DOMRADIO.DE: Sie fördern katholische Projekte in Schweden, zum Beispiel die Stockholmer Kirchengemeinde Sankt Eugenia. Inwiefern unterscheidet sie sich von einer deutschen Pfarrei?
Monsignore Georg Austen (Generalsekretär und Hauptgeschäftsführer des Bonifatiuswerkes): Die katholische Kirche in Nordeuropa ist mehr eine Einwandererkirche. Denn es war hier über 200 Jahre lang verboten, katholisch zu sein und die katholische Religion auszuüben. Die Gemeinde Sankt Eugenia ist die älteste in Schweden, mitten in Stockholm gelegen. Der Kardinal nennt sie immer das Schaufenster in die Gesellschaft hinein.
Mehr als 80 Nationen gehören zu dieser Pfarrei. Es ist eine Pfarrei, die wächst, wie die katholische Kirche insgesamt hier in Schweden oder in Nordeuropa. Sie wächst jährlich um etwa drei Prozent. Viele der Katholiken sind gar nicht registriert, man geht davon aus, dass es tatsächlich zwei bis drei Mal so viele sind.
Aber es ist weiterhin eine Kirche in der Minderheit, eine junge internationale Kirche. Pfarrer Dominik Terstriep (Pfarrer der katholischen Gemeinde Sankt Eugenia in Stockholm, Anm. d. Red.) berichtete uns vor kurzem, dass er feststellt, dass man sich gerade in diesem Rahmen für den katholischen Glauben interessiert, für die Schönheit, für die Tiefe, aber auch den intellektuellen Anspruch.
Sie hatten letztes Jahr in der Osternacht 28 Erwachsenentaufen. Das ist eine Herausforderung. Wie können wir in einem säkularisierten Land, einer stark lutherisch geprägten Gesellschaft als katholische Kirche leben? Wie können wir den unterschiedlichen Nationen, Nationalitäten und Sprachgruppen eine Beheimatung geben? Wie können wir in die Gesellschaft als katholische Kirche mit unseren Werten, mit unserer Zusammenarbeit in ökumenische Hinsicht hineinwirken?
Die Pfarrei Sankt Eugenia ist eine sehr lebendige Pfarrei. Am Samstag sind dort die Katechese-Gruppen. Es gibt offiziell keinen katholischen Religionsunterricht. Man bereitet sich zwei Jahre auf die Firmung und die Erstkommunion vor. Da gibt es schon ein sehr lebendiges Treiben von ehrenamtlichen Katechetinnen und Katecheten, um sich auf diese Sakramente vorzubereiten. Es ist einfach erfreulich, das dort zu erleben und zu sehen.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie sagen, diese Gemeinde wächst, wird sie auch räumlich ausgebaut?
Austen: Ja, sie brauchen dringend neue Räume. Es geht vor allen Dingen auch um Schutzmaßnahmen, weil die Räumlichkeiten aus allen Nähten platzen. Das ist ein Unterschied zu unserer Situation in Deutschland, hier in Schweden braucht man mehr Räume, mehr Kirchen.
Ich bin gleich unterwegs nach Eskilstuna. Dort braucht man für die Chaldäer eine neue Kirche. Für mich ist es schön zu sehen, was sich in den letzten Jahren getan hat, auch mit und durch die Hilfe von Spenderinnen und Spendern durch das Bonifatiuswerk. Die Herausforderungen bleiben aber trotzdem.
DOMRADIO.DE: Sie haben die einzige katholische Hochschule ganz Skandinaviens besucht, das Newman-Institut in Uppsala. Sie ist unter deutscher und unter jesuitischer Leitung. Dort leisten sie unter anderem mit Praktikantinnen und Praktikanten des Bonifatiuswerks Unterstützung.
Austen: Wir unterstützen durch die Praktikanten, aber auch durch die Entstehung des Newman-Instituts überhaupt. Es handelt sich um die erste katholische Hochschule für Theologie, Kultur und Philosophie seit der Reformation. Erfreulich ist, dass sie lebt und staatlich anerkannt ist. Etwa 320 Studierende sind dort aus aller Welt, aber auch aus Schweden.
Man hat dort die Möglichkeit, auch Religionslehrer und Religionslehrerinnen auszubilden. Es kommen teilweise Leute aus dem Ausland. Schön zu sehen ist, dass unsere Praktikanten und Volontäre dort mitarbeiten. Sie können dort die Schönheit dieses Landes erleben – genauso wie in anderen nordeuropäischen Ländern - aber gleichzeitig die Situation der Diaspora-Kirche spüren und sich sozial engagieren.
Ich hatte gestern ein Treffen mit zwei Praktikanten. Nach den Monaten merkt man einerseits, wie ihre Persönlichkeit, ihre Selbstständigkeit gewachsen ist. Sie sind aber auch von der Internationalität, vom Erleben der Kirche dort angetan. Ich glaube, dass sie viel für ihren eigenen Weg mitnehmen, was über das Praktikum hinausgeht.
Eine Praktikantin sagte, dass sie jetzt hier in Schweden studieren will. Das ist einfach erfreulich zu sehen, wie die jungen Menschen hier mitarbeiten, leben und international wirken.
DOMRADIO.DE: Der schwedische Winter hat ihnen nicht zugesetzt?
Austen: Doch, es war schon in der Zeit dunkel. Das war nicht einfach. Aber jetzt kommt die Sonne und es sprießt so langsam. Es ist einfach eine andere Mentalität und eine andere Kultur hier oben zu spüren.
DOMRADIO.DE: Sie haben sich auf Ihrer Reise auch mit Vertretern des schwedischen Familienministeriums getroffen, um sich über was auszutauschen?
Austen: Es ging um für die Familie relevante Themen. Die Kommission "Ehe und Familie" der Deutschen Bischofskonferenz war hier zu Gast und ich war auch als Gast eingeladen. Es ging vor allen Dingen darum, was sich in Schweden tut, was uns im europäischen Kontext verbindet.
Man muss schon sagen, hier ist eine größere Individualität zu finden. Der größte Teil der Menschen lebt in Single-Haushalten. Man merkt, dass die Einsamkeit in diesen Breitengraden weiter wächst. Es ging aber auch um die Frage von Kriminalität, um Ehe und Familie und welchen Momenten wir begegnen. Auch der Lebensschutz war Thema, Anfang und Ende des Lebens. Das wurde alles miteinander besprochen.
Das Interview führte Tobias Fricke.