Museen erforschen die weibliche Seite der Kunstgeschichte

Die Wiederentdeckung der unsichtbaren Künstlerinnen

Lange Zeit waren sie vergessen und unterbewertet. Frauen standen lange im Schatten der Kunstgeschichte. Doch zunehmend forschen Museen nach Meisterinnen vergangener Epochen und präsentieren in diesem Jahr erstaunliche Entdeckungen.

Autor/in:
Claudia Rometsch
Werke der Barockmalerin Artemisia Gentilesch in der Schau "Maestras"  (shutterstock)
Werke der Barockmalerin Artemisia Gentilesch in der Schau "Maestras" / ( shutterstock )

Tintoretto oder Caravaggio sind bekannte Maler der Spät-Renaissance oder des Frühbarocks. Doch wer kennt ihre Zeitgenossin Lavinia Fontana (1552-1614)? 

"Sie gehört zu den Vergessenen. Dabei war sie in ihrer Zeit so berühmt", sagt Kunsthistorikerin Susanne Blöcker. Sie ist Kuratorin der Ausstellung "Maestras. Malerinnen 1500-1900" im Arp Museum Bahnhof Rolandseck, die am 25. Februar eröffnet wird.

Eine moderne Frau und Künstlerin

Lavinia Fontana war auch für heutige Maßstäbe eine moderne Frau. Mitte der 1570er Jahre hatte sie die Werkstatt ihres Vaters übernommen, des angesehenen Bologneser Malers Prospero Fontana. Während ihr Mann sich um die Kinder kümmerte, verdiente sie als erfolgreiche Malerin das Haupteinkommen für die Familie, unter anderem im Vatikan. 

Ein weiteres Beispiel ist die italienische Barockmalerin Artemisia Gentileschi, auch sie ist in der Schau "Maestras" zu sehen: Sie führte eine eigene Werkstatt, schuf eine Reihe kraftvoller Frauenporträts.

Frauen seien immer schon künstlerisch aktiv und erfolgreich gewesen, sagt Blöcker. "Man hat es nur vergessen." Doch das scheint sich nun zu ändern. 

Museen entdecken weiblichen Teil der Kunstgeschichte 

Derzeit würden Künstlerinnen, denen über lange Zeit die Anerkennung versagt geblieben sei, allerorten neu bewertet, schreibt die britische Kunsthistorikerin Susie Hodge, die 2020 eine Kunstgeschichte der Frauen veröffentlichte. Zunehmend arbeiten auch Museen den vergessenen weiblichen Teil der Kunstgeschichte auf.

"Man hat tatsächlich das Gefühl, dass das Interesse daran jetzt flächendeckend um sich greift", beobachtet Katrin Dyballa vom Hamburger Bucerius Kunst Forum. Sie kuratierte die Ausstellung "Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten", zu sehen ab dem 2. März im Kunstmuseum Basel.

"Da bewegt sich gerade sehr viel", sagt auch Eva-Maria Höllerer, Kuratorin der Ausstellung "Städel / Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900", die am 10. Juli im Städel Museum in Frankfurt am Main eröffnet.

Ideal von Frau als Mutter war hinderlich 

Lavinia Fontana ist eine der vergessenen Malerinnen, die nun zu neuem Ruhm gelangen. Im vergangenen Sommer widmete die National Gallery of Ireland in Dublin ihr eine Retrospektive. Und sie war auch
eine der Protagonistinnen, als die Dresdner Gemäldegalerie im vergangenen Jahr erstmals eine Ausstellung ausschließlich mit Malerinnen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert zeigte.

Darunter war auch die zu ihrer Zeit international berühmte schweizerisch-österreichische Malerin Angelika Kauffmann (1741-1807). Sie arbeitete unter anderem in London, weshalb sie ab dem 16. Mai auch in der Ausstellung "Women Artists in Britain 1520-1920" in der Londoner Tate Britain vertreten sein wird.

 

Doch warum gerieten künstlerisch erfolgreiche Frauen aus dem Blickfeld der Kunstgeschichtsschreibung? Ein wesentlicher Grund sei das romantische Ideal von der Frau als Mutter, das sich im Zuge der Aufklärung unter dem Einfluss des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) durchgesetzt habe, erklärt Blöcker. 

Das habe im 19. Jahrhundert für Frauen den Zugang zu Kunstakademien und in den Kunstbetrieb stark eingeschränkt.

Louise Schmidt im Frankfurter Städel

Trotz erschwerter Umstände habe es aber auch im ausgehenden 19. Jahrhundert eine große Zahl von Künstlerinnen gegeben, die sich erfolgreich etablieren konnten, stellte Eva-Maria Höllerer bei den Vorbereitungen zur Städel-Frauen-Ausstellung fest. "Wir haben nur verlernt, sie wahrzunehmen." 

Eine Wiederentdeckung sei etwa die Bildhauerin Louise Schmidt (1874-1942). Sie war die erste Frau, die an der Kunstschule des Städel in der als "männliche" Kunstgattung geltenden Bildhauerei ausgebildet wurde. Erstmals wird nun ihre eigens restaurierte Marmorskulptur "Sonnenanbeter (Sitzender Knabe)" im Städel ausgestellt.

Doch obwohl sich die Situation ab 1919 durch die Öffnung der Akademien für Frauen verbesserte, blieben sie auch danach oftmals im Schatten ihrer männlichen Kollegen. Ihr Beitrag zur Avantgarde des
20. Jahrhunderts ist bislang noch wenig erforscht. 

Oft fehlen Werkkataloge oder Werkbestände

Ein Beispiel dafür sind die Frauen der Dada-Bewegung, denen das Arp Museum Bahnhof Rolandseck ab dem 7. Juli eine Ausstellung widmet. Ihre Rolle sei bislang wenig beachtet worden, erklärt Museumsdirektorin und Kuratorin Julia Wallner. 

Das habe in diesem Fall auch etwas mit den Kunstformen der Dada-Frauen zu tun. Die drückten sich nämlich vielfach durch vergängliche Darstellungsformen aus wie etwa Performance, Gesang oder Tanz.

Häufig wird die Erforschung von Künstlerinnen aber auch dadurch erschwert, dass Werkkataloge fehlen oder Werkbestände verschollen sind. So war es etwa im Fall der Dada-Künstlerin Marta Hegemann. Sie
zählt zu den Wiederentdeckungen der Rolandsecker Ausstellung. 

Ihr Werk habe lange unerkannt auf einem Dachboden gelegen, berichtet Wallner. Sie hofft nun, dass die derzeitige Aufmerksamkeit für Frauen in der Kunstgeschichte nachhaltige Wirkung zeigt: "Es ist noch viel Forschungsarbeit notwendig."

epd rom svo

Quelle:
epd