Weshalb ein Kardinal nicht unbedingt Bischof sein muss

Hirtenstab und Mitra ohne Weihe

Angel Fernandez Artime ist Kardinal aber kein Bischof. Das soll sich jetzt aber ändern. Im April wird ihm die Weihe für ein Titularbistum gespendet. Wie ist das möglich? Und warum gab es bis 1917 sogar Diakone im Kardinalsrang?

Kardinäle mit Mitren / © Romano Siciliani (KNA)
Kardinäle mit Mitren / © Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Angel Fernandez Artime ist Genrealoberer der Salesianer Don Boscos, des zweitgrößten Männerordens der katholischen Kirche. Am 20. April wird er geweiht, aber erhält keine Diözese, sondern Titularbistum, das nicht mehr existiert, was man normalerweise mit Weihbischöfen so macht. Vor kurzem hat er auch angekündigt, dass er ab August eine neue Aufgabe im Vatikan übernehmen wird, die noch nicht näher bekannt ist. Ist das ein ungewöhnliches Vorgehen?

Ulrich Nerviger

"Ein Großteil der Kardinäle in der Vergangenheit hatten keine Bischofsweihe, manche noch nicht einmal die Priesterweihe."

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Es scheint ungewöhnlich zu sein, aber es ist eigentlich ein altes Problem oder ein altes Faktum. Wir vergessen allzu leicht, dass das Kardinalat keine Weihe ist. Es ist eine Ernennung oder eine Kreierung durch den Papst, aber es passt eigentlich in diese Liste "Diakon, Priester, Bischof, Kardinal, Papst" nicht so ganz rein, denn das Kardinalat hat im Grunde nichts mit einer Weihe zu tun. 

Kardinal Angel Fernandez Artime, Generaloberer der Salesianer Don Boscos / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Kardinal Angel Fernandez Artime, Generaloberer der Salesianer Don Boscos / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Die Geschichte lehrt uns, dass ein Großteil der Kardinäle in der Vergangenheit weder die Bischofsweihe, manche noch nicht einmal die Priesterweihe hatten und sogar ein gar nicht so geringer Teil, noch nicht einmal die Diakonenweihe. 

DOMRADIO.DE: Wie sah das denn früher aus? Warum war es mal anders als es heute ist? 

Nersinger: Wir müssen uns vor Augen halten, dass wir bis in die 1970er Jahre die sogenannten niederen Weihen hatten. Es gab nicht nur Diakon, Priester und Bischof, sondern es gab dann auch Akolythen, Lektoren, Ostiarier, Exorzisten und Sub-Diakone. Die gehörten offiziell auch zum Begriff Klerus. 

Man war Kleriker nicht erst ab der Diakonenweihe, sondern wenn man eine dieser niederen Weihen hatte, wenn man die Tonsur bekam damals. Das reicht da hinein, aber natürlich auch noch eine ganze Reihe von anderen Definitionen, mit denen wir so ein bisschen zu kämpfen haben, weil das geschichtlich begründete Sachen sind. 

Ulrich Nersinger

"Das bleibt ein Rätsel."

DOMRADIO.DE: Der Kardinalsrang ist ein Titel und keine Weihe, deshalb hängt das nicht unbedingt mit dem Bischofsamt zusammen. Es gibt zum Beispiel den Hausprediger des Papstes, Raniero Cantalamessa, der weit über 80 Jahre ist und deshalb auf die Bischofsweihe nach seiner Kardinalserhebung verzichtet hat. Bei anderen Kardinälen, wie zum Beispiel dem Kurienbeamten Michael Czerny, wurde am Tag vor der Ernennung zum Kardinal noch schnell die Weihe zum Bischof eingeschoben. Welche Überlegungen stecken denn dahinter? Warum wird der eine noch geweiht und der andere nicht?

Nersinger: Das bleibt manchmal ein Rätsel. Auf der einen Seite erscheint die Bischofweihe für bestimmte Ämter, die man später nach der Kardinalserhebung übernimmt, dann doch sinnvoll. Aber wenn jemand schon ein gewisses Alter erreicht hat, ist eine Bischofweihe in der Regel nicht mehr nötig. Als Kardinal hat man ja auch alle Bischofsinsignien: eine Mitra, einen Bischofsstab. 

Insignien eines Bischofs: Bischofsring, Pileolus, Mitra und Bischofsstab (KNA)
Insignien eines Bischofs: Bischofsring, Pileolus, Mitra und Bischofsstab / ( KNA )

Es ist eigentlich auch so, dass die Kardinäle, die ein gewisses Alter schon erreicht haben, angehalten sind um Dispens von der Bischofsweihe zu bitten. Das ist eigentlich der Normalfall. Normalerweise, wenn man über 80 ist, begnügt man sich damit, denn die Kardinalswürde schiebt die Bischofweihe, zwar nicht weihemäßig, aber dann doch vom Ansehen her, so ein bisschen beiseite. 

DOMRADIO.DE: Stichwort Insignien: Also normalerweise dürfte ein Kardinal, der kein Bischof ist, keine Mitra, keinen Ring und keinen Bischofsstab tragen. Aber das passiert trotzdem. Auf der anderen Seite dürfte doch ein Kardinal, der kein Bischof ist, auch gar nicht weihen, oder? 

Nersinger: Nein, darf er nicht. Das ist ganz klar. Aber er darf Insignien tragen. Ich meine, wenn wir mal auf Köln schauen. In Köln gab es früher und auch noch heute apostolische Protonotare, und die hat man früher mit einer einfachen Mitra ausgestattet. 

Ulrich Nersinger

"Bis 1917 war es möglich, Kardinal zu werden nur mit der Diakonenweihe."

Das hat man zum Beispiel auch gemacht, weil viele Protonotare die Firmung spendeten und dann sah es natürlich besser aus, wenn der Firmspender dann eine Mitra aufhatte. Also das ist häufig nur so ein Empfinden, was damit verbunden ist. Das kann die Gläubigen etwas verwirren. 

Aber man muss auch immer bedenken, wir haben im 20. Jahrhundert zwei interessante Schritte: Bis 1917 war es möglich, Kardinal zu werden nur mit der Diakonenweihe. Man brauchte nicht die Priesterweihe. Das Kirchliche Gesetzbuch von 1917 hat dann gesagt, man soll für den Empfang des Kardinalates die Priesterweihe vorweisen. 

In den 1960er Jahren hat dann Johannes XXIII. entschieden, dass alle Kardinäle, die noch nicht die Bischofsweihe haben, auch die Bischofsweihe empfangen. Aber es gab – wie das in der Kirche so ist – immer wieder die Möglichkeit, Dispensen und Ausnahmen zu schaffen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 

Kardinäle

Ein Kardinal ist der höchste katholische Würdenträger nach dem Papst. Das Wort "Kardinal" leitet sich vom lateinischen Wort "cardo" (Türangel) ab. Das Kardinalskollegium ist das wichtigste Beratergremium des Papstes. Zudem hat es die Aufgabe, für die Papstwahl zu sorgen. Dafür ist eine Richtgröße von 120 Papstwählern vorgesehen, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen; derzeit gehören dem Kollegium 128 wahlberechtigte und 110 nicht wahlberechtigte Kardinäle an. Der Papst bestimmt die Kardinäle frei.

Pileoli in rot, schwarz und violett liegen am 23. Januar 2018 in einem Paramentengeschäft in Köln auf einem Tisch / © Harald Oppitz (KNA)
Pileoli in rot, schwarz und violett liegen am 23. Januar 2018 in einem Paramentengeschäft in Köln auf einem Tisch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR