Juden, Muslime und Christen beten im Bonner "Room of One"

Loben, lernen und fragen

Es geht um Klimaschutz und um Frieden. Wer die Mittagspause nicht in der Kantine verbringen möchte, kann es mit einem besonderen Gebet in einem Kirchenkreuzgang in Bonn versuchen. Dort finden donnerstags multireligiöse Gebete statt.

Autor/in:
Leticia Witte
Symbole für die drei Religionen Islam, Judentum und Christentum / © Vladimir Melnik (shutterstock)
Symbole für die drei Religionen Islam, Judentum und Christentum / © Vladimir Melnik ( shutterstock )

Wenn Nasrin Bani Assadi zum islamischen Gebetsruf anhebt, schwebt ihre Stimme leicht und einladend durch den Raum. Es ist der Auftakt zu einer halben Stunde des Gebets von Muslimen, Juden und Christen in Bonn.

Donnerstags um 14.00 Uhr

Sie treffen sich seit rund fünf Monaten in einem Saal, der vom idyllischen Kreuzgang der Bonner Hauptkirche abgeht und für dieses besondere Gebet in "Room of One" (Raum des Einen) umbenannt wurde. Immer donnerstags um 14.00 Uhr findet hier das multireligiöse Gebet statt. Mit dabei sind ein Kern an Teilnehmenden, aber auch Neugierige, die vielleicht gerade zufällig durch den Kreuzgang flanieren.

Teilnehmende des Mittagsgebets im Room of One in Bonn / © Leticia Witte (KNA)
Teilnehmende des Mittagsgebets im Room of One in Bonn / © Leticia Witte ( KNA )

Rund 30 Menschen haben sich an diesem Donnerstag versammelt, dem ersten Mal nach Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan. Er fällt über weite Strecken mit der christlichen Fastenzeit zusammen, und auch mit einer kurzen Fastenstrecke im Judentum: dem Fasttag Taanit Esther vor dem Fest Purim, das am Samstagabend beginnt und bis Sonntagabend dauert. Mit diesem fröhlichen Fest wird an die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser erinnert.

Annette Boeckler ist beim Gebet für den jüdischen Part zuständig, für das Schma Israel, zentrales Gebet im Judentum; Klaus von Stosch für das christliche Magnifikat, in das viele Teilnehmende einstimmen. 

 Koran-Rezitationen, christliche und jüdische Gebete 

In dieser halben Stunde haben Koran-Rezitationen, christliche und jüdische Gebete und Gesänge ebenso ihren Platz wie eine Tangomelodie mit einem Text, der keiner der drei Religionen entlehnt ist. Dazu spielt eine kleine Orgel. Während im Kirchraum des Bonner Münsters die große Orgel erklingt, die hier, im "Room of One", nur ganz leise hörbar ist.

In einem Kreis sitzen die Teilnehmenden in zwei Reihen auf Stühlen, zum Teil mit Kippa und Kopftuch. An der Kopfseite des Saals steht eine Madonnenstatue, links und rechts davon jeweils eine Tafel mit arabischen Schriftzeichen und einer Darstellung des jüdischen Leuchters.

Blick in den Kapitelsaal des Bonner Münsters 
 / © Niklas Hesselmann (KNA)
Blick in den Kapitelsaal des Bonner Münsters / © Niklas Hesselmann ( KNA )

Die Bezeichnung des Raumes erinnert an das Berliner Projekt "House of One" (Haus des Einen), das ein gemeinsames Bet- und Lehrhaus von Juden, Christen und Muslimen im Zentrum der Hauptstadt werden soll.

Die Bonner Gebetsreihe wird vom International Center for Comparative Theology and Social Issues (CTSI) der Universität Bonn verantwortet. "Im multireligiösen Gebet rezitieren Angehörige verschiedener Religionen in jeweils eigener Tradition im selben Raum voreinander heilige Texte", heißt es im Gebetsheft. 

Keine interreligiöse Veranstaltung 

Es wird Wert darauf gelegt, dass es keine interreligiöse Veranstaltung ist,  in der "Gebete gemeinsam gesprochen werden und eine vermeintliche Einheit sichtbar gemacht werden soll". Hierbei bestehe oft eine "Gefahr von Vereinnahmung oder Verflachung, weil ein kleinstmöglicher gemeinsamer Nenner gesucht" werde.

Die Idee: als multireligiöse Gemeinschaft loben, lernen und fragen, heißt es. Vor allem den Aspekt des Lernens hebt auch Boeckler hervor. Bani Assadi bezeichnet es als inspirierend, gerade jetzt die Unterschiede des muslimischen und christlichen Fastens zu beobachten. Es stellten sich ihr etwa diese Fragen: Wie kommen wir zu Gott, auf welchen unterschiedlichen Wegen? Wie beziehen wir uns auf Gott?

Lobende Worte für das Projekt

Von Stosch, katholischer Theologe und Mitinitiator des Projekts, würde die bis Sommer geplante Gebetsreihe gerne fortsetzen. Vonseiten des Bonner Münsters, das den Raum zur Verfügung stellt, kommen in Gestalt von Kaplan Christian Jasper lobende Worte für das Projekt, das unter dem Motto "Faiths United for the Planet" steht - aber auch ein Friedensgebet ist.

Bonner Münster / © Goals Media (shutterstock)

Die Reihe startete nicht lange nach dem 7. Oktober, als die Hamas in Israel ein Massaker beging, auf das Israel mit einem Krieg im Gazastreifen reagierte. Nicht immer einfach sei das Miteinander vor diesem Hintergrund gewesen, man habe sich aber "zusammengerauft", heißt es. Fest steht jedenfalls: Juden, Muslime und Christen treffen sich seit Monaten im "Room of One".

Der Gedanke des Friedens drückt sich an diesem Tag im Schlusslied aus, dass die Teilnehmenden in den sonnigen Frühlingsnachmittag entlässt. Einige sitzen noch ein bisschen auf den Bänken im Innenhof des Kreuzgangs beieinander, durch den noch immer die Orgelklänge der Kirche ziehen.

"Room of one" im Bonner Münster

Am Donnerstag, 26. Oktober 2023, 14 Uhr findet erstmalig ein multireligiöses Gebet im Kapitelsaal im Bonner Münster statt. Ein gemeinsames Projekt des Stadtdekanats und der Universität Bonn. Das Projekt ist zunächst auf zwei Semester bis zum Sommer 2024 angelegt. Die Kooperation steht unter dem Motto: Faiths United for the planet.

Bonner Münster in der Dämmerung / © Henryk Sadura (shutterstock)
Bonner Münster in der Dämmerung / © Henryk Sadura ( shutterstock )
Quelle:
KNA