"I did it my way – ich hab’s auf meine Art gemacht." Zufall oder nicht – das Saxophon-Ensemble hatte zur Jubiläumsfeier der Thomas-Morus-Akademie mit vielen geladenen Gästen zwar bewusst ein unterhaltsames Programm eingängiger Melodien zusammengestellt, dabei aber sicher keine Anspielung auf den Gast in der letzten Reihe im Sinn, als es die rund 100 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft mit diesem Evergreen von Frank Sinatra zu einem Mittagsimbiss entließ. Denn mit Ankündigung hatte sich Kardinal Woelki etwas verspätet und dann den hinteren Eingang in das große Plenum gewählt, wo er sich zunächst unbemerkt auf einen leeren Platz setzte und erst einmal für sich blieb.
Auch die freundliche Aufforderung von Tim-O. Kurzbach, dem Vorsitzenden des Diözesanrates, dass es für den Erzbischof selbstverständlich einen reservierten Platz in der ersten Reihe gäbe und, wie er mit Augenzwinkern hinzufügte, Woelki nicht auf dem "Büßerbänkchen" verbleiben müsse – "da sind wir barmherzig" – quittierte dieser nur mit einem launigen Lächeln. Offensichtlich war er eher zum Zuhören gekommen, hatte die Einladung trotz neuer skandalträchtiger Schlagzeilen aus dem Generalvikariat aber annehmen, grundsätzlich nicht kneifen und für Gespräche mit dem höchsten Laiengremium seiner Diözese zur Verfügung stehen wollen. So zeigte er sich leutselig, als er sich später unter die Gäste der Festgesellschaft mischte und für jeden, der wollte, ansprechbar war.
Dankbarer Rückblick auf gelebte Kirchengeschichte
In seiner Begrüßung hatte auch Kurzbach diesmal darauf verzichtet, die jüngsten Entwicklungen in der Kölner Diözese spitzzüngig zu kommentieren und damit neue Mauern zwischen Bistumsleitung und Laienvertretung hochzuziehen. Vielmehr ging es ihm an diesem Samstag um einen dankbaren Rückblick auf gelebte Kirchengeschichte am Rande der Kölner Zentrale. Und so war es ihm dezidiert ein Anliegen, den üblichen Themen, wo es um kontroverse Sichtweisen und bekannte Meinungsverschiedenheiten geht, keinen Raum zu geben, stattdessen die Bedeutung dieser Bildungseinrichtung im Bensberger Kardinal-Schulte-Haus und in Trägerschaft des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Köln e. V. als "Schnittstelle von Kirche und Gesellschaft" in den Vordergrund zu stellen und die Anstrengung so vieler – darunter die ehemaligen Akademieleiter, aber auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten sieben Jahrzehnten – zu würdigen. Er betonte, sie seien es gewesen, die diesem Haus ein Profil innerhalb des gesellschaftspolitischen Diskurses gegeben und es kontinuierlich weiterentwickelt hätten.
"Wir leben in herausfordernden, ja irren Zeiten und seit Jahren in Krisen", stellte er sodann fest, um auch für die Zukunft die unbedingte Einmischung von Christinnen und Christen in die gesellschaftliche Debatte zu fordern. Dabei nannte er als die größten Herausforderungen namentlich den Ukraine-Krieg, Corona, die Schieflage der Wirtschaft, die tödlichen Konsequenzen der Klimakrise und betonte vor allem die Demokratiekrise. "Spinner gab es immer schon", formulierte es Kurzbach drastisch, inzwischen aber gäbe es einen digitalen Echoraum für jede Spezialmeinung – mit fatalen Folgen. Dauerempörung würde sich breit machen. Jeder beharre darauf, mit seiner Sicht der Dinge im Recht zu sein, und lasse eine Gegenmeinung nicht gelten. Die Kirchen zögen sich zurück und damit würden Werte wie Zusammenhalt, Solidarität und Nächstenliebe schwinden. "Das ist dramatisch für die Gesellschaft und dramatisch für die Kirche", konstatierte der Diözesanratsvorsitzende.
Gesellschaftlichen Zusammenhalt ganz oben auf die Tagesordnung
Er appellierte an die Parteien und die Kirche, den gesellschaftlichen Zusammenhalt ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen. "Die Demokratiekrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit." Den versammelten Landtagsabgeordneten, Kommunalpolitikern und Klerikern sowie den Vertreterinnen und Vertretern aus den Gemeinden, Seelsorgebereichen, Dekanaten und Verbänden rief er entgegen: "Lasst uns zusammen neue Verbünde schließen! Lasst uns in positiver Dynamik etwas nach vorne bringen! Veränderung ist möglich. Wir müssen nicht bei der Asche stehen bleiben, sondern können die Flamme und das Feuer hochhalten."
