Konferenz zur Altenseelsorge thematisiert Selbstbestimmung

"Wer hat denn hier das Sagen?"

Die Ansprüche an das Leben im Altersheim haben sich gewandelt. Längst steht auch hier der Wohlfühlfaktor oben auf der Wunschliste. Dieser Herausforderung will sich die Seelsorge in Altersheimen stellen, sagt Experte Peter Bromkamp.

Symbolbild Altenpflege / © Ground Picture (shutterstock)
Symbolbild Altenpflege / © Ground Picture ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: An diesem Dienstag findet im Erzbistum Köln das Diözesanforum Altenheimseelsorge statt. Es ist das einzige Treffen im deutschsprachigen Raum, das sich mit solchen Themen beschäftigt. Wie haben sich in den letzten Jahrzehnten Altenheimseelsorge und die Bedürfnisse von Bewohnern verändert?

Dr. Peter Bromkamp (Diözesanreferent für Altenheimseelsorge im Erzbistum Köln): Die Bedürfnisse werden immer individueller. Die klassischen Formen und Angebote von Seelsorge greifen immer weniger, einschließlich der Sakramente. Die kirchliche Bindung lässt auch bei Altenheimbewohnern, also auch bei alten Menschen nach. Trotzdem gibt es viele spirituelle Bedürfnisse, gerade wenn es um Fragen des Sterbens und des Lebens in existenziellen Krisenzeiten geht. Pflegebedürftigkeit ist eine existenzielle Krise.

Ein Seelsorger sitzt am Krankenbett und spricht mit einer Frau auf der Palliativstation in der Universitätsklinik Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Seelsorger sitzt am Krankenbett und spricht mit einer Frau auf der Palliativstation in der Universitätsklinik Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie reagieren Sie denn auf diese Veränderungen, die Sie zum Teil schon beschrieben haben?

Bromkamp: Wir versuchen, darauf individuell zu reagieren. Das ist natürlich schwierig, weil wir wenig Ressourcen haben, was Hauptamtliche angeht. Wir versuchen, da neue Wege zu gehen, auch neue Akteure für die Seelsorge zu gewinnen und sind mit einem Modell sehr erfolgreich. 

Peter Bromkamp

"Mit diesen Menschen haben wir der Seelsorge in Einrichtungen ein neues Gesicht gegeben."

Das heißt "Begleitende in der Seelsorge", wo wir Menschen, die in Einrichtungen, in der Pflege, im sozialen Dienst, in der Verwaltung oder in der Hauswirtschaft arbeiten, für Seelsorge qualifizieren und mit seelsorglichen Aufgaben beauftragen. Inzwischen haben wir so ungefähr 150 beauftragte Menschen.

DOMRADIO.DE: Dieses Modell haben Sie schon vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Caritas entwickelt. Was ist das Besondere daran?

Bromkamp: Das Besondere ist, dass die Akteure von Seelsorge nicht mehr die klassischen Hauptamtlichen sind. Es sind also keine Priester, Diakone, Gemeinde, Pastoralreferenten und -Referentinnen, sondern Mitarbeitende aus den Einrichtungen, die für Seelsorge "ein Faible haben" oder sehr sensibel sind und sich auch seelsorglich engagieren. 

Die qualifizieren, begleiten und beauftragen wir. Mit diesen Menschen haben wir der Seelsorge in Einrichtungen ein neues Gesicht oder überhaupt mal ein Gesicht gegeben, weil die Hauptamtlichen kaum zu sehen sind, kaum in den Einrichtungen präsent sind.

Peter Bromkamp

"Da lassen wir Mitarbeitende häufig noch ein bisschen im Regen stehen."

DOMRADIO.DE: Führt denn dieses neue Gesicht auch zu mehr Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden in Pflegeheimen?

Bromkamp: Bei den Mitarbeitenden greift dieses Modell "Begleitende in der Seelsorge" nicht. Da haben wir einen großen weißen Fleck. Da ist eine Menge nötig und da lassen wir Mitarbeitende häufig noch ein bisschen im Regen stehen. Gerade auch bei ethischen Fragen, wenn es zum Beispiel um den assistierten Suizid geht. Das ist eine ganz heiß diskutierte Frage. 

Und was mache ich, wenn ich merke, die Anforderungen steigen immer und die Zeit und meine Kraft wird immer weniger? Das ist eine Situation, die in der Altenpflege genauso wie in der Krankenpflege häufig erlebt werden kann.

DOMRADIO.DE: "Wer hat denn hier das Sagen? Selbstbestimmt leben im Altenpflegeheim?" Das ist der Titel des Forums an diesem Dienstag. Das legt nahe, dass Selbstbestimmung bislang nicht immer so vorgekommen ist.

Peter Bromkamp

"Eine Institution hat ihre eigenen Regeln, die wenig Individualität zulassen."

Bromkamp: Das Thema ist sicherlich zu wenig vorgekommen. Denn eine Institution wie eine Altenpflegeeinrichtung hat ihre eigenen Regeln und Abläufe, die geregelt sind, die auch oft standardisiert sind und die wenig Individualität zulassen. Manchmal ist es auch schwierig, Menschen an Entscheidungen und auch an alltäglichen Entscheidungen zu beteiligen. 

Pflegerin im Hospiz / © Gordon Welters (KNA)
Pflegerin im Hospiz / © Gordon Welters ( KNA )

Also darf jemand, der an Diabetes leidet, ein Stück Sahnetorte haben? Darf jemand, der an Demenz erkrankt ist, nach draußen? Muss ich den davon abhalten, nach draußen zu gehen, wo er andere und sich gefährden kann? Das sind einige Beispiele, ich könnte noch viel mehr nennen. Da ist es mit der Selbstbestimmung schon sehr fraglich.

DOMRADIO.DE: Diese Fragen wollen Sie unter anderem besprechen?

Bromkamp: Genau. Deswegen haben wir das Motto und den Schwerpunkt gewählt. Wir haben eine Professorin als Hauptreferentin, die das Projekt "Selbstbestimmt leben im Altenheim" über viele Jahre gelenkt hat. Aus diesem Projekt heraus hat sie ein Modell entwickelt, wie das besser in Einrichtungen gelingen kann.

DOMRADIO.DE: Wann geht es los?

Bromkamp: Es startet am Dienstag um 9 Uhr und es geht bis 17 Uhr. Wir erwarten knapp 170 Menschen. Ich freue mich schon riesig drauf, weil dort nur Menschen sind, die ein großes Interesse haben, die viel Spaß an der Begegnung und am Erfahrungsaustausch haben. Ich glaube, wir haben auch wieder elf, zwölf Workshops, die sich sehen lassen können.

Das Interview führte Carsten Döpp.

"Wer hat denn hier das Sagen?" - Selbstbestimmt leben im Altenpflegeheim - Diözesanforum Altenheimseelsorge

Das eigene Leben möglichst selbstbestimmt gestalten, wer möchte das nicht? Doch gelingt das noch, wenn Menschen hilfe- und pflegebedürftig werden? Oder bestimmen doch standardisierte Abläufe und Expertenstandards das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner? Wie können das Leben und die Pflege so gestaltet werden, dass jeder einzelne Bewohner, jede einzelne Bewohnerin mit eigenen Bedürfnissen, Gewohnheiten, Ressourcen und mit dem jeweils eigenen "Rhythmus" im Blick bleibt? Was ist von den Mitarbeitenden in Altenpflegeeinrichtungen nicht nur wünschenswert, sondern tatsächlich leistbar?

Symbolbild Altenpflege (shutterstock)
Quelle:
DR