DOMRADIO.DE: Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki stellt eines seiner wichtigsten Beratungsgremien neu auf. In Ihrer Pressemitteilung als Reaktion darauf schreiben Sie, dass durch die Umstrukturierung unliebsame Meinungen und Personen aus dem Gremium herausgehalten werden sollen. Das ist eine ziemlich starke Unterstellung. Wie begründen Sie die?
Raimund Lukannek (Vorstand des Diözesanrates, der demokratisch gewählten Vertretung der Katholiken im Erzbistum Köln): Wenn Sie in den letzten Jahren Presseerklärungen vom Diözesanrat und auch von anderen Gremien im Erzbistum verfolgt haben, werden Sie mitbekommen haben, dass der Diözesanrat nicht unbedingt das Gremium ist, was dem Erzbistum in seiner Tätigkeit nur zustimmt. Wenn wir jetzt sehen, dass im neuen Diözesanpastoralrat die gewählten Laien von etwa 14 auf 4 Prozent gekürzt werden, ist das zunächst mal eine sehr starke Veränderung.
Was das Erzbistum vorhat, wurde uns in einer Videokonferenz mitgeteilt, ohne dass wir uns dazu beratend äußern konnten. Ich glaube also nicht, dass das ein Spiegel der Diözese ist.
Ich glaube vielmehr, dass wir in der Diözese davon leben, dass sich gläubige Christen in Pfarrgemeinden, in Verbänden engagieren und dann gegebenenfalls dieses Engagement auch nach oben hin in den Diözesanrat oder in weitere Gremien geben. Diese Möglichkeit wird uns jetzt aber genommen.
Es steht noch nicht fest – denn wir haben erst demnächst eine Vollversammlung – wie wir überhaupt damit zurechtkommen wollen, dass in Zukunft nur noch zwei Diözesanrat-Mitglieder im Diözesanpastoralrat vertreten sind. Wie wollen wir da eine Parität zwischen Männern und Frauen, zwischen Verbänden und Vereinen herstellen, zwischen Alt und Jung, also all dem, was wir für richtig halten und was auch ein Spiegel der Diözese wäre? Wenn man sich das so überlegt, dann glauben wir schon, dass damit unsere Stimme mehr oder weniger wegradiert wird.
DOMRADIO.DE: Von zehn auf zwei Mitglieder wird die Anzahl der Vertreter aus dem Diözesanrat reduziert. Aber der Diözesanrat hat als Vertretergremium der Laien doch auch so genug Möglichkeiten, mit dem Kardinal als Gremium zu sprechen und sich auszutauschen. Da klingt es doch vernünftig, den Diözesanpastoralrat auf eine noch viel breitere Basis zu stellen.
Lukannek: Grundsätzlich haben Sie da recht, aber wenn Sie sich die Folien anschauen würden, die wir vorgelegt bekommen haben, dann stehen in den Folien alle möglichen Beratungsgremien, die sich mit dem Kardinal regelmäßig beraten. Aber von einem Diözesanrat ist da nicht die Rede. Wir sind mittlerweile völlig verschwunden. Es gibt einen Rat der Dechanten, es gibt einen Rat der Priester, es gibt einen Rat der Leitungsgremien, die alle mit dem Erzbischof reden. Aber der Diözesanrat taucht da nicht mehr auf.
DOMRADIO.DE: Aber Sie könnten doch den Erzbischof immer wieder fragen. Sie haben als gewählte Vertreter der Gläubigen doch immer die Möglichkeit, mit dem Erzbischof zu reden.
Lukannek: Wir reden auch regelmäßig mit dem Erzbischof. Aber dann ist das nicht unbedingt so, dass daraus der Aspekt einer Beratung erfolgen würde, sondern wir tauschen uns aus. Das kann man schon Beratung nennen. Aber damit stellt sich die Frage, wie sich der Erzbischof Beratung vorstellt.
Ist Beratung nur ein Anhören von einer Meinung und dann ist es gut, wenn ich die Meinung nicht habe? Oder hat eine Beratung auch Konsequenzen? Das sehen wir auch im Diözesanpastoralrat in den letzten Jahren immer weniger. Selbst wenn der gesamte Diözesanpastoralrat anderer Meinung ist als der Erzbischof, interessiert ihn das relativ wenig und kirchenrechtlich muss es ihn auch nicht interessieren. Aber ob das immer sinnvoll ist, weiß ich nicht.
DOMRADIO.DE: Jetzt geht es ja erst mal um die Umstrukturierung des Diözesanpastoralrates. Da sollen 18 Mitglieder aus dem ganzen Kirchenvolk in den Diözesanpastoralrat gelost werden, also Menschen, die an kein Gremium gebunden sind. Ist das nicht vernünftig, um die Basis noch breiter partizipieren zu lassen?
