DOMRADIO.DE: Wie kam der Aronstab zu seinem Namen?
Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikerin und Journalistin: Aaron ist der Bruder von Moses, beide kennt man aus der Bibel. Und Sie kennen alle die Geschichte von Moses, der sein Volk aus Ägypten führt. Moses war, glaube ich, kein großer Mann des Wortes. Also holte er sich seinen Bruder Aaron zur Hilfe und zusammen gingen sie zum Pharao, um das Volk Israel frei zu bitten.
Und dann sagte Moses zu Aaron: Wenn wir da hingehen, dann musst du ein Zeichen wirken, damit man sieht, wie mächtig du bist. Und dieses Zeichen war ein Stab, den er in der Hand hielt. Diesen Stab warf Aaron auf den Boden, und vor den Augen des Pharaos und seiner Diener verwandelte sich dieser Stab in eine Schlange. Und den nennen wir deshalb heute Aronstab.
DOMRADIO.DE: Weil auch diese Pflanze wie eine Schlange aussieht, oder wie kam dann die Verbindung zu der Pflanze?
Peters-Reimann: Nein, sie sieht gar nicht wie eine Schlange aus. Aber wenn man jetzt mal die Blüte sich vorstellt: Die erhebt sich ganz straff aufrecht, wie so ein Stock, mit einer Spitze aus dem Laub hervor. Auch der Fruchtstand mit den Beeren steht richtig straff aufrecht, wie ein Wanderstab in der Landschaft. Deshalb fühlte man sich an diesen Stab von Aaron erinnert.
DOMRADIO.DE: Viele Pflanzen haben eine symbolische Bedeutung. Welche hat der Aronstab?
Peters-Reimann: Stabartig austreibende Pflanzen gelten seit jeher als Symbol der Fruchtbarkeit und als Zeichen der Macht und auch als Zeichen, dass der Besitzer dieses Stabes Dinge kennt, die vielen unbekannt sind. Sie kennen vielleicht auch den Äskulapstab der Mediziner, um den sich zwei Schlangen ringen. Dieser Stab ist ein Zeichen, dass diese Ärzte das Wissen um die Heilkunde besitzen.
DOMRADIO.DE: Ist denn dieser Aronstab auch im Volksbrauchtum von Bedeutung?
Peters-Reimann: Absolut. Er war eine ganz bedeutende Hexen- und Zauberpflanze. Man konnte nämlich damit, so meinte man früher, Liebeszauber durchführen. Wenn Sie zum Beispiel einen Teil des Aronstabes einem jungen Mädchen in den Schuh legten, ging man davon aus, dass sich dieses junge Mädchen mal vor Liebhabern kaum retten können würde. Man hat sich vorgestellt, dass der Aronstab auch wie eine Art Aphrodisiakum wirkt.
Wahrscheinlich, weil diese Blüte und der Fruchtkolben so aufrecht stehen, hat man sich erhofft, dass das bei sexuellen Handlungen vielleicht hilfreich sein könnte. Aber ich möchte wirklich alle davor warnen. Wenden Sie es bloß nicht an! Der Aronstab ist in allen Teilen giftig.
DOMRADIO.DE: 2019 wurde der Aronstab zur Giftpflanze des Jahres gekürt. Hat er irgendeinen Nutzen?
Peters-Reimann: Er hat einen sehr dekorativen Nutzen. Wenn man so in den Wald geht, ist er eine der ersten Pflanzen, die nach dem langen, kalten Winter so grün austreibt. Es sieht sehr schön aus. Auch im Garten sieht das hübsch aus. Diese wunderschöne weiße Blüte, die sich wie ein kleiner Hut in die Luft schraubt. Und hinterher im Herbst hat man diesen Stängel mit den orangefarbenen, aber leider auch giftigen Beeren.
Das Interview führte Tim Helssen.