DOMRADIO.DE: Sie wollen in Albanien auf Spurensuche von Pfarrer Josef Marxen gehen. Der stammte aus Worringen und wird heute als seliger Märtyrer verehrt. 1946 wurde er von den Kommunisten in Albanien erschossen. Wer war er?
Thomas Wolff (Leitender Pfarrer der Pastoralen EInheit Köln Nord): Josef Marxen war ein "kölsche Jung" und ist 1906 in Worringen zur Welt gekommen. Er wurde in der Kirche Sankt Pankratius getauft.
Die Familie ist nach kurzer Zeit umgezogen. Sie ist mehrmals umgezogen, weil der Vater bestimmte behördliche Aufgaben hatte. Josef Marxen ist wenig später Missionar geworden. Er ist nach Albanien gegangen und hat dort in zwei Gemeinden seinen Dienst getan.
1946 ist er unter den Kommunisten hingerichtet worden. 2016 ist er von Papst Franziskus mit 37 weiteren Laien, Priestern und Ordensleuten für selig erklärt worden.
DOMRADIO.DE: Sie möchten mit Ihrer Reise dafür sorgen, dass die Verehrung des seligen Josef Marx gefördert wird. Was haben Sie vor?
Wolff: Wir wollen zunächst einmal mit den Gemeinden Kontakt aufnehmen, in denen Josef Marxen in seiner Zeit tätig gewesen ist. Man muss dazu sagen diese Kontakte sind schon durch die Großnichte des Seligen Dr. Cäcilia Giebermann auf den Weg gebracht worden.
Sie wird mit ihrer Tochter an dieser Reise teilnehmen. Sie hat schon über Jahre recherchiert und Kontakt mit Menschen aufgenommen, deren Eltern, Großeltern, Verwandte den Seligen noch kennengelernt hatten. Das ist mal der allererste Punkt, Kontakt in die Gemeinden aufzubauen und zu schauen, was sich für die Zukunft aufbauen lässt.
DOMRADIO.DE: Sie fahren dorthin, um die Spuren zu entdecken und um die Verehrung zu fördern. Wie kamen Sie, Herr Stiels, dazu mitzufahren?
Gregor Stiels (Vorsitzender des Katholikenausschusses in der Stadt Köln): Pfarrer Wolf hat mich angesprochen, ob ich mitkomme. Nun wohne ich selbst in Worringen. Von daher sind mir Taufstelle und auch der Wohnort des Seligen bekannt. Ich habe sofort einen persönlichen Bezug dazu gehabt.
Ich habe mich jedoch gefragt, ob über diesen lokalen Bezug hinaus der Selige jemand ist, der uns für heute etwas sagen kann. Als ich dann das kleine Büchlein von der erwähnten Cäcilia Liebermann las, was es über ihn zu lesen gibt, musste ich feststellen, dass es so ist.
Mich hat an dem Seligen zum Beispiel sehr beeindruckt, wie er seine Priesterrolle wahrgenommen hat. Ihm stand beispielsweise in Albanien ein Pferd zur Verfügung als Zeichen der Wertschätzung und der Ehrerbietung. Er hat aber darauf verzichtet und gesagt, dass er das nicht tue, weil er als Priester nicht von oben auf die Menschen herab blicken möchte.
Er ging lieber zu Fuß, maximal hatte er einen Esel für den Transport. Er ging zu Fuß, um auf Augenhöhe mit den Menschen zu sein und um in Kontakt zu kommen.
Das kann für uns als Kirche heute ein wohltuendes Zeichen und Symbol sein. Auch die Frage: wie nehmen wir die Rolle auch von Priestern wahr und wie nehmen sie ihre Rolle wahr? Wie nah sind sie bei den Menschen? Der Selige hat das auf eine gute Art und Weise getan.
DOMRADIO.DE: Man könnte natürlich erwidern, dass man mit dem Pferd viel schneller und viel mehr Menschen erreichen kann.
Stiels: Genau das, diese Replik, habe ich auch im Kopf gehabt. Aber worum geht es uns denn? Geht es uns darum, auch jetzt in unseren neuen pastoralen Einheiten, die wir haben, den Pastor möglichst schnell von Gremium zu Gremium zu hetzen und ihm ein möglichst schnelles Auto zur Verfügung zu stellen? Um in der Analogie zu bleiben.
Oder ist es vielmehr wichtig, zu entschleunigen, bei den Menschen zu sein und auch mal zu zeigen: Ich bleibe stehen, wenn du mir was zu sagen hast. Wenn du eine Not hast oder eine Sorge hast, bin ich auch da und höre dir zu. In einem schnellen Auto und auf einem Pferd funktioniert das nicht.
DOMRADIO.DE: Er grinst ein bisschen, der Pastor Wolff?
Wolff: Was wichtig ist, was auch Herr Stiels schon angedeutet hat, ist, dass wir die Dinge, die den seligen Josef Marxen ausgemacht haben, für uns heute in der modernen Zeit übernehmen können.
Er hat mit dem interreligiösen Dialog zu tun gehabt. Damals gab es diesen Begriff noch nicht. In seiner zweiten Gemeinde in Albanien zum Beispiel hatte er nicht nur Kontakt zu den katholischen Gemeindemitgliedern und zu orthodoxen Christen, sondern auch zu Muslimen.
Das wird zum Beispiel deutlich, als er das erste Mal verhaftet wurde und ein Schriftstück entstanden ist von Menschen und Ältesten aus diesem Dorf, auf dem nicht nur Katholiken und Orthodoxe, sondern auch Muslime unterschrieben und gezeichnet haben. Das "Dom Zef", so wurde er damals genannt, für die Gemeinde eine wichtige Bedeutung hatte, und zwar für alle Menschen, die da waren.
