DOMRADIO.DE: Was bedeutet für Sie Ordensmann die Fastenzeit?
Bruder Paulus Terwitte (Kapuzinerpater und Seelsorger): Das sind 40 Tage, eine überschaubare, kurze Zeit, in der man sich mal umstellen kann und Lebensgewohnheiten auf den Prüfstand stellen kann. Da haben sich ja manche Sachen so eingeschlichen: zu wenig gelesen, zu wenig gebetet, zu wenig angerufen, zu wenig Kontakte gepflegt... Da kann man mal was daran tun. Und von daher ist das eine schöne Zeit, in der man mal was Neues ausprobieren kann.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie in einem Kloster mit Wellnessabteilung arbeiten würden und Sie jemand auf die Fastenzeit ansprechen würde, was würden Sie dem oder derjenigen als Einstieg raten?
Bruder Paulus: Als Einstieg würde ich raten, zurückzublicken und mal aufzuschreiben: Wo war ich in meinem Leben glücklich? Und was hat das eigentlich mit meinem Glauben zu tun?
Weil ich nämlich weiß, dass viele Menschen zu viel erzählen können, was alles Schlechtes passiert ist und sie völlig übersehen, wie viel Gutes auch passiert ist. Und aus dem Guten und aus der guten Erfahrung heraus lässt sich dann auch eine Motivation ableiten zu schauen, wie kann ich jetzt einen Schritt nach vorne gehen? Fastenzeit heißt eigentlich: Ich freue mich über Ostern und deswegen will ich mich ändern.
DOMRADIO.DE: Viele üben in dieser Zeit aber auch ganz bewusst Verzicht. Warum ist Verzicht auch ein wichtiger und ein guter Weg?
Bruder Paulus Verzicht ist ein Ausdruck der Liebe. Wenn ich einen Menschen liebe, werde ich um seinetwillen auf liebe Gewohnheiten verzichten. Aus Liebe zu ihm werde ich ihm mehr zuhören, ihm mehr Zeit geben. Der Verzicht ist eine Folge, dass ich die Fülle erfahren habe, jetzt mit Gott.
Das ist das Trainingsprogramm der kirchlichen Fastenzeit. Ich habe erfahren, Gott, du hast mich geschaffen, bei meinem Namen gerufen. Du hast mir in Jesus einen Bruder zur Seite gegeben. Der ist für mich ins Leid gegangen, damit ich nicht im Leid allein bin und alles Leid der Welt aufgebrochen wird. Das macht mich froh und deswegen will ich mich neu um dich kümmern. Und da gehört auch dazu, dass ich auf manches verzichte, was ich vielleicht so auch mir angeeignet habe und oft auch ein Grund ist, Gott zu vergessen.
DOMRADIO.DE: Laut einer Umfrage verzichten die allermeisten vor allen Dingen auf Süßigkeiten und Snacks. Macht dieser berühmte Verzicht auf Alkohol oder Schokolade tatsächlich einen besseren Menschen aus mir?
Bruder Paulus Das muss nicht unbedingt den besseren Menschen aus mir machen. Aber umgekehrt wird ein Schuh daraus, wenn ich weiß, dass mein Leben einen Sinn hat, dass ich erfüllt bin von der Liebe Gottes, erfüllt bin von der Liebe, von Kindern, von Enkeln, von Nachbarn, von guten Freunden. Dann muss ich mir nicht diese kurzen "Glückserfüller" gönnen.
Und wenn ich dann sage, dass ich aus Liebe und aus Freude über die geschenkte Liebe, die ich erfahren habe, jetzt mal einfach aufhören, etwas ich mich reinzustopfen, mir kurzfristige Glücksmomente zu gönnen um des großen Glücks willen, dann macht der Verzicht auch Freude, weil er sinnvoll ist.
DOMRADIO.DE: Welchen Prozess kann ich in dieser überschaubaren 40-tägigen Fastenzeit in Gang bringen?
Bruder Paulus Ich kann mal Folgendes in Gang bringen: Jetzt räume ich mal auf, jetzt bringe ich mal Ordnung in mein Leben. Ich überlege, ob ich das wirklich alles weiter so tun will, was ich tue, meinen Kalender mal anschaue, vielleicht mich mehr bewege. Und daraus könnte dann eine gute Gewohnheit werden, einen Angehörigen anzurufen, den ich zu wenig kontaktiert habe.
Ich gewöhne mir einen Ritus an, dass ich abends in Ruhe den Tag ausklingen lasse, früh genug die Medien ausschalte, um wirklich im Gebet mich einfach Gott anzuvertrauen, den Morgen mit einer Zeit der Stille zu beginnen. Man kann kleine Übungen mal einfach üben. 40 Tage kann man ja mal machen und vielleicht wird daraus dann eine neue liebe Gewohnheit.
DOMRADIO.DE: Kommen wir noch mal auf den Wellnessaufenthalt im Kloster zurück. Kann sich die Besinnung auf den Körper nicht vielleicht auch positiv auf die Beschäftigung mit dem Geist und dann auch mit dem eigenen Glauben auswirken?
Bruder Paulus Ja, natürlich, das sagt ja schon das alte Sprichwort: In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist. Man kann auch mal "von außen" anfangen. Ich mache auch von außen her Wellness und tu mir was Gutes, um der Seele dann auch Raum zu geben, sich zu öffnen und dass ich neu wieder zum Sinn meines Lebens vordringe.
Ich zweifle allerdings daran, dass das mit einer schönen Wellnessbehandlung schon von selber kommen wird. Ich glaube, dass die Klöster auch dadurch Gesprächsangebote, Gebetsangebote, Kirchen, Führungen usw., die das Programm abrunden, Angebote machen, Menschen von der schönen Erfahrung der Ruhe und der Wellnesserfahrung noch mal neu wieder zum inneren Glutkern ihrer Seele vorzudringen, zu jenem Gott, der sie geschaffen hat, damit es ihnen gut geht, in jeder Hinsicht.
Das Interview führte Hilde Regeniter.