DOMRADIO.DE: Ihre Festrede für den Bund katholischer Unternehmer (BKU) steht unter der Überschrift: "Die soziale Marktwirtschaft. Garant für Frieden und Freiheit". Warum liegt Ihnen die soziale Marktwirtschaft so am Herzen?
Ralph Brinkhaus (Bundestagsabgeordneter und früherer Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion): Erstmal muss man feststellen, dass die soziale Marktwirtschaft uns jetzt 75 Jahre gut durch die Zeit getragen hat. Denn 75 Jahre BKU fällt zusammen mit 75 Jahren Bundesrepublik, was wir jetzt auch feiern werden. Das ist schon ein Alleinstellungsmerkmal. Die Verbindung von Wirtschaft und Sozialen passt natürlich auch zu den katholischen Unternehmern.
DOMRADIO.DE: Die soziale Marktwirtschaft basiert an vielen Stellen auf der katholischen Soziallehre. Hört die Politik genügend auf die Kirche und die katholischen Unternehmer, denen diese sozialen Aspekte in der Wirtschaft besonders wichtig sind?
Brinkhaus: Die katholischen Unternehmer sind sehr wertebasiert und das ist auch ganz entscheidend für die heutige Zeit, dass man Politik wertebasiert macht. Denn Parteiprogramme sind das eine, aber wenn man ein Parteiprogramm, ein Wahlprogramm, ein Regierungsprogramm beschlossen hat, dann passieren immer irgendwelche Dinge, die man nicht vorausgesehen hat.
Wie jetzt der Überfall von Russland auf die Ukraine oder Corona und viele andere Sachen. Da braucht man ein festes Wertefundament, um gute Entscheidungen zu treffen, die man nicht vorhersehen kann. Insofern spielen Werte eine wichtige Rolle. Der BKU vertritt Werte und diese Werte werden auch gehört.
DOMRADIO.DE: Bevor Sie in die Politik gewechselt sind, waren Sie selbstständiger Steuerberater. Sie haben als kaufmännischer Leiter gearbeitet und kennen das unternehmerische Handwerk sehr gut. Verträgt sich die katholische Lehre mit dem Kapitalismus?
Brinkhaus: Das verträgt sich ganz hervorragend. Zwar nicht mit diesem "Manchesterkapitalismus", den wir als Zerrbild immer vor unseren Augen haben, aber es verträgt sich ganz hervorragend mit dem Markt. Denn der Markt hat was mit Freiheit zu tun, mit Eigenverantwortung, mit Subsidiarität.
Das sind natürlich auch alles Elemente, die in der katholischen Soziallehre verankert sind, ergänzt um den ganz wichtigen Faktor Solidarität. Das ist genau das, was die soziale Marktwirtschaft ausmacht.
DOMRADIO.DE: Wo merkt man das in der Kirche als normaler Gläubiger ganz konkret, dass sich die soziale Marktwirtschaft mit der Kirche verträgt?
Brinkhaus: In der Bundesrepublik herrscht ja kein Konflikt zwischen Kirche und Wirtschaft. Eigentlich versteht man sich ganz gut. Man hat verschiedene Gesprächsebenen, zum Beispiel auch über den BKU. Insofern ist es nicht so, dass da ein großer Dissens besteht.
Im Gottesdienst am Sonntag merken Sie es wahrscheinlich nicht. Aber Sie haben dort im Gottesdienst auch viele Leute sitzen – übrigens nicht nur Unternehmerinnen und Unternehmer, sondern auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer –, die Wirtschaft jeden Tag gestalten und die Wirtschaft jeden Tag leben. Da nehmen Sie natürlich auch die Werte mit, die Sie in ihrem Glauben haben.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie heute Abend, wenige Wochen vor der Europawahl vor den katholischen Unternehmern sprechen, was geben Sie denen und den Gästen mit auf den Weg?
Brinkhaus: Auf keinen Fall Europawahlkampf. Denn das ist keine Wahlkampfveranstaltung, sondern eine Festveranstaltung. Es geht um Sachen, die auch jenseits eines Wahlkampfs Gültigkeit haben. Das ist das starke Wertefundament, die Personalität, die Eigenverantwortung, die Freiheit, die Subsidiarität, die Solidarität.
Ebenfalls ganz wichtig ist, dass die soziale Marktwirtschaft ein Ausgleich zwischen dem Sozialen und dem Markt ist. Der Ausgleich ist auch prägend für die Bundesrepublik Deutschland. Es ist wichtig, dass wir diesen Ausgleich, diesen Kompromiss, der immer wieder neu zu definieren ist, auch weiterhin definieren.
Wir leben heute in einer Zeit, wo unglaublich polarisiert wird, wo jeder auf seine Position achtet. Soziale Marktwirtschaft hat genau das überwunden. Das ist eine ganz wichtige Botschaft, dass wenn man Polarisierung überwindet, wenn man Dinge zusammenführt, dass man dann auch in Frieden, in Freiheit und gut leben kann.
DOMRADIO.DE: Sie sind in Ihrem Glauben fest verankert und kennen die Kirche nicht nur von außen, sondern auch von innen. Was legen Sie Ihrer katholischen Kirche ans Herz?
Brinkhaus: Genau das Gleiche, was ich der Politik ans Herz lege: Weniger Diskussionen auf 10.000 Meter Flughöhe zu führen, sondern ganz nah bei den Menschen zu sein. Denn das ist die Aufgabe von Kirche und auf der anderen Seite auch von der Politik. Ich glaube, da haben wir beide noch viel Potenzial nach oben.
Das Interview führte Tim Helssen.