DOMRADIO.DE: Zierlich und schön soll sie gewesen sein, ihr Antlitz einem Engel gleich, ihr Blick vom barmherzigem Anstand. Wer war diese selige Königin Richeza?
Dr. Klaus Hardering (Leiter des Kölner Dombauarchivs): Richeza war eine hoch bedeutende Frau des Mittelalters, die aus einer sehr adeligen Familie stammte. Sie war die Tochter des Pfalzgrafen Ezzo von Lothringen und seiner Gemahlin Mathilde, die wiederum eine Tochter von Kaiser Otto II. war.
Sie war also kaiserlichen Geblüt, hatte eine Vielzahl von Schwestern – sechs an der Zahl – die in ganz Europa Äbtissinnen waren und große Abteien leiteten. Ida war eine davon. Sie lebte hier in St. Maria im Kapitol. Die Damen saßen in Nivelles, in Gandersheim, in Neuss und über das ganze Reich verteilt.
DOMRADIO.DE: Ida war die Schwester von Richeza?
Hardering: Ganz genau, Richeza hatte auch drei Brüder, von denen einer Kölner Erzbischof war, nämlich Erzbischof Hermann II.
DOMRADIO.DE: Das allein wäre schon eine Erklärung, warum Richeza ihre Grabstätte im Kölner Dom hat. Aber warum genau?
Hardering: Sie war mit einem polnischen Herzog verheiratet worden. Eine arrangierte Ehe, wie damals üblich. Als dieser König wurde, wurde sie Königin von Polen. Leider ist ihr Mann relativ früh gestorben, und ihre Bemühungen, ihren Sohn Kasimir auf den Thron zu heben, scheiterten, weshalb sie fliehen musste.
Sie hat dann lange in Saalfeld, Thüringen, gelebt, wo sie Güter hatte. Am Ende hat sie alle ihre Geschwister überlebt und war die alleinige Erbin dieses riesigen ezzonischen Gebietes. Es gab Ländereien im Rheinland, in Thüringen und in Bayern und überall.
Sie hat dann vieles der Abtei Brauweiler vermacht, weil da ihre Eltern ruhten, die die Abtei zu ihrer Grabpflege ausgebaut hatten. Richeza hatte den Neubau der Klosterkirche gestiftet. Aber als sie dann 1063 in Saalfeld starb und nach Brauweiler überführt werden sollte, ist der Kölner Erzbischof Anno II. eingesprungen und hat sie nach Köln geholt.
DOMRADIO.DE: Wobei man in Brauweiler ja auch schön ruhen könnte...
Hardering: Ja, das wäre ihr Wunsch gewesen. Ich glaube, das wäre auch ein bisschen ruhiger geworden. Aber mit ihrer Grabstätte waren Stiftungen verbunden: Sie hatte Ländereien an der Mosel in Klotten für ihren Begräbnisort in ihren Gedanken für Brauweiler gestiftet.
Doch dadurch, dass Erzbischof Anno sie nach Köln holte und in der Kirche St. Maria ad Gradus beisetzte, die sich damals hinter dem Domchor befand – also zwischen Domchor und Rhein – fielen die Ländereien auch an diese Kirche, die eine Stiftung von Arno II. war.
So hat dieser sich die Ländereien nebenbei einkassiert. Die Kirche ist dann 1817 abgerissen worden, nachdem sie säkularisiert worden war. Dann kamen die Gebeine der Richeza in den Kölner Dom.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist Königin Richeza nach wie vor im Kölner Dom beerdigt und spielt, weil sie ja eben aus Polen war oder vielmehr mit einem polnischen König verheiratet worden war, für die Polen, die nach Köln kommen oder in Köln leben, eine bedeutende Rolle. Wie macht sich das fest?
Hardering: Ja, das ist wirklich erstaunlich, denn ich würde mal behaupten, dass nicht viele Kölner wissen, dass eine Königin bei uns im Dom ruht. Wenn ich im Dom unterwegs bin, werde ich aber oft von polnischen Gästen und Besuchern gefragt, wo denn ihre polnische Königin Richeza begraben sei.
Und dann schicke ich sie zur Johanneskapelle, wo heute noch das Wandgrab zu sehen ist. Im Mittelalter hatte sie in St. Maria ad Gradus eine Tumba aus Stein mit gotischen Arkaden, in die die Apostel gemalt waren; an der Stirnseite war sie dargestellt und an der rückwärtigen Stirnseite entweder ihr Bruder Hermann oder eben jener Anno II. Und diese Tafeln haben sich erhalten.
Also neben dem jetzigen Grabmal, das ein schlichter Holzsarkophag in einem Wandgrab ist - er sieht aus wie Marmor, ist aber nur so angemalt - hängen noch diese beiden Kalksinter-Steintafeln mit Abbildungen von Richeza. Dort kann man sie sehen. Und am Gitter der Kapelle ist eine kleine Inschrift in polnischer Sprache, die darauf hinweist.
DOMRADIO.DE: Sieht man dann auch dieses zierliche und schöne Antlitz, das einem Engel gleicht?
Hardering: Leider nicht so direkt. Die Malereien sind nicht sehr gut erhalten. Aber offenbar hat man sie sehr wertgeschätzt, denn ihr Sarkophag ist mehrfach geöffnet worden, um Reliquien an Brauweiler oder nach Polen in eine große Abtei vor den Toren von Krakau zu geben.
Deswegen weiß man, was in diesem Sarkophag drin ist. Ihr Schädel etwa ist mit einer wunderschönen goldenen Netzhaube bedeckt. Das zeugt davon, dass offenbar ihr Schädel auch präsentiert wurde, sonst hätte man sich nicht so eine Mühe bei der Gestaltung der Hülle gemacht.
DOMRADIO.DE: Und bei Reliquien ist es tatsächlich so, dass man den Sarkophag noch mal aufmacht, wenn jemand ein begründetes Interesse an einer Reliquie der seligen Richeza hat?
Hardering: Genau, das passiert hin und wieder, dass von den Reliquien des Kölner Doms – auf besonderen Wunsch natürlich und abgesegnet vom Domkapitel – an andere Orte gegeben werden, die auch eine Stätte der Verehrung für diese betreffenden Heiligen haben.
DOMRADIO.DE: Königin Richeza liegt also heute im Kölner Dom. Wer ist die andere Frau, die da noch liegt?
Hardering: Das ist die heilige Irmgardis.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.