Fünf Jahre nach dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan sieht der Kinderschutzexperte Hans Zollner für die katholische Kirche noch Luft nach oben. Es gebe schon einige Gesetze in der Kirche, die wichtige Linien im Kampf gegen Missbrauch zögen, sagte er in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview des Portals katholisch.de. Für eine tiefgreifende Veränderung brauche es aber einen langen Atem. "Das ist eine Generationenaufgabe, die nicht mit einem Schnellschuss gelöst werden kann."
Auch die Wirksamkeit einer Änderung im Kirchenrecht, bei dem es um die Rechenschaftspflicht von Bischöfen geht und die schon bald nach dem Gipfel eingeführt wurde, hat demnach Grenzen. "Wir sehen, dass sich mit der Einführung dieses und anderer Gesetze nicht unbedingt sofort und überall konsistent die Praxis ändert", so Zollner.
Problem des Nachhaltens
"In der Kirche gibt es vor allem auch ein Problem mit dem Nachhalten, also mit dem Überprüfen, ob dieses Gesetz angewandt wird und, bei Nichtanwendung, das Aussprechen von Sanktionen." Außerdem brauche es eine neue Haltung zu dem Thema. "Da sind wir in vielen Teilen der Welt noch nicht so weit, dass das überall verstanden wird und analog angewandt wird."
Alle Getauften in unterschiedlichen Graden mitverantwortlich
Zollner betonte, es reiche nicht aus, das Thema Missbrauch in eine Stabsstelle abzuschieben. "Es muss ein Thema sein, über das man betet, diskutiert und mit den Betroffenen gemeinsam Wege des Kirche-Seins sucht." Für eine sicherere Gesellschaft und Kirche seien alle Getauften in unterschiedlichen Graden mitverantwortlich.
Vor fünf Jahren hatte Papst Franziskus die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen, viele Ordensobere sowie Kurienleiter zu einem mehrtägigen Treffen in den Vatikan beordert. Dort sollten sie sich zum Thema Missbrauch fortbilden und beraten. Der Psychologe und Jesuit Zollner hatte das Treffen mit vorbereitet.