächlich etwas für Sie mit dem Glauben zu tun?

Grabowsky: Ich finde es ein bisschen schwierig, wenn man Wörter oder Namen wie Jesus oder Gott in Popsongs oder in Schlagern verwendet. Das erscheint mir ein bisschen missbräuchlich. 

Im übertragenen Sinn hat mir meine Mutter früher immer den Mund mit Seife ausgewaschen, wenn ich "Oh Gott" oder ähnliches gesagt habe, weil sie der Meinung war, das gehe aufgrund des zweiten Gebots nicht. Deshalb suche ich eine verschlüsselte Art, um von dieser Sehnsucht nach dem größeren Ganzen zu singen.

Ingo Grabowsky

"Die Urmutter des religiösen Schlagers: das Lied 'Danke für diesen guten Morgen'."

DOMRADIO.DE: Jetzt beschäftigen Sie sich ja auch theoretisch mit Schlagermusik. Haben Sie festgestellt, dass es doch mehr spirituelle Andeutungen in Schlagern gibt als man meint?

Grabowsky: Ja, das gibt es ganz viel. Es gibt die Urmutter des religiösen Schlagers: das Lied "Danke für diesen guten Morgen" damals gesungen vom Botho Lucas-Chor. Das ist als Schlager geschrieben worden und findet sich heute in evangelischen und katholischen Gesangbüchern. Da gibt es viele Anleihen an den Glauben. 

Es gibt aber auch direkte Bezüge. Bruce Low sang in den 1970er Jahren relativ erfolgreich, muss man sagen. Er kam auf höhere Chartplätze mit "Noah" oder "Das Kartenspiel". Daran können sich wahrscheinlich noch die Eltern erinnern. Es ist beinahe auch ein Evergreen geworden. 

Bei Udo Jürgens gibt es einen Schlager, der heißt "Ich glaube"; Peter Maffay singt ein Lied, das sich direkt an den lieben Gott richtet. Bei Udo Lindenberg haben wir das auch. Das gibt es wirklich sehr viel häufiger, als man denkt. Bis heute.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie mit der Marilyn Boadu Band unterwegs sind, kommen die Leute hinterher und  wollen dazu etwas wissen?

Grabowsky: Das kommt hin und wieder sicherlich vor. Meistens freuen sich die Leute am schönen Zusammenklang von Text und Musik. Aber ich glaube schon, dass der eine oder andere auch ein bisschen was für sich mitnimmt.

DOMRADIO.DE: "Fünzig" heißt Ihr neues Album, mit dem Sie jetzt unterwegs sind. Wo kann man Sie das nächste Mal live erleben?

Grabowsky: Das nächste Mal live spielen wir in Dortmund, da machen wir ein Benefizkonzert für die KJG in der Bonifatiusgemeinde in Dortmund am 24. Februar. Dort sammeln wir Geld für die Jugendarbeit. Und einen großen Auftritt haben wir am 22. Juni 2024 beim Festival "Dalheimer Sommer". Da werde ich Texte lesen zur Geschichte des Schlagers. Und dazu gibt es dann einen bunten Reigen von Schlagern mehrerer Jahrzehnte.

DOMRADIO.DE: Warum heist Ihr Album "Fünfzig"?

Grabowsky: Der grobe Aufhänger war, dass ich vor zwei Jahren 50 geworden bin und ich dann den entsprechenden Song geschrieben habe. Aber das Ganze soll so ein bisschen eine sentimentale Zeitreise sein in die 1970er Jahre, wo die Musik noch handgemacht war, wo die Texte noch den Anspruch hatten, was auszusagen oder zumindest zum Nachdenken anzuregen. Und deswegen haben wir diesen etwas, ja melancholisch symbolischen Titel, gewählt.

Das Interview führte Heike Sicconi. 

Quelle:
DR