Lukannek: Grundsätzlich ist das eine spannende Idee. Aber es stellt sich für mich die Frage, was die Expertise derjenigen wäre, die per Losverfahren gewählt werden.
Ich weiß, es gibt auch andere Gruppen, wo per Losverfahren ein Gremium auf die Beine gestellt wird. Aber ob dieses Gremium dann eine echte Beratungsfunktion hat, weiß ich nicht. Das Losverfahren verlangt, dass die Teilnehmer 16 Jahre alt sein müssen, dass die Teilnehmer im Erzbistum Köln ihren ersten Wohnsitz haben müssen und dass sie uneingeschränkt der Gemeinschaft der katholischen Kirche zugehören. Weitere gibt es nicht.
Lostöpfe gibt es vier Stück. Wie man dann da einsortiert wird und wo genau, ist auch nicht klar. Wenn eine Stimme gezogen wird, was zählt dann mehr: Über 70 oder unter 30? Wir wissen nicht, wer sich bewirbt, um da mitzumachen. Und ob das dann ein Spiegel der Diözese ist, weiß ich auch nicht.
DOMRADIO.DE: Sie werfen der Bistumsleitung eine vorgegaukelte Partizipationsmöglichkeit vor. Das ist ein harter Vorwurf. Wäre es nicht sinnvoller, zunächst einmal abzuwarten und sich dieses Los-Prozedere anzuschauen, wie diese neue Struktur funktioniert? Dann können Sie immer noch als Diözesanrat mit dem Erzbischof in Ruhe darüber reden und das neue Modell bewerten, unter Umständen auch kritisieren.
Lukannek: Ich glaube nicht, dass wir es uns zurzeit im Erzbistum Köln leisten können, bei all den Problemen, die wir in der Kirche haben und die gerade im Erzbistum Köln bundesweit nicht für unbedingt Zustimmung sorgen, etwas zu versuchen, bei dem nicht gewährleistet ist, dass das funktioniert.
DOMRADIO.DE: Es wird weiter ein Ringen um die Zukunft der Kirche geben. In Ihrer Pressemitteilung verwenden Sie aber einen durchaus harschen Ton: "vorgegaukelte Partizipationsmöglichkeit", "unliebsame Meinungen sollen herausgehalten werden". Ist das klug? Wird damit nicht noch viel mehr Porzellan zerschlagen, weil solch eine Sprache die Fronten noch stärker verhärten könnte?
Lukannek: Es ist möglich, dass die Fronten weiter verhärtet werden. Aber ich glaube, dass genau das der Sinn dieser ganzen Übung ist; dass man unter anderem den Diözesanrat aus der Beratung raushält.
Warum hält man uns heraus? Weil wir vielleicht unliebsam sind. Also die Überschrift stimmt schon. Ob man das nun immer genau so formulieren muss oder ob man das weicher formulieren kann, ist eine Frage. Aber ich glaube, der Aufschrei ist größer, wenn man mal sagt: "Leute, es geht langsam nicht mehr".
DOMRADIO.DE: Wie schauen Sie denn in die Zukunft? Wie kann es nun weitergehen?
Lukannek: Das wissen wir noch gar nicht. Wir haben das jetzt vorgesetzt bekommen. Wir bekommen häufiger Dinge vorgesetzt. Wir werden uns das in aller Ruhe anschauen. Wir haben bisher nur eine Presseerklärung des Erzbistums. Ausführungsbestimmungen sind in dem Sinne noch nicht bei uns eingetroffen.
Wir wissen, dass es andere Gremien im Erzbistum gibt, die zwar noch weiter offiziell mit dem Erzbischof eine Beratungsfunktion haben, aber die es auch nicht verstehen können, dass man so auf einmal nach unten ausgeschlossen wird. Auch die Stadt- und Kreisdechanten finden das nicht so lustig, von 15 auf zwei runtergesetzt zu werden.
DOMRADIO.DE: Aber auch die hätten immer noch die Möglichkeit, als Stadt- und Kreisdechantanten so mit dem Erzbischof zu reden.
Lukannek: Die haben ja eine Konferenz, aber wir haben sie nicht. Auf der Besprechung, die wir mit dem Generalvikar hatten, kam dann auch die Äußerung, dass es eigentlich ein solches Beratungsverfahren auch mit dem Diözesanrat geben müsste. Das gibt es aber nicht. Und "es müsste" und "das könnte" und "das sollte" sind so viele Konjunktive. Die helfen uns zurzeit nicht. Wir müssen sehen, wie wir mit dieser Situation umgehen.
Das Interview führte Johannes Schröer.