Bundespräsident gedenkt des ermordeten Politikers Lübcke

"Worte können Waffen sein"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei der Gedenkfeier für den vor fünf Jahren ermordeten Politiker Walter Lübcke über die Gefahren von Extremismus gesprochen. Dieser Mord sei eine Mahnung, die besonders dringlich scheint.

Autor/in:
Joachim Heinz
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Gedenkfeier zum fünften Todestag von Walter Lübcke. / © Swen Pförtner (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Gedenkfeier zum fünften Todestag von Walter Lübcke. / © Swen Pförtner ( dpa )

"Attacken auf Politiker: Es ist ein Hochrisikojob geworden" - "CDU-Politiker Kiesewetter nach Angriff leicht verletzt" - "Nach Messerattacke in Mannheim: Polizist schwebt weiter in Lebensgefahr". Mit Blick auf die Schlagzeilen des Wochenendes dürften sich all diejenigen bestätigt fühlen, die vor einer zunehmenden gesellschaftlichen Radikalisierung warnen. Extremisten, so lautet die beunruhigende Botschaft, höhlen das demokratische Miteinander mehr und mehr aus.

Trauer um Walter Lübcke (CDU) / © Uwe Zucchi (dpa)
Trauer um Walter Lübcke (CDU) / © Uwe Zucchi ( dpa )

In Kassel kamen am Sonntag Vertreter aus Politik, Kirchen und Gesellschaft zusammen, um an die Ermordung von Walter Lübcke vor fünf Jahren zu erinnern. Der CDU-Politiker war in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen worden. Bundesweite Bekanntheit hatte der Kasseler Regierungspräsident zuvor durch seinen Einsatz für Flüchtlinge und seinen Widerspruch gegen die Pegida-Bewegung erlangt.

"Als Christ folgte er einem klaren, moralischen Kompass: Wer vor Krieg, Gewalt oder Hunger flieht, der muss geschützt werden", sagte die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, bei der Gedenkveranstaltung. Sie fand in der Martinskirche in Kassel statt. Dort wurde vor fünf Jahren auch die Trauerfeier für den Ermordeten abgehalten.

"Extremistische Gewalt tötet"

Als Hauptredner konnten die Veranstalter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gewinnen. Und der rief vor rund 1.000 Gästen eindringlich zu mehr Anstand in öffentlichen Debatten auf. Lübckes Tod sei eine Mahnung, "wie Worte zu Hass aufstacheln und wie aus diesem Hass Gewalt werden kann", so das Staatsoberhaupt. "Extremistische Gewalt - ganz gleich, ob linksextremistische, rechtsextremistische oder islamistische Gewalt - extremistische Gewalt tötet und sie will Demokratie zerstören."

Im Fall Lübckes standen offenbar rechtsradikale Motive hinter dem Verbrechen. Ein Auslöser soll ein Auftritt von ihm im Herbst 2015 auf einer Bürgerversammlung im nordhessischen Lohfelden gewesen sein, wo er sich in einer Debatte über ein geplantes Flüchtlingsheim für Mitmenschlichkeit und Menschenwürde stark machte. Dieser Auftritt machte später in Form eines kurzen Videoausschnitts im Internet die Runde.

Rechtsextremismus unterschätzt 

Steinmeier räumte Versäumnisse im Umgang der Behörden speziell mit dem Rechtsextremismus ein. "Viel zu lange haben wir in unserem Land an der Einschätzung festgehalten, man habe es mit Einzeltätern, vielleicht mit einer kleinen Bande zu tun." Die rechtsextreme Ideologie, die vorhandenen Strukturen und Netzwerke, die Gruppierungen und ihre Kontakte seien unterschätzt worden.

Ein Beispiel dafür: die Mord- und Anschlagsserie der Terrorzelle NSU. Lange Zeit liefen die Taten in der Öffentlichkeit unter dem diskriminierenden Begriff "Döner-Morde", weil sie in einem migrantischen Milieu begangen wurden. Eines der Opfer war der 2006 in Kassel ermordete Halit Yozgat. Seine Schwestern waren in die Martinskirche gekommen - ebenso wie die Angehörigen von Walter Lübcke.

"Lehren für die Zukunft"

Lübcke und die anderen Opfer des Rechtsterrorismus "geben uns als Gesellschaft Lehren für die Zukunft auf", sagte der Bundespräsident. Um Hass und Gewalt entgegenzuwirken, brauche es unter anderem mehr Zivilcourage. "Es ist immer möglich, Nein zu sagen. Es war möglich, den verzerrenden Videoausschnitt der Bürgerversammlung von Lohfelden nicht in sozialen Netzwerken zu teilen. Es ist möglich, nicht mitzusingen, wenn einer rassistische Gesänge anstimmt. Es ist möglich, nicht mitzulachen, wenn einer einen menschenfeindlichen Witz macht."

Miteinander und nicht gegeneinander

Vielleicht ein erster Schritt, um das Ruder herumzureißen. "Wer andere beleidigt, bedroht oder herabwürdigt, der muss überall auf Widerspruch stoßen", sagte auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seinem am Sonntag veröffentlichten Video-Podcast. Und zum Abschluss des Katholikentags in Erfurt rief die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, den Teilnehmern zu: "Wir wollen miteinander leben - nicht gegeneinander! Wir wollen den Frieden suchen - und dem Hass widerstehen." 

In Kassel luden sie im Anschluss an die Gedenkfeier für Walter Lübcke zu einem Demokratiefest. Auch das gehört zu den Schlagzeilen dieses Wochenendes.

Quelle:
KNA