Klösterliche Prinzipien im Lauf des Jahres

Ein Blick auf die Exerzitien

Das Klosterleben fasziniert viele Menschen, auch weil es sich so stark vom eigenen Alltag unterscheidet. In einer monatlichen Reihe stellen wir verschiedene klösterliche Prinzipien vor. Im April sind es die Exerzitien.

Autor/in:
Kerstin-Marie Berretz OP
Ordensfrauen im Gebet / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ordensfrauen im Gebet / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Leben ist immer in Veränderung, auch im Kloster. Deswegen kann eine Ordensfrau, ein Ordensmann nicht sagen: "Ich habe meine Berufung gefunden, jetzt bin ich fertig" und sich zurücklehnen. Stattdessen ist man auch im Kloster aufgerufen, immer neu zu fragen, wozu Gott einen jetzt ruft. Deswegen ziehen Ordensleute sich einmal im Jahr zu Exerzitien zurück.

Für mindestens eine Woche bedeutet das, sich aus dem Alltag zu lösen und nach Möglichkeit einen anderen Ort aufzusuchen. An diesem Ort und in dieser Zeit geht es dann darum, in die Stille und das Gebet einzutauchen, um so Gott selber neu auf die Spur zu kommen. Eine Begleitperson hilft der Exerzitantin dabei, indem sie biblische Texte anbietet - passend zur je aktuellen Fragestellung.

Das Leben neu ausrichten und ordnen

Diese bieten manchmal Ruhe im inneren Sturm oder können einen herausfordern, sich neu mit dem eigenen Leben in der Nachfolge zu beschäftigen. Ebenso hilft die Begleiterin oder der Begleiter dabei, das im Gebet Erfahrene zu deuten, einzuordnen und für den Alltag fruchtbar werden zu lassen.

Denn genau das ist das Anliegen der Exerzitien: Es geht nicht nur darum, einmal für eine Woche aus dem Gewohnten heraus zu kommen und Zeit zum Beten zu haben. Vielmehr wollen die Tage einen dazu inspirieren, das Leben neu auszurichten und zu ordnen. Das kann am Ende durchaus spürbare Konsequenzen im Alltag haben. Vielleicht ordnet jemand den eigenen Tagesablauf neu, sucht ein neues Feld zum Engagement oder plant für die Zeiten bis zu den nächsten Exerzitien Gelegenheiten ein, die vertieft in die Stille und das Gebet führen.

Symbolbild Fasten / © Corinne Simon (KNA)
Symbolbild Fasten / © Corinne Simon ( KNA )

Denn das ist es, was die Exerzitien ausmacht: In diesen Tagen ist alles ausgerichtet auf das Gebet. Selbst bei Exerzitien in einer Gruppe wird häufig durchgängig geschwiegen, sogar bei den gemeinsamen Mahlzeiten. Nichts soll einen ablenken von der Ausrichtung auf Gott und sich selber.

Tägliches Begleitgespräch

Eine feste Tagesstruktur hilft dabei, weniger über Äußeres nachdenken zu müssen und sich ganz einzulassen auf den Exerzitienprozess, der ein wirklicher Weg ist - mit Höhen und Tiefen. In der vorgegebenen Tagesstruktur kann man sich selbst weniger auf den Leim gehen, wenn man etwa dazu neigt, Dinge aufzuschieben oder Unangenehmes zu vermeiden. Denn manchmal ist es auch langweilig, schon wieder eine Stunde still in der Kirche zu sitzen in der Hoffnung, dass Gott einem zeigen möge, was er jetzt von einem will.

Die festen Zeiten, die der Meditation, dem Gebet gewidmet sind, helfen dabei, zu erkennen und zu ordnen, was eigene Gedanken sein mögen, was Impulse von außen sein könnten und wie und wo sich letztendlich Gott im Leben zeigen will. Auch wenn es einen manchmal rütteln und schütteln mag und man den Eindruck haben könnte, es sei alles ganz verworren, so ist es doch eine Gnade, die Gelegenheit und die Zeit zu haben, um die verschiedenen Stränge und Impulse zu sortieren.

Im täglichen Begleitgespräch können all die Erfahrungen gesammelt werden, die die Schwester oder der Bruder in den vergangenen 24 Stunden gemacht hat. Sprache schafft Wirklichkeit und so hilft das Gespräch, neue Entdeckungen und Einsichten wirklich werden zu lassen.

Symbolbild Nachdenken, Ruhe / © Tananyaa Pithi (shutterstock)
Symbolbild Nachdenken, Ruhe / © Tananyaa Pithi ( shutterstock )

Exerzitien – "kein Spaziergang"

Ausreichend Schlaf und gutes Essen sorgen dafür, dass die Rahmenbedingungen für das durchaus auch anstrengende Programm stimmen. Denn Exerzitien mögen zwar an den schönsten Orten stattfinden, sind allerdings kein Urlaub, auch wenn die Schwester oder der Bruder bei Spaziergängen viel Zeit an der frischen Luft verbringt. In der Bewegung, die manchmal noch durch Leibübungen unterstützt wird, kann sich Innerliches ordnen oder können Gedanken und Erfahrungen ans Tageslicht kommen, die im Alltag sonst verborgen sind.

So mögen die Exerzitien zwar kein Spaziergang sein, aber sie sind doch ein Geschenk im Leben eines Ordensmenschen. Sie bieten im manchmal auch hektischen klösterlichen Alltag die Gelegenheit, innezuhalten und sich wieder neu mit Haut und Haaren Gott zuzuwenden, der ja der erste Grund ist, warum die Schwester bzw. der Bruder dieses Leben gewählt hat. Sich immer neu zu versichern, dass der Weg stimmt oder noch einmal nachzujustieren, damit der Weg stimmt, ist dann ein echter Luxus, der Energie für den Alltag schenkt.

Quelle:
KNA