Interreligiöser Dialog wäre ein Motiv. Das Zweite ist auch die Frage der Inkulturation. Das hat Herr Stiels gerade angesprochen, dass er auf Augenhöhe mit den Menschen unterwegs war. Auch deshalb, weil er sich frühzeitig mit der Kultur, mit der Sprache und den Gesetzesbestimmungen, etwa dem Gesetz der Berge, auseinandergesetzt hatte und so auf dieser Ebene mit den Menschen anders in die Kommunikation, in die Interaktion treten konnte.
DOMRADIO.DE: Sie, Herr Wolff, haben angesprochen, dass Marxen sich damals mit dem Gesetz der Berge in Albanien gut auseinandergesetzt hat und versucht hat, damit umzugehen. Wenn Sie da hinfahren, auf was machen Sie sich denn gefasst? Wie ist das Gesetz der Berge?
Wolff: In Albanien gelten natürlich die modernen Gesetzesbestimmungen. Aber es gibt alte Kulturen, und Dinge, die wichtig sind. Wie gehen die Menschen miteinander um, in einer Zeit, in der es die ganzen, ich sage mal, demokratischen Gesetze noch nicht gegeben hatte.
DOMRADIO.DE: Albanien ist noch nicht lange nicht mehr kommunistisch und diktatorisch.
Wolff: Diese Gesetze waren uralt und sehr weit über die Jahrhunderte überliefert. Es galt zum Beispiel das Gesetz der Blutrache. Das war das Tolle, dass sich der Josef Marxen damit so auseinandergesetzt hatte, dass er auch die Kniffe kannte. Er wusste was als Priester mit einer entsprechenden Autorität zu tun ist, um zwischen verfeindeten Familien vermitteln zu können. Das werden wir natürlich nicht tun müssen.
Aber zu schauen, was sind die Traditionen? Es gibt zum Beispiel die Tradition, wenn ein Gast empfangen wird, dann wird Brot und Salz gereicht. Dann soll man das tunlichst auch annehmen, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass man sich gerne als Gast aufnehmen lassen möchte.
Dann gilt, das hat uns auch Frau Dr. Gebarmann angekündigt, dass diese Familie für die Zeit, wo wir zu Gast sind, an einem Vormittag oder Nachmittag, dass wir einen sehr hohen Stellenwert haben, dass für unseren Schutz gesorgt ist. Das wäre ein Punkt, dass wir sensibel auf diese Tradition schauen wollen.
DOMRADIO.DE: Jetzt bringen Sie las Gäste nicht nur Brot und Salz mit, sondern Sie haben andere Geschenke dabei. Kerzen mit dem Abbild von Josef Marxen und Sie haben Sie auch Gedenkplatten dabei, die das Erzbistum Köln spendet. Wo sollen die denn hin?
Wolff: Es gilt die Stellen und die Stätten vom seligen Josef Marxen kennenzulernen, die Stellen, wo er tätig war in einer größeren Stadt, aber auch in den Bergen. Wenn die Gedenktafeln dort hängen und der Ausdruck der Verbundenheit zu uns da ist, ist das ein erster Schritt.
Neben den Kontakten, die schon geknüpft wurden, die Bande weiter zu stärken und dass das dann hier ins Erzbistum Köln auch reinzutragen. Das ist die Idee, an den Stellen diese Gedenktafeln aufzuhängen.
DOMRADIO.DE: Sie haben auch vor, einen Menschen zu treffen, der Josef Marxen persönlich gekannt hat.
Wolff: Wenn es klappen sollte, dann werden wir mit einem sehr alten Priester, der von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt worden ist, Kontakt aufnehmen.
Ernest Simoni, der damals als Priester einer der wenigen gewesen ist, die diese furchtbare Zeit überlebt haben. Er hat noch bei der großen Feier in Albanien die Überreste seiner Mitbrüder in einer großen Kiste, in einem Reliquiar zum Altar tragen können. Das ist aber noch nicht ganz sicher.
DOMRADIO.DE: Sie haben auch noch was sehr Spannendes vor. Sie wollen sich mit dem albanischen Präsidenten treffen und dann möchten Sie ihn bitten, die bis jetzt verschlossen gehaltene Liste der Gräber der Hingerichteten zu öffnen, um dann eben auch an die Grabstätte des seligen Josef Marxen zu kennen. Das klingt ehrlich gesagt abenteuerlich. Wie kann ich mir das vorstellen?
Wolff: Eigentlich hat die albanische Regierung das selbst gesetzt. Die Märtyrer und es ist auch eine Märtyrerin, sind nicht nur auf der christlichen Seite zu Seligen erhoben worden, sondern sie werden heute in Albanien im staatlichen Gedenken als Helden und Heldinnen verehrt.
Aus dieser Perspektive wurde der selige Josef Marxen posthum mit einer Medaille des Staates geehrt. Diese Medaille hat die Familie Liebermann überreicht bekommen. Genau an dem Punkt wollen wir anpacken.
Im Sinne von wenn die Menschen bei euch als Helden verehrt werden, dann muss es doch auch euch ein Anliegen sein, diese Verehrung weiterzutragen und dies eben zu ermöglichen. Indem wir die Akten öffnen und schauen können, wo die Personen hingerichtet worden und deren Gräber zu finden sind. Wir wollen sie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Wenn ich das so sagen darf.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.