"Wandelnder Vermittlungsausschuss" - dieses Etikett hat man Alois Glück zu Lebzeiten verpasst. Es war weniger ein Spitzname, denn ein Ehrentitel. Er brachte respektvoll eine Gabe zur Sprache, die selten geworden ist im Politikbetrieb.
Am Montagmorgen starb in einer Münchner Klinik mit 84 Jahren ein Brückenbauer der besonderen Art. Er wird nicht nur in seiner Partei, der CSU, schmerzlich vermisst werden.
Der Bauernsohn aus dem Chiemgau war ein Pflichtmensch. Vielleicht wird man das zwangsläufig, wenn man wie er als kleiner Junge den Vater im Krieg verloren hat und früh Verantwortung übertragen bekam.
Auf dem elterlichen Hof in Hörzing bei Traunstein musste er schon als Grundschüler kräftig mit anpacken.
Fähigkeiten als Moderator
Auch später hat sich der Oberbayer seine Aufgaben selten selbst ausgesucht, sie kamen vielmehr auf ihn zu; und zwar so, dass er nicht nein sagen konnte. Das war so, als beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) 2009 eine Präsidentenwahl an einem bischöflichen Veto gescheitert war und nun händeringend eine vorzeigbare Integrationsfigur gesucht wurde. Und zuletzt 2019, als Markus Söder ihn anrief, obwohl er zuvor nicht gerade dadurch aufgefallen war, Glücks Rat sonderlich zu schätzen.
Aber nach einem von der ÖDP unter dem plakativen Titel "Rettet die Bienen!" clever angezettelten Volksbegehren war Glücks Fähigkeit als Moderator gefragt. Der gelernte Landwirt und einer der ersten profilierten Umweltpolitiker seiner Partei avancierte zur Idealbesetzung, um die Interessen von Bauern, Naturschützern, Wirtschaft und Politik zu einem schonenden Ausgleich zu bringen.
Eine wichtige Weichenstellung für Glücks Leben war mit dem Kürzel KLJB verbunden. In der Katholischen Landjugend-Bewegung lernte er nicht nur seine Frau kennen. Er wurde in dem Verband auch politisch sozialisiert.
Der Rundfunkjournalistin Daniela Arnu erzählte der CSU-Mann 2023 von einem Schlüsselerlebnis. Als KLJB-Landessekretär hatte er ein Seminar für ehrenamtliche Führungskräfte zu organisieren. Glück erinnerte sich noch an einen zentralen Satz eines Referenten: "Vor wichtigen Verhandlungen - setzen Sie sich auf den Stuhl des Anderen."
Politikstil zielte auf gute Kompromisse ab
Diese Haltung wurde kennzeichnend für seinen Politikstil, der stets auf gute Kompromisse abzielte. Dabei war diese Haltung bei ihm auch religiös unterfüttert. Eine wichtige Einsicht verdankte er nach eigenen Worten dem jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber: Gott spricht durch die Menschen, die er Dir in den Weg stellt.
Glück übersetzte dies so, dass er sich nach Kräften bemühte, echtes und nicht nur taktisches Interesse für Andersdenkende aufzubringen.
Dann ergaben sich Gespräche, die er besonders schätzte, und die seinen eigenen Horizont immer wieder erweiterten.
So sehr das Bedächtige, Abwägende von politischen Freunden wie Gegnern stets geschätzt wurde - um ganz nach vorn zu kommen hat Glück dann doch der absolute Wille zur Macht gefehlt. Vielleicht aber fühlte er sich auch wohler in der Rolle des Mannes, der im Hintergrund die Fäden zieht. Und der lieber über Grundsätzliches nachdenkt wie ein neues Parteiprogramm, wofür er sich gern auf eine einsame Berghütte zurückzog.
Aus der Öffentlichkeit zurückgezogen
In den vergangenen Jahren sah man ihn in der Öffentlichkeit nicht mehr oft: Seine Nach-Nachfolgerin an der Spitze des Landtagspräsidiums, Ilse Aigner, begleitete er vergangenes Jahr nach Unterwössen. Gemeinsam besuchten sie den von einem örtlichen Künstler in der Pfarrkirche gestalteten Andachtsraum für Opfer sexuellen Missbrauchs. Zuvor zählte er zur bayerischen Delegation, die dem verstorbenen ehemaligen Papst Benedikt XVI. in Rom die letzte Ehre gab.
Für Glück war auch dies eine Pflicht, der er selbstverständlich nachkam, obwohl er mit Joseph Ratzinger in dessen Zeit als Glaubenspräfekt im Streit um die Schwangerenkonfliktberatung vor der Jahrtausendwende mehrfach die Klingen gekreuzt hatte. Dem BR verriet er 2023, diese "unguten Erinnerungen" füllten bei ihm daheim zwölf Aktenordner.
Beim Thema Klimawandel waren von Glück zuletzt ungewohnt scharfe Töne zu Vernehmen: "Meine Generation hat bei dem Thema bitter versagt. Wir wissen seit 30 Jahren um die Realitäten durch entsprechende Gutachten." Man kann darin durchaus ein Vermächtnis sehen.
Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist das höchste repräsentative Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. Es vertritt die katholischen Laien bei der gesellschaftlichen Meinungsbildung und ist das von der Bischofskonferenz anerkannte Organ zur Koordinierung des Laienengagements in der Kirche. Allerdings melden sich immer wieder auch einige katholische Laien und Vereinigungen zu Wort, die das ZdK nicht als ihre Vertretung verstehen.
