Wie Menschen mit geistiger Behinderung Partner finden

"Wir sind sehr glücklich"

Für Menschen mit Down-Syndrom oder ähnlichen Beeinträchtigungen gestaltet sich die Partnersuche oft schwer. Angebote zur Partnerschaftsvermittlung gibt es nicht viele. Manchmal klappt es aber auch so, wie bei Annika und Viktor.

Autor/in:
Hannah Krewer
Das Ehepaar Annika und Viktor von Wackerbarth auf dem Balkon ihrer Wohngruppe in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. / © Hannah Krewer (KNA)
Das Ehepaar Annika und Viktor von Wackerbarth auf dem Balkon ihrer Wohngruppe in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. / © Hannah Krewer ( KNA )

Wenn Annika von Wackerbarth von der Hochzeit mit Viktor erzählt, dann leuchten ihre Augen. Seite um Seite blättert die 27-jährige im Hochzeitsalbum um und schwelgt in Erinnerungen: an die vielen Freunde, Nachbarn und Familienmitglieder, die an diesem Tag da waren. An das Tanzen auf der Feier. An die Hochzeitsfotos, die sie vor dem Schloss Nymphenburg in München gemacht haben. Und an die Hochzeitstorte. "Das war eine Sachertorte", ergänzt der 26-jährige Viktor von Wackerbarth.

Vor knapp zwei Jahren haben Annika und Viktor geheiratet. Ende Juni 2022 standesamtlich, Anfang August in einer evangelischen Kirche in München. Sie kennen sich schon fast ihr ganzes Leben lang – seit einem Urlaub im Bayerischen Wald 2004. Da waren sie beide gerade in der ersten Klasse. Heute arbeitet Annika als Köchin in einer Werkstatt der Lebenshilfe in Putzbrunn, Viktor als Hausmeister im Landtag in München. Beide haben das Down-Syndrom.

Schwierigkeiten der Partnersuche 

Dass Menschen mit geistigen Behinderungen ihre Partner im familiären Umfeld kennenlernen, sei nicht ungewöhnlich, erklärt Mirka Schulz. Sie berät bei der Lebenshilfe Berlin Menschen mit Behinderungen und jene in deren Umfeld zu allen Fragen rund um Liebe, Beziehung und Sexualität. Auch eine eigene Partnerschaftsvermittlung gehört dazu. 

Denn viele Menschen mit Behinderungen hätten gern eine feste Beziehung, jemanden zu finden sei aber gar nicht so leicht, so Schulz. "Sie treffen eigentlich immer dieselben Menschen. In der Werkstatt oder im Wohnbereich haben sie kaum Möglichkeiten, neue Menschen kennenzulernen."

Online-Dating / © Sebastian Gollnow (dpa)
Online-Dating / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Auf der Such nach dem perfekten Match

Für jeden zugängliche Dating-Apps für Menschen mit Behinderungen sieht sie kritisch: "Die sind eher für Menschen gemacht, die eine körperliche Beeinträchtigung haben. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen fallen da eher durchs Raster." Auch von verbalen Übergriffen oder Beleidigungen auf diesen Plattformen habe sie schon öfter gehört.

Wendet sich jemand an die Partnerschaftsvermittlung der Lebenshilfe Berlin, so wird zuerst ein Gespräch geführt, in dem Vorlieben, Interessen und die Kriterien eines potenziellen Partners besprochen werden. In der Datenbank seien rund 700 Personen, erzählt Schulz. Dass jemand gefunden werde, könne aber nicht immer garantiert werden. Manche bräuchten mehrere Anläufe, einige warteten schon seit vielen Jahren auf ein passendes Match.

Gemütliche Atmosphäre

Wenn es aber jemanden gibt, der passt, dann lädt Schulz beide zu einem ersten Kennenlernen ein – in gemütlicher Atmosphäre mit Blumen und Schokolade. Ob sie selbst, Eltern oder Betreuer dabei sein sollen, entscheiden die beiden, die sich kennenlernen. Am Ende des Treffens können diese dann überlegen, ob sie ihre Telefonnummern austauschen und damit in Kontakt bleiben möchten. 

