Die Zahl der Anfeindungen gegen Christen hat im vergangenen Jahr laut dem Jerusalemer "Rossing Center für Bildung und Dialog" in beunruhigender Weise zugenommen. Am Dienstag stellte die interreligiöse Organisation ihren Jahresbericht 2023 zu "Angriffen auf Christen in Israel und Ostjerusalem" am ökumenischen Institut "Tantur" vor. Darin fordert sie dringendes Handeln, aber auch bessere Mechanismen zur Erhebung relevanter Daten.
Zugenommen haben demnach Fälle von Anspucken, verbaler und körperlicher Belästigung, schwerer Sachbeschädigung und Grabschändung. Basierend auf Angaben von Opfern, Zeugen, Kirchen und Polizei sowie Medienberichten verzeichnete das Zentrum für 2023 unter anderem 32 Fälle von Übergriffen auf kirchliches Eigentum. Hinzu kommen sieben Fälle von Gewalt gegen Christen und rund 30 Spuckangriffe, darunter auch gegen ausländische christliche Pilger.
Anspucken harmlos
Während schwere Fälle von Gewalt wie der Angriff auf den anglikanischen Friedhof im Januar entsprechende Reaktionen nach sich zögen, seien es die scheinbar harmlosen Zwischenfälle wie das Anspucken von Christen, die der christlichen Gemeinschaft durch ihren erniedrigenden und ermüdenden Charakter zusetzten, so Hana Bendcowsky, Programmdirektorin im Rossing Center.
Präzise Zahlen zu den Angriffen seien schwer erhältlich, sagte der Leiter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELKJHL), Bischof Sani Ibrahim Azar. Ähnlich äußerte sich Federica Sasso vom Rossing Center. Die Zahl der offiziell bekannten Fälle von Spuckangriffen etwa sei nur "die Spitze der Spitze des Eisbergs". Mitverantwortlich sei die Tendenz der Opfer, aus Demut und mangels Wissens über Strafverfolgungsmöglichkeiten die Übergriffe nicht zu melden. Die kleiner werdende christliche Minderheit befinde sich in "einem der verletzlichsten Momente seit Langem", so Sasso. Gleichzeitig sei es in Zeiten eines andauernden Kriegs schwierig, für Spuckangriffe auf Christen zu sensibilisieren.
Die Organisation sieht einen Zusammenhang zwischen der Zunahme der Angriffe und dem "breiteren gesellschaftspolitischen Klima" im Land, das geprägt sei von einem Rechtsruck, wachsendem Nationalismus und einer Betonung der jüdischen Identität. So habe kurz nach der "Machtübernahme durch die rechtsgerichtete, ultranationalistische Koalition" die Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland sprunghaft zugenommen, wobei einige Siedlerangriffe "pogromartige Ausmaße angenommen" hätten. Der Kontext aus israelisch-palästinensischem Konflikt und sich überschneidenden religiösen und nationalen Identitäten erschwere es, die Übergriffe ausschließlich als Angriff auf die christliche Identität zu verstehen. Das Fehlen einheitlicher Erhebungsmethoden erschwere eine vergleichende Untersuchung.
Mehr Solidarität
Das Rossing Center sprach sich für gemeinsame Anstrengungen aus, "um gegen die eskalierenden Feindseligkeiten gegen Christen in Jerusalem vorzugehen". Für einen ganzheitlichen Ansatz schlägt das Zentrum Aktionen auf Ebene von Polizei, Behörden, Schulen und christlichen Gemeinden vor. Polizei und andere relevante Behörden sollten zum Thema Christentum geschult sowie eine örtliche und eine nationale Stelle eingerichtet werden, die als Verbindung zu den Kirchenleitungen fungierten, so die Forderung. Es sei nötig, dass Behörden und jüdische Religionsführer mehr Solidarität zeigten und Übergriffe klar verurteilten. Über Lehrpläne in Schulen solle das Wissen über Christen verbessert werden. Christen wiederum sollen ermutigt werden, Angriffe zu melden.
Das Rossing Center und sein "Jerusalemer Zentrum für jüdisch-christliche Beziehungen" setzen sich für Frieden, Gerechtigkeit und Gleichheit von Israelis und Palästinensern sowie für eine religiöse, ethnische und nationale Vielfalt ein. Seine Advocacy- und Bildungsinitiative zielt darauf ab, Wissen über und Verständnis für die christlichen Gemeinschaften zu verbessern, die seit Jahren "zunehmenden Schikanen" ausgesetzt seien. Mit dem Jahresbericht will es nach eigenen Angaben dazu beitragen, die "Gerechtigkeit in den christlich-jüdischen Beziehungen» zu fördern, in dem es das "Bewusstsein für Intoleranz gegenüber Christen bei der großen Mehrheit der Israelis" schärft.