Die Kirchensteuereinnahmen der Evangelischen Kirche im Rheinland sind im vergangenen Jahr unerwartet stark um sieben Prozent auf 707 Millionen Euro gesunken. Für dieses Jahr wird mit einem Rückgang um weitere zwei Prozent gerechnet, wie Finanzchef Henning Boecker am Donnerstag vor der rheinischen Landessynode in Düsseldorf mitteilte.
Zu den weiteren Synodenthemen am vorletzten Tag der Jahrestagung gehörte sexualisierte Gewalt. Eine Woche vor Veröffentlichung der sogenannten ForuM-Studie zu Missbrauch in der evangelischen Kirche bat der leitende Theologe der rheinischen Kirche, Präses Thorsten Latzel, Betroffene um Entschuldigung.
Kipppunkt bei Kirchensteuer-Entwicklung
Finanzchef Boecker sieht bei der Kirchensteuer-Entwicklung den Kipppunkt erreicht: Nach jahrelangem Wachstum werde es bestenfalls noch eine "Seitwärtsbewegung" mit gleichbleibenden Einnahmen geben, sagte er. Das Geld sei weniger geworden, "wir müssen Kürzungen vornehmen".
Die Synode hatte 2023 einen Doppelhaushalt auch für 2024 beschlossen. Darin bereits eingeplantes Geld fehlt jetzt im Etat. Den Prognosen zufolge ist mit einem Rückgang der Finanzkraft um 21 bis 32 Prozent bis zum Jahr 2035 zu rechnen. "Der Trend wird sich nicht umkehren", sagte Boecker.
Gründe für den Einnahmeschwund sind nach seinen Worten die hohe Inflation, die schlechte Wirtschaftsentwicklung und die gestiegenen Austrittszahlen. Zusammen mit den Sterbefällen ergibt das einen jährlichen Mitgliederverlust von gut drei Prozent. Befürchtet werden zudem Sondereffekte durch die Veröffentlichung der Studie über Missbrauch in der evangelischen Kirche am kommenden Donnerstag sowie durch gestiegene Personalkosten, die 4,5 Prozent über der Planung liegen.
Ein weiteres Problem sind die Versorgungslasten für die pensionierten Pfarrer und Kirchenbeamten, die nach Boeckers Worten "immer größer" werden. Gefragt werden müsse nun, wo die Kirche effizienter werden könne, wo gekürzt werden müsse und wie Austritte verhindert sowie neue Mitglieder gewonnen werden könnten.
Präses Latzel bittet Missbrauchsbetroffene um Entschuldigung
Präses Latzel sagte zum Thema Missbrauch, bei der Aufarbeitung habe es Versäumnisse gegeben. Menschen "auf allen Ebenen" hätten "dem Schutz des Ansehens der Kirche oder Trägern einen zu hohen Stellenwert" eingeräumt. Das Leid von Betroffenen habe hingegen eine weniger große Rolle gespielt. "Das gehört zur Schuldgeschichte unserer Kirche und dafür können wir die betroffenen Menschen nur um Entschuldigung bitten."
Seit 1946 sind nach Angaben der rheinischen Kirche 70 Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt bekannt, die in den Akten gefunden wurden. Bei einer 2021 eingerichteten Meldestelle gingen bisher 76 Verdachtsmeldungen ein.
Im Zusammenhang mit Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden nach den Angaben von Vizepräses Christoph Pistorius seit 2004 insgesamt 28 Disziplinarverfahren geführt, vier davon laufen noch. In elf Fällen habe auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. Vier Strafverfahren seien wegen eines nicht hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden, eines gegen Auflagen.
Evangelische Missbrauchsstudie wird am 25. Januar veröffentlicht
Die ForuM-Studie zu sexuellem Missbrauch evangelischer Kirche und Diakonie wird am 25. Januar von einem unabhängigen Forschungsverbund veröffentlicht. Die Ergebnisse sind den Kirchen bisher nicht bekannt.
Die Landessynode ist das oberste Organ der rheinischen Kirche mit ihren knapp 2,2 Millionen Mitgliedern. Hauptthema der einwöchigen Jahrestagung, die am Freitag endet, ist der nötige Wandel der Kirche angesichts des Rückgangs von Mitgliederzahlen, Finanzkraft und personellen Ressourcen.