Bei knapp über der Hälfte der Treffen würden Nummern ausgetauscht, so Schulz. Nicht immer entstehe dabei eine Beziehung. Mittlerweile seien aber schon viele Paare aus der Vermittlung hervorgegangen, einige von ihnen inzwischen verlobt oder verheiratet.

Die Mittel fehlen

Partnerschaftsvermittlungen dieser Art gebe es aber insgesamt zu wenig, kritisiert Schulz. "Was ich total schade finde, weil so ein großer Bedarf da ist." Viele derartige Stellen hätten wieder geschlossen, von Einrichtungen aus anderen Städten habe sie gehört, dass es oft an der Finanzierung scheitere. Zudem würden oft eher inklusive Projekte gefördert, eine solche Partnerschaftsvermittlung sei aber inklusiv nicht zu betreiben. "Es ist gut, dass das ein ganz geschützter Rahmen ist", sagt Schulz.

Eheringe (shutterstock)

Viktor und Annika von Wackerbart leben seit sechs Jahren in einer gemeinsamen Wohnung in der Wohnstätte Heilpädagogisches Centrum Augustinum in der Nähe von München. Ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein Badezimmer gehören dazu. Nur gekocht wird draußen in der Gemeinschaftsküche, auf der anderen Seite des Flures. 

Ihre Wohnung ist die einzige Paarwohnung im Haus. "Wir fühlen uns hier sehr wohl", sagt Viktor. Einige wenige der 27 Bewohner des Hauses führten noch eine Beziehung, erzählt das Paar, die meisten seien aber Single.

Streits gehören dazu 

Wie bei jedem Paar läuft auch bei Annika und Viktor nicht immer alles rund. Mal gibt es Streit mit den Nachbarn in der Wohngruppe, mal Fragen zur Beziehung. Es sei wichtig, über Gefühle und Streit zu sprechen, meint Annika. Diese Erfahrung hat auch Mirka Schulz bei der Beratungsstelle der Lebenshilfe Berlin gemacht. 

Paare kämen häufig mit ähnlichen Problemen zu ihr: Eifersucht, Sex oder eine Beziehung auf Augenhöhe seien häufige Anliegen. "Das sind Themen, die auch in Beziehungen ohne Beeinträchtigung vorkommen, aber bei Menschen mit Beeinträchtigungen noch häufiger", so ihre Einschätzung.

"Wir sind sehr glücklich"

In Annika und Viktor von Wackerbarths Wohnzimmer finden sich auch zwei Jahre danach noch viele Erinnerungen an ihre Hochzeit. Auf einem Schrank stehen Hochzeitsfotos, auf einem Kissen ist Annika im Brautkleid zu sehen und auf dem Tisch liegt ein gravierter Aufhänger mit ihrem Namen und ihrem Hochzeitsdatum. 

Und auch, wenn es ein paar Besonderheiten gab – zum Beispiel mussten ihre Eltern, die zugleich ihre gesetzlichen Betreuer sind, bei ihrer standesamtlichen Hochzeit mit unterschreiben – sagen beide: "Wir sind sehr glücklich."

Down-Syndrom / Trisomie 21

Das Down-Syndrom ist auf eine Chromosomenstörung zurückzuführen. Bei den Betroffenen ist das Chromosom 21 dreifach vorhanden und nicht wie üblich doppelt. Sie haben also in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere Menschen, nämlich 47 statt 46. Das Down-Syndrom wird daher auch als Trisomie 21 bezeichnet und ist keine Krankheit, sondern eine genetisch bedingte, nicht veränderbare Veranlagung.

Eine Frau hält ein Kind mit Down-Syndrom auf dem Arm / © NDAB Creativity (shutterstock)
Eine Frau hält ein Kind mit Down-Syndrom auf dem Arm / © NDAB Creativity ( shutterstock )
Quelle:
KNA