DOMRADIO.DE: Was erfährt man in historischen Romanen über das Pilgern zu Zeiten, in denen nur wenige Menschen aus unserem Kulturkreis überhaupt das Geld oder die Gelegenheit dazu hatten, zu reisen?
Beate Steger (Pilgerexpertin): Wir erfahren vieles über Pilgerinnen. Ich denke, dass es im Mittelalter mehr die Männer waren, die gepilgert sind und die Frauen nicht so weit herausgekommen sind. Und es waren oft Autorinnen, die darüber geschrieben haben.
Das Pilgern war damals auf jeden Fall immer mit sehr vielen Schmerzen und Leiden verbunden sowie mit der Unterkunft in Klöstern. Die Klöster waren verpflichtet, Pilgerinnen und Pilger aufzunehmen. Oft gab es da nur dünne Suppen zu essen. Also es war nicht einfach zu der damaligen Zeit. Und Gore-Tex gab es früher auch noch nicht.
DOMRADIO.DE: Welche Autorinnen und Autoren historischer Romane schreiben denn über das Thema Pilgern?
Steger: An "Iny Lorentz" kommt man nicht vorbei, wenn man von historischen Romanen spricht. Das ist ein Autorenehepaar, das gemeinsam schreibt. In der Welt derjenigen, die historische Romane lesen, werden sie geliebt oder gehasst. Sie erzählen ganz klassisch die Geschichte einer Pilgerreise einer Frau nach Santiago de Compostela.
Der Roman handelt von einer Frau im 14. Jahrhundert, die sich als Mann verkleidet auf die Pilgerreise begibt. Das Buch heißt dementsprechend auch "Die Pilgerin" und wurde zudem verfilmt. Ich muss zugeben, dass ich kein großer Fan von "Iny Lorentz" bin. Daher habe ich damit ein bisschen Schwierigkeiten. Aber es gibt viele, die das lieben.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn aus Ihrer Sicht einen besonders gelungenen historischen Roman über das Pilgern?
Steger: Die Autorin Brigitte Riebe kann ich da anführen. Das ist eine promovierte Historikerin. Sie weiß, wovon sie schreibt. Aber die Frage stellt sich in diesem Zusammenhang, ob man auch schöne Romane schreiben kann. Und ich finde, sie kann es. Sie hat schon im Jahr 2003 einen Roman geschrieben, also noch vor dem großen Boom des Pilgerns auf dem Jakobsweg. In ihrem Buch geht es in das 13. Jahrhundert. Das Buch heißt "Straße der Sterne". Darin ist die Tochter und Erbin eines reichen Fernhändlers (Fernhändler sind Händler, die ihre Waren auf dem Landweg über größere Strecken zu ihren Kunden transportieren, Anm. d. Red.) die Protagonistin. Sie ist blind und macht sich auf den Weg nach Santiago.
Brigitte Riebe stellt ihr viele Mitpilger an die Seite, unter anderem auch einen Mann, der "Camino" heißt. Das finde ich besonders schön. Das ist ein weiser alter Pilger. "Camino" ist zudem das spanische Wort für "Weg" und wird auch als Synonym für den Jakobsweg in Spanien genutzt.
Brigitte Riebe hat auch noch einen Fortsetzungsroman geschrieben, der "Die sieben Monde des Jakobus" heißt. Das Buch knüpft an den ersten Band an und spielt 300 Jahre später, also im 16. Jahrhundert. Manche sagen, der sei sogar noch besser als der erste. Es ist ein guter Einstieg zum Thema Pilgern und historische Romane.
DOMRADIO.DE: Sie haben zudem einen Roman über die “Pilgerin von Passau” rausgesucht. Wovon erzählt er und wer hat ihn geschrieben?
Steger: Dieses Buch hat Maren Bohm geschrieben. Es ist interessant, weil es nicht um den Jakobsweg geht, sondern um eine Reise nach Jerusalem im 11. Jahrhundert. Da geht es um den Ersten Kreuzzug. Man erfährt in diesem Buch ganz viel zu diesem Thema. Kreuzzüge und Jerusalem sind immer spannend. Für mich ist das auch eine gute Geschichte.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn auch eine Pilgergeschichte, die in Köln spielt?
Steger: Ja, tatsächlich. Dirk Schillings hat zusammen mit seiner Frau den Roman "Der Chronist des Pilgers" geschrieben. Die Erzählung spielt gegen Ende des 15. Jahrhunderts und hat sogar einen authentischen Reisebericht von Ritter Arnold von Harff als Grundlage. Im Roman geht es zu den bedeutenden Pilgerzielen der Christenheit, also nicht nur nach Santiago de Compostela. Ich finde es immer schön, wenn man auch noch einen authentischen Reisebericht als Grundlage hat.
Moderne Pilgerwege verdanken ihre Existenz ja teilweise auch solchen historischen Reisen: Die "Via Romea" etwa geht zurück auf Albert von Stade (Bremer Domherr und Abt im 13. Jahrhundert, später Geschichtsschreiber, Anm. d. Red.), der tatsächlich im 13. Jahrhundert nach Rom gereist ist. In diesem Roman gibt es diese historische Grundlage. Das ist eine gute Kombination, wie ich finde.
Das Interview führte Dagmar Peters.