Vorangegangene Generationen hätten davon ein Beispiel gegeben, als 1948 das Kölner Diözesankomitee trotz zerstörter Innenstädte und großer Hungersnot die Bildungsarbeit im Priesterseminar Bensberg eröffnet und Kardinal Frings dieses "Diözesanbildungsheim" dann 1953 zur Thomas-Morus-Akademie erhoben habe. "Was für eine großartige Mission!", befand Kurzbach mit Blick auf die Historie der Akademie. Er erinnerte an den Brand 1980 und daran, dass bis heute die unzähligen Tagungen, Seminare und Projekte im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils stünden. Er mahnte: "Als Kirche, als Getaufte und Gefirmte, sind wir aufgefordert, in die Gesellschaft hineinzuwirken und Kirche und Gesellschaft mitzugestalten."
"Auferstehung bedeutet Aufbruch"
Wer an die Auferstehung glaube – "und Auferstehung bedeutet Aufbruch" – habe als Christ den Auftrag, etwas mit neuer Dynamik nach vorne zu bringen, und dürfe sich nicht von Schriftgelehrten zurückdrängen lassen. "Eine solche Akademie ist ein Bildungs- und Wissenschaftsort für alle Menschen, die Fragen stellen, neue Perspektiven suchen, sich Kultur erschließen, also sich fortbilden wollen. Und sie ist ein Erlebnisort von Glaube", definierte Kurzbach. Daher müsse die TMA auch von Staat und Kirche gestützt werden, aber dennoch frei in ihrer Programmgestaltung sein und an den Themen der Zeit arbeiten dürfen.
Wie sehr ihr das aktuell gelingt, belegte die Wahl des Referenten Oliver Krischer, der die benannten Herausforderungen – zuvorderst die der Klimakrise – anschaulich machte, wobei er als aktuelle Beispiele die Überschwemmungen in Slowenien und Österreich sowie die verheerenden Walsbrände in Kanada und Südeuropa benannte. Der NRW-Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr kritisierte, dass die Klimakrise, die nicht wirklich mit dem eher positiv assoziierten Begriff "Wandel" zu benennen sei, lange verharmlost worden sei und vor allem arme Menschen betreffe, die nicht mal eben umziehen und ihren gewohnten Lebensraum verlassen könnten. Daher sei Klimaschutz am Ende auch ein zutiefst soziales Thema und Sozialpolitiker in besonderer Weise gefordert.
Globale Gerechtigkeit Gebot der Stunde
"Beim Klimaschutz geht es darum, globale Gerechtigkeit zu praktizieren und eine Basis dafür zu schaffen, dass Menschen auf der ganzen Welt in Würde leben können." Das sei das Gebot der Stunde und dulde keinen Aufschub. "Hier ist es unsere Verantwortung, einen Beitrag zu leisten und sich der globalen Herausforderung zu stellen. Die gute Botschaft, so formulierte der Experte, sei, dass es schon heute die dafür notwendige Technologie gebe. Potenziell könne in Zukunft die Energieversorgung aus vollständig erneuerbaren Energien geleistet werden. Auch wenn die Debatten um die Transformationskosten geführt werden müssten, betonte Krischer: "Wir sollten jetzt schnell handeln und nicht auf noch bessere Techniken warten und uns den Zeitfaktor offen lassen!"
Die Verleihung des Anton-Roesen-Preises, den der Kölner Erzbischof jedes Jahr für gesellschaftspolitisches Engagement vergibt und der herausragende Leistungen katholischer Christen auf dem Gebiet der "Weltverantwortung der christlichen Gemeinde" würdigt, wie es dazu offiziell heißt, konnte abschließend wie ein großes Ausrufezeichen zu allem vorher Gesagten interpretiert werden. Für das Projekt "Fluthilfe in Beyenburg" nahmen die Mitglieder des Kirchenvorstandes der Gemeinde St. Maria Magdalena in Wuppertal-Beyenburg, Mitglieder der Bezirksvertretung sowie Angehörige der Bundeswehr den mit 5.000 Euro dotierten Preis entgegen. Ebenfalls ausgezeichnet wurde die "Umweltbox der Katholischen Jugendagentur Köln", mit der (Grundschul-) Kinder möglichst früh für einen nachhaltigen Umgang mit verschiedenen und weniger werdenden Ressourcen auf spielerische Weise sensibilisiert werden sollen.